Am besten schmecken die selbst gemachten Liköre aus Hagebutten und Schlehen. Die Herstellung ist leicht, aber man braucht Zeit und Geduld.

Weihnachten auf dem Land fängt für meine Frau und mich am vierten Advent an. Dann schenke ich Anke die erste Flasche meines selbst gemachten Festtagslikörs - und beschenke mich natürlich auch, weil wir den auch gleich probieren. Ich weiß, der Teufel hat den Schnaps erfunden, und wahre Männer trinken nicht so ein süßes Zeugs. Das ist, wenn überhaupt, was für Mädchen, schmeckt aber teuflisch gut - und Udo Lindenberg hat seinen Eierlikör auch nicht nur zum Malen benutzt.

Meine Liköre, auch als Aufgesetzte bekannt, sind diesmal aus Hagebutte und Schlehe, also von Sträuchern aus meinem Garten, natürlich selbst gemacht und das ideale Begleitgetränk zur Tee- oder Kaffeestunde im Winter.

Und vielleicht ist so ein Aufgesetzter nicht nur lecker, sondern auch gesund. Denn Hagebutten, die Früchte von Rosen, gelten immerhin als die Zitronen des Nordens - die von der Hundsrose (Rosa canina) sogar als Vitamin-C-Bomben. Schon 25 Gramm Fruchtfleisch decken den Tagesbedarf.

Ähnlich gute Eigenschaften haben auch die Hagebutten von Wildrosen wie die Schottische Zaunrose (Rosa rubiginosa) oder die Kartoffelrose (Rosa rugosa), die aus Ostasien stammt, aber längst bei uns als heimisch gilt. Sächsische Botaniker züchteten die Pillnitzer Rose, die extrem große, besonders vitaminreiche Hagebutten hat, deren Form an kleine Fläschchen erinnert.

Es gibt natürlich Unmengen von Rezepten für die Herstellung eines Aufgesetzten. Dabei braucht ein Aufgesetzter seine Zeit zum Reifen, die Herstellung selber ist ziemlich einfach. Ich habe mich bei zwei Bauersfrauen, Irmgard und Anne aus meinem kleinen Wendlanddorf, schlaugemacht.

Für Schlehen-Aufgesetzten brauche ich danach etwa 750 Gramm Schlehen, 300 Gramm weißen Kandis oder Zucker, zwei Zimtstangen und eine Flasche Korn. Ich nehme 32-prozentigen, es geht auch mit Doppelkorn, aber der hat, wie der Punkrocker Campino von den Toten Hosen sagen würde, "mehr Umdrehungen". Mir reichen weniger, umso fruchtiger wird der Likör.

Die Schlehen sollte man eigentlich erst nach dem ersten Frost ernten, sonst sind sie zu sauer. Der Frost lässt die Zellen der Frucht platzen, Enzyme werden freigesetzt und bauen die Gerbstoffe ab, wie mir Hans-Jürgen Poppendieck vom Botanischen Garten in Hamburg erklärte. Bei meinem ersten Schlehen-Likör habe ich brav den Frost abgewartet - weil aber bis zur Rückkehr auf meine kleine Wendland-Mühle zwei Wochen vergingen, hatten die Vögel die süßen Beeren längst verfuttert. Meine Bauersfrauen haben sich eins gelacht und mir folgenden Trick verraten: Man erntet Anfang bis Mitte Oktober - wegen der Dornen unbedingt Handschuhe tragen - und legt die Schlehen für zwei bis drei Tage ins Tiefkühlfach. Dann lässt man sie einen Tag auftauen, damit die Enzyme in aller Ruhe die Giftstoffe in den Kernen abbauen können.

Die Schlehen gut abtropfen lassen, auch etwas zerdrücken und mit dem Mörser auch einige Steine zerstoßen, damit die Kerne ihr feines Aroma freigeben. Die zerdrückten Früchte in ein gut verschließbares Gefäß, am besten ein großes Einmachglas, geben und den Korn darüber gießen. Bei Zimmertemperatur sechs Wochen ziehen lassen. Den Aufgesetzten filtern und in Flaschen abfüllen und noch einmal vier bis sechs Wochen dunkel und kühl ziehen lassen. Zum Filtern kann man ein Sieb nehmen oder einen Kaffeefilter. Meine Bauersfrauen nehmen eine Stoffwindel;

Hagebutten-Likör ist aufwendiger. Man muss die Hagebutten aufschneiden und die gefiederten Nüsschen entkernen, die Allergien hervorrufen können. Aus unserer Kindheit wissen wir noch, dass wir die Hagenbutten-Kerne als Juckpulver gerne den Mädchen hinter den Kragen gesteckt haben. Später, in dem Alter etwa als unsere Eltern schwieriger wurden, haben wir sie auch gerne in den Ausschnitt platziert.

Das waren jetzt zwei Rezepte - es gibt Hunderte von Varianten. Manche nehmen auch Rum, Grappa oder Weinbrand als Basis. Man kann den Geschmack mit einem Minzblatt verfeinern, mit Anis oder Nelken. In einem alten Buch " Zur Stütze der Hausfrau" aus dem Jahr 1922 fand ich sogar die Empfehlung, 96-prozentigen Spiritus als Basis zu nehmen, manche verwenden auch Strohrum aus Österreich. Mir sind das zu viele "Umdrehungen".

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth