An Selbstbewusstsein mangelt es ihr ebenso wenig wie am Drang zur großen Geste: Simone Bruns. Kunst-Event-Managerin ist sie, unter anderem.

Regisseure haben alles im Griff, drücken auch Kleinigkeiten ihren unverwechselbaren Stempel auf. Man spürt das, realisiert aber oft erst am Ende einer Aufführung, wie alles zusammengehört hat. Die Bühne? Kann alles sein, Hauptsache, es ist ihre. Und die anderen? Für solche Spielkinder von Format sind sie Helfer oder Publikum.

Simone Bruns, 43, liebt die große Inszenierung. Eine Wohnung auf der Uhlenhorst, in der die Grenzen zwischen Leben und Arbeiten verschwimmen. Das Foto zu diesem Artikel entsteht vor einem selbst gemalten Bild, ihre Gesten changieren zwischen Grande Dame und Drama Queen. Nicht laut, aber schon besonders.

Kunst-Event-Managerin sagt sie, wenn man fragt, was sie macht. "Ist echt schwierig zu erklären." In den zur Straße gelegenen Räumen arbeiten zwei Mitarbeiterinnen an neuen Projekten. In einem ruhigen Raum weiter hinten brennen auf einem kleinen Tisch neben dem Sofa einige Kerzen, am Vormittag, kurz nach 11 Uhr. Zen. Simone Bruns sitzt barfuß auf den Polstern.

Und fängt an zu erklären. Geboren in Leer/Ostfriesland. Christlich, aber unkonventionell erzogen. Das zweite von vier Kindern eines erfolgreichen Unternehmers, der sein Geld mit Altenheimen, Seniorenwohnungen und Kindergärten gemehrt hat. Ein Bastler und Tüftler dazu. "Ich war die Revoluzzerin." Die Schule kurz vor dem Abitur abgebrochen. Nicht eben ideal für eine Bewerbung. Das ist die eine Simone Bruns.

Die andere ist ein Kind, das gern in Traum- und Fantasiewelten abtaucht. Eines, das sich stundenlang mit sich selbst beschäftigen kann. Das sich die "schönsten und größten Höhlen" baut, das den Wohlstand des Vaters - "wir hatten als Erste in der Gegend einen gemauerten Pool" - wie eine Prinzessin genießt. Das eigene Spiele erfindet und andere Kinder gleich mitbespielt. Das die Dunkelkammer seines Großvaters, eines Hobbyfotografen, als geheimnisvolle Zauberwelt empfindet.

Mit 13, 14 Jahren hat sie eine eigene Dunkelkammer, ist selbst die Zauberin. Nach der Schule, mit 19, wird sie von einem Fotografen-Laden angezogen. Bewirbt sich um eine Lehrstelle, wird nach Durchsicht ihrer Mappe mit eigenen Bildern genommen. Lernt, wie man handwerklich korrekt fotografiert. Will mehr erleben, als Leer/Ostfriesland perspektivisch hergibt. Sie kauft das Hamburger Abendblatt, liest die Stellenanzeigen. Ihr Traum hat acht Buchstaben und heißt: Raus hier!

Im Bunker an der Hamburger Feldstraße muss sie beim Bewerbungsgespräch den PPS-Geschäftsführer Walter Remy beeindruckt haben. In ihrem quietschegelben Kostüm von C&A, von dem sie dachte: "Damit ist man ganz weit vorn", und das sie zwischen der professionellen Jeans-und-T-Shirt-Coolness bei PPS aussehen ließ wie einen frechen Kanarienvogel. Remy hörte sich wortlos an, was aus ihr heraussprudelte, und sagte: "Die ist gut, die nehmen wir."

Beim Professional Photo Service, dem Mekka der Berufsfotografen, gegründet von der Modefoto-Legende F.C. Gundlach, lernt sie, wie Bilder produziert werden, hochwertig und qualitativ korrekt. Sie steht monatelang in der Dunkelkammer. Arbeitet im Vertrieb, im Außendienst. Wandert zu Agfa, wird dort Vertriebsdirektorin. Mit Dienstwagen. Verkaufen kann sie. "Am Ende des Tages bin ich auch ein Verkäufer."

Remy und Gundlach werden geschätzte Ratgeber und Förderer auf ihrem Weg. Remy schickt sie in die große glitzernde Mode-Märchen-Welt, "du musst zu Joop, zu Jil Sander". Sie kann das, es ist die Zeit, in der große Foto-Archive digitalisiert werden, sie bringt gute Aufträge heim. Das Quietschegelb wird bald ersetzt durch die dezentere Jil-Sander-Farbpalette.

F.C. Gundlach hat ihr, sagt sie, das Sehen beigebracht. Sie lernt das über viele Jahre, beginnt, den künstlerischen Inhalt zu sehen: "Was macht ein Foto interessant? Sind da gute Ideen, ist es nachhaltig, wie entwickelt sich ein Fotograf, arbeitet er langfristig an seinen Themen?" Sie versteht, dass Ideen die Nase vor Geld, Aufwand und technischer Raffinesse haben sollten.

Im Jahr 2004 fragt Gundlach sie, ob sie für eine seiner Ausstellungen Sponsoren akquirieren kann. Sie kann, denn sie sieht Chancen, wo andere Probleme wahrnehmen. Gundlach holt sie zur Deichtorhalle ins "Haus der Fotografie", sie soll fürs Kultursponsoring sorgen. "In acht Jahren hab ich so mehr als eine Million Euro eingeworben. Bis die Wirtschaftskrise kam - das war brutal." Dirk Luckow und Bert A. Kaufmann, seit 2009 bei den Deichtorhallen, raten ihr, auf eigene Stärken zu setzen. Da hatte sich einiges angesammelt: beste Kontakte in die Hamburger Gesellschaft, in die Welt des Kunst-Business, zu Privatbankern, zu Künstlern - ihr Adressbuch enthält Tausende Handynummern.

Eine Freundin erzählt von einer Villa am Hirschpark, die seit Jahren leer steht, und sagt: "Bring da doch mal Bewegung rein." Das weckt die "Traum-Regisseurin" in ihr, die sie immer noch ist. Sie fragt den Fotografen Kristian Schuller, Experte für Bilder voller Drama, große Inszenierung und Traumwelten. "Er hat sofort zugesagt." Seine Frau steuert aufgefallene Mode bei, die sie traumhaft drapiert. Dazu kommen Essen, Musik, Dresscode. Ein Event, über das man spricht. Und nebenbei wird verkauft. Man spürt heute noch ihre Verwunderung darüber, wie einfach das war und welchen Andrang das ausgelöst hat. Simone Bruns kann seither ihren Hang zum Inszenieren in großem Stil ausleben.

Sie ist ein Mensch, der zum Wohlfühlen alle Sinne benutzt. Und den deshalb "normale" Ausstellungseröffnungen eher abgetörnt hatten: helles Licht, kahles Ambiente, Stehparty. Sie macht es anders. So wie bei "Eyes on Paris" 2011 in den Deichtorhallen - eine exklusive Preview mit einem Thema und einem Dresscode: Sparkling Pink and Black. Mit pinken Cocktails und pinken Macarons und einer französischen Band. Darüber wird geredet. Oder bei ihren Kunstgalas mit langen Tafeln zwischen den Bildern. Kerzenlicht, Abendgarderobe, das Ticket zu 180 Euro. "Das machen die Hamburger nicht mit?" Die Zeremonienmeisterin lacht.

Sie kann große Namen einbinden. Das schräge britische Künstler-Duo Gilbert & George, Stephan Balkenhol und Georg Baselitz. An die 20 Events seit 2008 führt sie im Internet auf. Und steckt kritische Anmerkungen aus der Kunstszene locker weg, wo ihr manche vorwerfen, Verpackung und Business zu weit vor den Inhalt zu stellen.

Im vergangenen Herbst hat sie den Jungfernstieg zur Outdoor-Galerie machen können. 40 Großformate von Albert Watson, ganz normale Amerikaner im Kontrast zu seinen Bildern aus der Glamourwelt von Hollywood, "Kate Moss neben einem Bauernmädchen, das einen ganz eigenen Stolz hat". In diesem Herbst zeigt sie dort mit der Deichtorhalle Fotos von Guy Bourdin. "Einen neuen Zugang zur Kunst öffnen, das macht mir Spaß."

Derzeit hält sie ihre Foto-Soiree im Grünspan an der Großen Freiheit am 19. April in Atem: Edith Held - Plastic World. Dresscode: Glam Rock. Die A4-Einladungskarte zieren Sponsoren-Logos von Audi bis Vogue. Wo nimmt sie die Energie her? "Das frag ich mich manchmal auch." Pause. Sie schmeckt dem Satz hinterher. Joga hilft ihr, und Tai-Chi. Und Amanda. Das ist ihre Weimaraner-Hündin und Begleiterin bei ausgedehnten Jogging-Touren durch den Stadtpark. Ganz uninszeniert: ohne Schminke, mit Pudelmütze, Jogginghosen und "Überlebensschuhen". Selbst bei wildem Schneetreiben traben sie los.

Oder die Musik. Gern ein bisschen größer als CD - "ich will hier mal Home Opera haben, drei Opernsänger in der Wohnung". In einem Literaturkreis ist sie auch dabei, seit zehn Jahren. Lieblingsgedichte vorlesen, drüber reden, Rotwein, Käse.

Oder Kochen für Freunde - auch so ein kleines, feines Privattheater: Essen, Trinken, Musikhören, Gerüche, Licht. Schlussbild eines idealen Abends: Simone Bruns, hingegossen aufs Sofa, Musik vom iPod, gedimmte Lichter, Kerzen und Rotwein in einem der schönen großen Gläser. Und träumen von noch unerfüllten Träumen.

Vom Studium der Malerei etwa, das ihre Alternative gewesen wäre zum Anfang bei PPS. "Ich hab immer gern gemalt. Hab also 'ne Mappe zusammengestellt und hab mich bei Markus Lüpertz in Düsseldorf beworben." Der Meister, sagt sie, sei angetan gewesen ("ist ausbaufähig"), sie hätte Gastschülerin werden können. Das Verdikt der Mutter - "brotlose Kunst" - holte sie in die Realität zurück. "Dabei wäre ich heute bestimmt ein ganz großer Maler, so wie Gerhard Richter." Sie lacht herzlich über ihren Griff nach den Sternen.

Ihr Lebensweg ist trotzdem bei der Kunst angekommen. Die Spiele-Erfinderin von einst ist heute Regisseurin der seltenen Momente, in denen erwachsene Menschen dem Kind in sich ein bisschen Raum geben. "Das Glück des Menschen", sagt sie, "ist doch, wenn er eine Leidenschaft hat. Die trägt einen durchs Leben und hält jung." Sie jedenfalls zelebriert jede ihrer kleinen Inszenierungen voller Leidenschaft und lustvoll. Und ist damit vielleicht ehrlicher als andere, die das auch tun, aber denken, keiner merkt's.

Der rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, Besonderes für die Stadt leisten, als Vorbildgelten. Simone Bruns bekam den Faden von Holger Jung und gibt ihn an Sibilla Pavenstedt weiter