Ihr Antrieb ist die Liebe zu guten Lebensmitteln, ihre Testesser finden sie nicht selten auf Hamburgs Wochenmärkten – Alexandra Maschewski über engagierte Manufakturen mit Heimatsinn.

Nicole Kemper kann sich noch gut daran erinnern, wie die ersten Saucengläser aussahen, die sie und ihre Freundin Anja Aleith vor rund zwei Jahren auf dem Isemarkt verkauft haben. Viereckig waren sie damals schon, auch die Sorten „Mango Curry“ und „Scharfe Linse“ gab es bereits. Doch wo heute ein schickes schwarz-weißes Etikett über Sauce, Chutney, Salsa oder Jelly aufklärt, klebte damals ein selbst beschriftetes Stück Packpapier. „ANNIs“ heißt das kleine Unternehmen mittlerweile, und dahinter verbergen sich die Freundinnen Anja und Nici. Die Erfolgsstory dieser beiden ist beispielhaft für eine neue Generation von Manufakturen, deren Gründer, ermutigt von Familie und Freunden, irgendwann ihre Liebe zu Genuss und Qualität zum Beruf gemacht haben. Und die allesamt in ihrer Heimatstadt produzieren.

So wie die beiden Chefinnen von „ANNIs“. „Wir kochen in Ahrensburg in unserer ,Hexenküche‘“, sagt Nicole Kemper. „Eigentlich so wie früher auch. Nur die Töpfe sind inzwischen sehr viel größer geworden.“ Kein Wunder, schließlich verkaufen die beiden Mütter von zusammen sieben Kindern – daher der Zusatz „made by mums“ – nicht nur über Feinkost-Geschäfte wie „Mutterland“, sondern auch über ihren Onlineshop. Bestseller: Kirsch-Balsamico-Confit. Und zur bevorstehenden Weihnachtszeit sehr beliebt: Preiselbeere.

Die Qualität der Zutaten ist extrem wichtig, auch für Petra Morawa und ihre Marke „Flaschenweise“, die ihre Testphase ebenfalls auf Hamburger Wochenmärkten durchlebte und in diesem Jahr bereits ihr zehnjähriges Jubiläum feiern kann. Heute entstehen auf 400 Quadratmetern in Wandsbek nicht nur das so beliebte Basilikum-, sondern auch Sorten wie 1001-Nacht- und Thai-Pesto – allesamt im typischen Weckglas. Dazu kommen noch Produkte wie Salze, Essig- und Ölsorten oder Grappa. „Mir geht es um größtmögliche Transparenz. Deshalb kann man unsere Rohstoffe wie Salz oder Öl auch in ihrer puren Form kaufen“, sagt Petra Morawa, die diese Rohstoffe von kleinen Familienbetrieben bezieht. Firmen auf Sizilien oder Sardinien etwa, die sie auch persönlich schon besucht hat. Trotz der gewachsenen Mitarbeiterzahl – die Rezepte denkt sich die ehemalige Werberin immer noch selbst aus. Jüngstes Ergebnis: Pizza-Öl mit rotem Chili und Parmesan.

Marge Ziegler von „MARGE FeineCreationen“ nennt das „eine wilde Idee im Kopf haben“: „Manchmal sehe oder rieche ich Früchte und sehe schon einen Aufstrich vor meinem geistigen Auge. Ich habe oft eine genaue Vorstellung vom Endprodukt und probiere Rezepturen so lange, bis das Ergebnis meiner ursprünglichen Idee entspricht.“ Heraus kommen Aufstriche wie „Hamburger Kirsch“ mit einem Schuss Schokoladenlikör oder „Exotica“ mit Banane, Grapefruit sowie Pfirsich- und Maracujamark. In den von Hand beschrifteten Gläsern befinden sich aber auch Klassiker wie Himbeere oder Erdbeere. „Immer mehr Menschen entdecken verloren geglaubte Geschmackserinnerungen wieder“, sagt Marge Ziegler, die sich 2009 mit ihrer kleinen Eimsbütteler Manufaktur selbstständig machte. „Diese verbinden sie mit ihrer Heimatregion oder mit ihrer Kindheit.“ Regionale Spezialitäten seien mittlerweile das besondere Geschenk oder Mitbringsel. Ab kommendem Jahr will Marge Ziegler auch mit verschiedenen 5-Sterne-Hotels zusammenarbeiten und diese für den VIP-Bereich mit individualisierten Produkten beliefern.

Wie weit kulinarische Souvenirs aus Hamburg manchmal reisen, weiß André Montaldo-Ventsam vom „Kakao Kontor“ in Eimsbüttel. Fans seiner süßen Spezialitäten gibt es nicht nur in der Heimat, sondern auch auf Mallorca oder in den USA. „Tatsächlich war unsere Schokolade auch schon am Südpol“, erzählt der 43-Jährige, der seit sieben Jahren mit Produkten wie Kakao-Raspeln und den „Hamburg schokt“-Tafeln den Markt ein wenig bunter macht. „Ebbe und Flut“, Milchschokolade mit Salz, heißt der Favorit vieler. Die Tafeln werden nicht nur wegen Geschmack und Design, sondern auch wegen Namen wie „Bonsche für Klein Erna“ oder „Sternschanze“ gekauft. Lokalkolorit zum Verspeisen gewissermaßen.

Bezeichnungen wie „Josephine Baker in Bollywood“ (mit Bananen und Curry) oder „Mord im Orient“ (mit Weißwein-Feigen und Gewürzen) fallen Eva Osterholz beim Anrühren oder morgens in der Aufwachphase ein. Auf ihren Firmennamen „Senf Pauli“ kam die 38-Jährige, weil sie 2008, als sie ihre Geschäftsidee hatte, in der Nähe von St.Pauli wohnte. Außerdem steht Pauli noch für „Produkte aus umweltbewusstem lokalem Idealismus“, auch, wenn das wohl kaum einer der Kunden weiß. „Regional ist das neue Bio“, sagt Eva Osterholz, die in einer alten Käserei in Eilbek ihre zehn Senfsorten und drei Saucen auf Tomatenbasis – es soll auch Nicht-Senfliebhaber geben– herstellt. „Bio ist längst in der Breite der Gesellschaft angekommen, schließlich bekommt man auch bei Discountern entsprechende Produkte.“

Manufakturen gefielen den Menschen nicht nur besonders, weil sie wüssten, wo das Produkt gemacht wird, sondern auch, wer es herstellt. „Die Kunden sind erstaunlich gut informiert. Sie fragen mich sogar nach speziellen Herstellungsarten“, sagt Eva Osterholz, die eigens für Senf Pauli eine Steinmühle hat anfertigen lassen. „Wir lernen gerade den Umgang mit der Mühle, mit der wir Senf trocken und nass vermahlen können. Nach und nach wollen wir die Produktion umstellen, das erfordert eine Überarbeitung aller Rezepturen.“ Eva Osterholz hat es nicht eilig. „Wir wachsen langsam und gemütlich – das fühlt sich gesund an.“