Michael Eggenschwiler sieht trotz seines Erfolges als Hamburgs Airport-Chef keinen Grund, abzuheben. Hans-Juergen Fink über einen Bodenständigen, der auch seine Schweizer Heimat nicht aus den Augen verliert.

Der rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, Besonderes für die Stadt leisten, als Vorbild gelten. Michael Eggenschwiler bekam den Faden von Patricia Schlesinger und gibt ihn an Andreas Bartmann weiter.

Chef des Flughafens einer Metropolregion zu sein, wie fühlt sich das an? Michael Eggenschwiler lehnt sich in seinem Stuhl zurück. „Manche sagen: wie Bürgermeister.“ Der bedächtige Schweizer auf dem Chefsessel des Hamburger Airports erläutert: „Hier arbeiten etwa 250 Firmen mit 15.000 Mitarbeitern. Die muss man alle ins Boot holen und ihnen das Gefühl geben: Das ist unser Flughafen. Für mich ist das eine ganz breite Palette – von der Feuerwehr über die Vermarktung bis zum Bauen und den Sicherheitsfragen. Das Ziel ist der reibungslose Betrieb, ich bin der Moderator und Motivator.“

Michael Eggenschwiler lacht, ihm liegen komplexe Aufgaben mit vielen Variablen, das war schon immer so. Aber warum ist es ausgerechnet ein Flughafen geworden? „Die Begeisterung fürs Fliegen war schon immer da.“ An seinen ersten Flug kann er sich nicht erinnern, „das muss mit eins oder zwei gewesen sein“. Von Basel aus, wo er aufgewachsen ist, zu den Großeltern nach London. „Einer dieser Nachtflüge, die damals kostengünstig waren. Und wahrscheinlich bin ich da noch in den Flieger getragen worden.“ Jahrgang 1958 ist er, da war Fliegen noch etwas ziemlich Exklusives. Und das Lange-aufbleiben-Dürfen ist für Kinder sowieso spannend.

Kein Wunder, dass der Knabe später gern zum Plane Spotting am Flughafenzaun stand. „Wenn Zürich Nebel hatte, dann war bei uns in Basel am meisten los.“ Eggenschwiler studierte an der Betriebswirtschaft, führt den Titel „lic.oec. HSG“, „licenciatus oeconomicus Hochschule Sankt Gallen – heute wäre das wohl ein MBA (Master of Business Administration)“. Die Diplomarbeit über die Rolle, die der Flughafen Basel für die schweizerische Luftfahrt spielen kann, brachte ihn wieder dicht an die Fliegerei. Er wurde Assistent der Geschäftsleitung bei Crossair, „da habe ich Luftfahrt von der Pike auf gelernt, das war so klein“. Nach acht Jahren wechselte er zu Swissair und blieb zehn Jahre. Eggenschwiler ist nicht wirklich ein Job-Hopper.

Wie kam er nach Hamburg? „Nach der Swissair hab ich Beratung gemacht und bin von einem Headhunter angesprochen worden.“ Er kannte Hamburg von zwei früheren Besuchen, wusste, dass der Flughafen in einigen Bereichen führend war. „Ich bin ziemlich unbelastet nach Hamburg gekommen.“ Als Mitglied der Geschäftsführung – das war 2003, die Baugruben für die Flughafen-S-Bahn und das Terminal 1 waren gerade ausgehoben. Seit 2005 ist er Vorsitzender der Geschäftsführung, dazu in Berlin und Brüssel in Flughafenverbänden aktiv. In Hamburg verantwortlich für eine der wichtigen Visitenkarten der Stadt. 30.000 bis 50.000 Passagiere pro Tag müssen hier durch.

Woran merkt ein Reisender eigentlich, dass er in Hamburg ist und nicht in Dublin, Brüssel oder Mailand? „Durch Beschriftungen, durch Hamburg-Bilder, durch Zitate über Hamburg in einem Teil der Pier. Durch die Begrüßung ‚Willkommen in Hamburg‘, durch Hamburg-typische Gerichte wie Pannfisch in den Restaurants. Durch einen Destination Shop, in dem man verschiedene Hamburg-Artikel kaufen kann. Und natürlich durch unsere Architektur, die den Flughafen wiedererkennbar macht.“

Stichwort Visitenkarte. Worauf kommt es ihm da an? „Sauberkeit, Klarheit der Abläufe, dass es fließt. Freundliches Personal, möglichst überall ein Lächeln – beim Busfahrer, beim Check-in, bei der Sicherheits- und der Passkontrolle, beim Einsteigen.“ Luftfahrt, sagt er, ist eine Gesamtleistung.

Befragungen der Passagiere ergeben ein gutes Bild, wie es darum steht. Eggenschwiler ist gern selbst vor Ort, geht mit den Augen des Passagiers durch den Flughafen. Liest und beantwortet Beschwerdebriefe, freut sich über Lob für Mitarbeiter, das bei ihm landet. „Wenn alles gut läuft, gilt: No news is good news.“

Was ihn am meisten ärgert, wenn er selber als Passagier unterwegs ist? „Fehlende Information. Im Flieger zu sitzen, nichts passiert, und keiner sagt, warum. Oder am Gate, wenn die Einsteigezeit verstreicht, und nach einer Viertelstunde weiß man immer noch nicht, wie’s weitergeht.“ 40- bis 50-mal ist er selbst pro Jahr unterwegs, dabei begutachtet er auch, was andere Flughäfen besser machen. „Es gibt immer wieder Details, die man besser machen kann, in der Summe machen sie einen Unterschied, den der Passagier fühlt. Die Bedürfnisse der Organisation mit denen des Passagiers in Einklang zu bringen, das ist die Herausforderung.“ Hamburg scheint da ganz gut zu liegen. „Auszeichnungen wie ‚Best Regional Airport‘ in Europa bekommt man ja nicht ohne Grund zweimal hintereinander“, sagt er stolz.

Ärgert es ihn, dass es nur zwei Langstrecken ab Hamburg gibt – Dubai und New York? „Ja und nein. Es könnten mehr sein, die Langstrecke gilt natürlich als Krönung. Emotionslos betrachtet ist Hamburg aber gut angeschlossen an die wichtigen Drehkreuze.“ Unfroh wird er, wenn irgendwo im Flughafen gestreikt wird, wenn Stunden nichts mehr geht und die Schlangen genervter Urlauber und Geschäftsleute immer länger werden. „Das hatten wir reichlich dieses Jahr. Dann geht man nicht gern durch die Halle. Ich bin aber in der Halle, ich muss ja für unsere Mitarbeiter sichtbar sein, die da in schwierigen Situationen ihren Job machen.“

13,7 Millionen Passagiere hatte der Flughafen 2012. Die Kapazitätsgrenze wurde mal mit 16 Millionen veranschlagt. Eggenschwiler sieht das entspannt: „Die Fliegerei hat sich verändert, es werden größere Maschinen eingesetzt, wir haben eine höhere Auslastung pro Flug. Wir beobachten das aber genau, denn ein Flughafen kann schlecht von heute auf morgen reagieren, das braucht schon Zeit.“

Zeit bringt Eggenschwiler mit. „Ich habe es nie bereut, nach Hamburg zu kommen.“ Er denkt auch nicht ans Weiterziehen, „ich hab keinen Grund dafür, es ist mir wohl, beruflich und privat“. Der Schweizer hat sich wie seine Familie in Hamburg eingelebt. In Ottensen, da hat er einen weiten Blick – „wichtig, wenn es schon keine Berge hat“ –, es ist nicht weit zur Elbe, ideal für lange Spaziergänge. Freizeit ist für ihn Ruhezeit, er ist keiner, der am iPad verbissen „Flight Control“ spielen würde. Er braucht Zeit für Familie und Freunde, für Radtouren, etwas Golf, Erholung, Abstand vom Job.

Die Verbindung zur Heimat ist eng, seit zwei Jahren ist er auch Honorarkonsul der Schweiz in Hamburg und Schleswig-Holstein, „zuständig für 4000 bis 6000 Schweizer hier im Norden“. Gerade erst hat der Schweizer Verein Helvetia 130. Geburtstag gefeiert; er kümmert sich um Kontakte der Schweizer untereinander, man spricht Schwyzerdütsch und Französisch, organisiert Ausflüge, Käsefondues und eine jährliche Feier zum Bundesfeiertag, mit dem die Schweizer des Rütli-Schwurs von 1291 gedenken. Auch eine Deutsch-Schweizerische Gesellschaft gibt es, die die Verbindungen mit der Schweiz pflegt, vor allem durch Vorträge. Beruhigende Auskunft des Konsuls: „Zwischen Hamburg und der Schweiz ist alles okay.“

Und er selbst? Wie viel Schweiz braucht er in Hamburg? Eine CD mit Alphorn-Klängen hat er nicht, ein Glas Schweizer Weißwein tut es auch, die Freunde, das Käsefondue und ab und zu mal ein Besuch im Ottenser Restaurant und Laden Schweizweit.

Dass der Sohn in Zürich lebt, fördert die Reiselust ebenso wie die Tochter, die in London im Hotelfach arbeitet. „In beide Städte fliegt man von Hamburg aus ganz bequem.“