Der Oster-Hit-Marathon von Radio Hamburg bereits zum 25. Mal statt und ist eine feste Größe im Event-Kalender, weiß Alexander Josefowicz.

Es war ein besonderer Geburtstag, damals, im Frühjahr 1989, als in Bonn Bundeskanzler Helmut Kohl regierte, man mit D-Mark bezahlte, fast niemand wusste, was das Internet ist, und die Mauer zwischen BRD und DDR langsam anfing zu bröckeln. Der Hamburger Hafen wurde 800 Jahre alt. Und weil große Feiern auch große Geschenke erfordern, machten sich zwei Volontäre von Radio Hamburg Gedanken, wie man dem Hafen ein Ständchen bringen könnte. Sie ersannen eine Hitparade im Übergroßformat. Für jedes Hamburger Hafenjahr ein Song, gewünscht von den Hörern, abgespielt in einem 60 Stunden langen Rutsch.

Eine im ersten Augenblick etwas größenwahnsinnig wirkende Idee. Die Marzel Becker und Stephan Heller trotzdem bei ihren Vorgesetzten durchsetzen konnten - nicht zuletzt, weil die beiden sich auch gleich als Moderatoren zur Verfügung stellten.

Dass es sonst keine Freiwilligen gab: kein Wunder. Die Aussicht darauf, fast drei Tage am Stück ein neues Konzept zu testen, von dem keiner wusste, ob es funktionieren würde, entzückte kaum jemanden. Also blieb der Marathon an den Erfindern hängen. Ein Kompromiss, den Becker und Heller damals eingehen mussten: Im Mai, wenn der Hafengeburtstag traditionell gefeiert wird, gab es keinen Platz, um drei Tage am Stück das normale Programm auszusetzen und stattdessen eine Hörer-Hitparade in Rekordlänge zu senden. Also wurden die Top 800 kurzerhand auf Ostern verlegt. Vom Karsonnabendmorgen bis zum Ostermontagabend wechselten sich die beiden am Mikrofon ab. Und begannen damit eine Tradition, die 2013 nicht mehr nur den Hafengeburtstag, sondern auch ihr eigenes Jubiläum feiert: Die Endlos-Charts laufen bereits zum 25. Mal.

Becker und Heller tun sich die lustige, aber kräftezehrende Tortur schon länger nicht mehr an. Aber mit Birgit Hahn und "Morningshow"-Komoderator Horst Hoof ist für die Top 824 ein bewährtes Team am Start, das genau weiß, worauf es ankommt: gute Vorbereitung. Hahn macht seit Anfang des Jahres regelmäßig Ausdauersport und weiß auch schon, was sie während der zwei Tage vor Beginn des Marathons tun wird: "Da werde ich vorschlafen." Horst geht noch etwas weiter: "Ich habe mir in diesem Jahr die Woche davor und die danach freigenommen, um mich nur darauf konzentrieren zu können."

Tatsächlich liegt eine Mammutaufgabe vor den beiden, zumal nicht nur die Liste der Songs mit den Jahren immer länger geworden ist. Sondern auch die Party rund um die XXL-Hitparade immer größer. 2000 trat mit DJ Ötzi das erste Mal ein Musiker live während des Hitmarathons auf. Zwei Jahre später wurde die Finalparty ins Stadion des HSV verlegt, man feierte mit 35.000 Zuschauern die Nummer eins der Top 813: Sarah Connor mit "From Sarah with Love". 2003 widmete man die Color Line Arena zum Radiostudio um, "All the Things She Said" des russischen Duos t.A.T.u. landete auf Platz eins. Doch abgesehen von diesen Ausflügen blieb man der Innenstadt treu, auch wenn das alte "Gläserne Studio" im St.-Petri-Haus Geschichte ist, der Sender 2008 ein Stück weiter an die Spitalerstraße gezogen ist.

Dass aus der Mammut-Wunschliste ein Erfolg werden würde, der jährlich mehr als 10.000 Menschen anlockt, die live bei der Bekanntgabe der bis zuletzt geheim gehaltenen Top 20 dabei sein wollen, hätte sich damals kaum jemand denken können. Es gab aber bereits während der Top 800 Anzeichen dafür, dass die Hörer Gefallen an den Endlos-Charts finden würden. Die improvisierte Feier am Speersort führte schon 1989 dazu, dass die Polizei die Straße sperren musste, Becker und Heller kurzerhand vom Dach eines Autos aus in der Menge moderierten. 24 Jahre später ist man vorbereitet: Die Party mit Livebands, Bühnenshow und den Moderatoren gehört inzwischen genauso selbstverständlich zum Hamburger Eventkalender wie der Hafengeburtstag, zu dessen Ehren die Hitparade einmal ins Leben gerufen worden war. Auch Hahn und Hoof wissen, was sie an den treuen Hörern haben. Selbst mitten in der Nacht kommen Menschen vorbei.

Andere, die ebenfalls über Ostern arbeiten, fühlen mit den Moderatoren. "Es gibt ganz viele freiwillige Feuerwehren, die darauf achten, dass niemand sein Osterfeuer abfackelt. Und die rufen uns immer wieder an und feiern mit uns", sagt Hoof. Trotzdem sind sie froh, wenn der Ostermontagmorgen anbricht: "Nach der zweiten, sehr schweren Nacht läuft dann alles wie von selbst", weiß Hahn aus langjähriger Erfahrung.

Wie Psys YouTube-Überhit "Gangnam Style" abschneidet, ob "One Day/ Reckoning Song (Wankelmut Remix)" Chancen hat, dem Südkoreaner die Stirn zu bieten, wo sich Panda-Rapper Cro und Baauers "Harlem Shake" platzieren, und wie es mit Carly Rae Jepsens "Call Me Maybe" aussieht, erfahren Sie am Gründonnerstag im Hamburger Abendblatt, das die komplette Hitliste abdruckt - natürlich mit Ausnahme der geheimen Top 20. Aber egal, wer gewinnt: Wenn am Ostermontagabend die letzten Töne des Sieger-Songs verklingen, ist nicht nur die 25. Auflage des Hit-Marathons vorbei.

Dann sind seit 1989 in fast 1500 Stunden genau 20.300 Songs zu Ehren des Hafens gespielt worden. Die Top 800 gewann passenderweise Robin Beck mit "First Time". Das erste Mal, der Beginn einer Erfolgsgeschichte. Für die Hitparade und für ihre Erfinder: Marzel Becker ist heute Geschäftsführer und Programmdirektor von Radio Hamburg, Stephan Heller Station Manager von Klassik Radio Deutschland.