Ob Aroua aus Tunesien, Daniel aus Honduras oder Shivang aus Indien: Sie alle wollen in ihrer Heimat Sozialprojekte aufbauen.

Wenn man weit genug zurückdenkt, dann ist Pelé an allem schuld. Hätte der brasilianische Fußballgott dem 14-jährigen Jungen aus Leuven in Belgien, der 1979 in den USA an einem Fußballcamp mit ihm teilnehmen durfte, nicht diesen einen Satz eingepflanzt, dieses Mantra über den Traum, dem man immer folgen soll, dann wäre aus Bobby Dekeyser vielleicht ein ganz normaler Hochleistungsfußballspieler geworden, gleichermaßen versessen auf Ballkontakte wie auf Ruhm und Geld.

Aber Pelés Satz rieselte in diesen Jungen hinein wie eine geheimnisvolle Substanz, die die DNA verändert. Bobby Dekeyser schmiss die Schule mit 15, er wurde Profi, er verdiente mit seinem Sport viel Geld. Sein Traum aber ging weiter, viel weiter. Wie ein Zauberball nach einem unfassbaren Abstoß des ehemaligen Bayern-München-Ersatztormanns flog der Traum hoch über die Stadionmauern seiner ziemlich kurzen und wegen einer schweren Verletzung jäh beendeten Fußballkarriere hinaus in den Himmel, dorthin, wo all die Luftschlösser schweben, von denen vielleicht jedes Hundertmillionste sich materialisiert und dann zur allgemeinen Überraschung auf der Erde landet.

Inzwischen ist Bobby Dekeyser 48 Jahre alt, hat mit Outdoor-Möbeln aus Kunststoff ein Vermögen verdient und träumt immer noch. Selbst die Wirklichkeit, die sich immer wieder bitter und schmerzhaft in seine Träume einmischt, hat ihn nicht hart und kalt werden lassen. Im Gegenteil: Sie intensiviert seinen Traum. Sie stachelt ihn dazu an, diesen Planeten eines Tages als einen besseren Ort zu verlassen. Und mit seinem vielen Geld verhilft er vielen anderen Menschen dazu, ihren Traum von einer besseren Welt zu leben.

Deshalb handelt diese Geschichte hier auch nur am Rande von ihm. Sie erzählt hauptsächlich von Menschen, die diesen Bobby Dekeyser vielleicht erst einmal gesehen haben oder noch nie und die sich womöglich weder besonders für Fußball interessieren noch für Gartenmöbel. Sie erzählt vor allem von ein paar werdenden Weltverbesserern zwischen 21 und 27 Jahren aus Afrika, Australien, Asien, Amerika und Europa.

Am 20. September, einem sonnigen, warmen Spätsommertag, waren sie alle in Hamburg eingetroffen, manche hatten noch nie zuvor ein Flugzeug benutzt, um hier in 71 Tagen zu lernen, wie sie zu Hause das ins Leben bringen könnten, was sie sich Gutes für die Welt erträumen. Ihre Visionen sind unterschiedlich, allen gemeinsam ist, dass sie mit Musik zu tun haben. Nächste Woche werden sie die Stadt wieder verlassen. Manche werden diese Zeit später als entscheidende Wende in ihrem Lebensweg begreifen. Allen dürfte sie in Erinnerung bleiben als eine Zeit der Reife. Und auf der inneren Landkarte steht neben "Hamburg" vielleicht so etwas wie "Basislager für Träumer". Und da kommt Pelés Fußballschüler von einst dann doch wieder ins Spiel.

Kaum einer in Hamburg weiß, dass sich Bobby Dekeysers Schaltzentrale für gute Träume hier in unserer Stadt befindet. In einem denkmalgeschützten Speicher in der Shanghaiallee, im ödesten Teil der HafenCity, breitet sie sich über 900 Quadratmeter auf zwei Etagen aus. Darunter liegen die Räume des Automuseums. "D&F Academy" steht klein und unauffällig auf dem Klingelschild des fast abweisend wirkenden Backsteinbaus. Das D ist die Abkürzung für Dekeyser, das F steht für Friends.

Freund mit Bobby Dekeyser kann man genauso gut am Strand von Spanien werden wie auf einer Müllhalde der Insel Cebu auf den Philippinen. Florian Hoffmann lernte ihn beim Baden in Spanien kennen. Der junge Mann aus Tübingen hat dort Familie, in Oxford studiert und schon für Geld Politiker beraten. Die beiden Männer kamen miteinander ins Gespräch und stellten Übereinstimmung auf Übereinstimmung fest. Lernen im 21. Jahrhundert, fanden sie, müsse anders funktionieren als bisher. Offener. Global vernetzt, nachhaltig, inspirierend. "Junge Menschen auf der ganzen Welt träumen davon, Lösungen für die Herausforderungen der Welt wie Hunger, Gewalt, Klimawandel und technologische Revolution zu finden und ihre Gesellschaft positiv zu verändern." So werden sie es später formulieren. "Doch den meisten fehlt der Zugang zu einer Bildung, die ihnen die dafür notwendigen Fähigkeiten vermittelt." Noch bis spät in die Nacht saßen sie zusammen. Aus zwei ähnlich Denkenden wurden in ein paar Stunden zwei Verbündete. Kurz darauf fand sich Hoffmann mit seinen 26 Jahren als Co-Gründer und Geschäftsführer von Dekeysers Stiftung wieder. Ihr Ziel: gleichgesinnte junge Leute aus aller Welt zusammenbringen, die alle einen Traum haben, ihren Traum von einem besseren, lebenswerteren Leben. Und sie gemeinsam auch in praktischer Arbeit lernen lassen von erfahrenen Menschen, die darauf brennen, ihr Wissen weiterzugeben.

An dem gut und gern sechs Meter langen, aus einem einzigen Baumstamm gefertigten hohen Tisch im Empfangsraum der D&F Academy in Hamburg sitzt Florian Hoffmann, inzwischen 31 Jahre alt, die Haare asymmetrisch blond über dem jungenhaften Gesicht, auf einem der weißen Barhocker und erzählt. Wie nach der Kreativnacht in Spanien alles in Genf begann, wo die D&F-Stiftung ihre Bildungsplattform zuerst ansiedelte. Vom rasanten Steilflug der Ideen und der unwahrscheinlichen Resonanz, auf die ihr Angebot von Anfang an stieß. 3500 Bewerbungen kamen schon auf die Ausschreibung zum allerersten Pilotprojekt. Die Aufgabe: ein altes Bauernhaus mit traditionellen Handwerksmitteln wieder aufbauen. Großformatige Fotos von der vollbrachten Tat in den Räumen der Akademie zeigen glückliche Gesichter im Alpenland, ein kleines Team aus Afrikanern, Europäern um den Initiator, den früheren Skirennfahrer und Dekeyser-Sportsfreund Markus Wasmeier, der in seinem Heimatdorf ein Bauernhof- und Wintersportmuseum aufbaut. "Für uns sind Motivation und Talent der Bewerber entscheidend, nicht der Ausbildungsweg oder Abschlüsse", sagt Hoffmann, selbst Absolvent einer Highend-Uni. Er erzählt, wie nach thematisch völlig unterschiedlichen Workshops in Schliersee, in der Türkei, auf den Philippinen und letztes Jahr mit dem Küchen-Bullen Tim Mälzer in Hamburg ein Lernmodell Gestalt annahm, das zukunftsfähig ist und unabhängig vom Standort funktioniert.

Und weshalb haben sie Hamburg zum Zentrum auf Zeit für Traumtänzer aus aller Herren Länder erkoren? Die erste Antwort klingt selbst für Hanseaten ein paar Grad zu kühl. "Es gibt hier einen Flughafen und gute internationale Strukturen", sagt Hoffmann. Das hört sich geschäftsmäßiger an, als er es meint. Die Stadt lockte wegen ihrer Weltoffenheit und weil hier viele sozial engagierte Freizeitangebote mit Jugendlichen laufen, auf die die Fellows genannten Stipendiaten im Rahmen ihrer "Challenge", einer zentralen Teilaufgabe des ganzen Projekts, stoßen sollen. Auch dass Bobby Dekeyser bis vor Kurzem in Hamburg ein schönes Haus besaß (seine Möbelfirma Dedon residiert in Lüneburg), wird eine Rolle gespielt haben. Aber eine große Hafenstadt kann Leuten mit Ideen eben vieles bieten, zum Beispiel ihren Träumen einen Anker in der Wirklichkeit. Sie kann eine Werft der Wandlung sein, auf der Luftschlösser zu seetüchtigen Booten umgebaut oder Gedankenschiffe aller Art überholt und fit gemacht werden für ihre große Fahrt ins Leben am anderen Ende der Erde.

Am langen Tisch, an dem in der Mittagspause die Fellows mit ihren Ohrstöpseln hocken, auf die Monitore ihrer Notebooks schauen und Facebook-Kontakte pflegen, sagt Florian Hoffmann Sachen wie "Empowerment ist mindestens so wichtig wie Wissenstransfer" oder "globaler Austausch von Wissen führt zu lokalen Antworten", lauter durchdachte Sätze über ein neues Lernen abseits herkömmlicher universitärer Strukturen. Ein Stockwerk drüber im großen Unterrichtsraum probieren die 16 Fellows derweil mit zwei erfahrenen Chorleitern und Stimmbildnern aus Berlin Gruppenbildung der unkonventionellen Art: eine Kollektiv-Improvisation aus Zischen, Summen, Pfeifen, Singen und allerlei frei erfundenen Vokalgeräuschen. Denn beim Herbstprogramm der Academy, das nach gut drei Monaten an diesem Sonntag mit einer öffentlichen Präsentation zu Ende geht (So, 25.11., 15.00 Uhr, Shanghaiallee 9, Restkarten zu 8,- per E-Mail über rsvp@dfacademy.org), stand Musik als Instrument zur sozialen Veränderung im Zentrum. Im Frühjahr hatte die Akademie Fellows zum Thema "Global Issues" versammelt, im Sommer tauschten Sportler Träume aus, wie man die Bewegungsleidenschaft zur Verbesserung gesellschaftlicher Verhältnisse einsetzen kann. Jedes Mal steht eine im jeweiligen Themenbereich erfahrene Persönlichkeit, im Academy-Jargon Friend genannt, mit ihrem Namen für die Wirkungsmacht neuer Ideen ein. Als eine Art Super-Coach, als Galionsfigur. Im Frühjahr, als es um Biodiversität ging, war die Schimpansenforscherin Jane Goodall dabei, bei den Sportlern der frühere Nationaltorhüter Jens Lehmann.

Und jetzt, beim Musikprojekt, hält Christoph Poppen die Fäden in der Hand. Der Geiger und Dirigent sah Bobby Dekeyser erstmals vor drei Jahren, zwischen lauter Abfällen, auf einer Müllhalde auf Cebu, einer der vielen Tausend Inseln der Philippinen. Poppen, 56, war in seinen jungen Jahren als Erster Geiger mit dem Cherubini Quartett auf Konzerttourneen mehrfach durch Südostasien gereist und engagiert sich schon seit einem Vierteljahrhundert in einer von ihm gegründeten Stiftung für Kinder auf den Philippinen. Und Dekeyser lässt die aus einer patentierten Kunstfaser geflochtenen Gartenmöbel seiner Firma Dedon auf Cebu herstellen, denn dort leben Menschen, die vom Flechten mindestens so viel verstehen wie manche Belgier von Fußballspielen. Seine Kunsthandwerker brachten ihn mit den Ärmsten der Armen auf Cebu in Kontakt, die dort auf der Müllhalde hausten. Inzwischen hat der Unternehmer ihnen mithilfe junger Leute in einem Projekt der D&F Academy ein ganzes Dorf aufgebaut, in dem sie menschenwürdig leben können. Manche nennen Dekeyser wegen solcher Taten einen Kuschelkapitalisten.

Zwischen Christoph Poppen und ihm muss es ähnlich spontan gefunkt haben wie damals zwischen Florian Hoffmann und Dekeyser, diesem vom Glück verwöhnten und vom Schicksal geprüften Mann. Obgleich ihm vor zwei Jahren ohne jede Vorwarnung die Ehefrau und Mutter seiner drei Kinder starb, mit der er 25 Jahre lang glücklich war, schaut Bobby Dekeyser manchmal noch immer so strahlend in die Welt wie ein Surferboy, der gerade die perfekte Welle erwischt hat.

"Ich habe erst gezögert, als Bobby mich fragte, ob ich als 'Friend' ein Musikprojekt in seiner Academy leiten würde", sagt Poppen. Als Dirigent ist er Fachmann für Sinfonien, Opern und zeitgenössische Werke, die von professionellen Orchestermusikern gespielt werden. Nichts davon war im dritten Durchgang der D&F Academy in Hamburg zu erwarten. Denn hier bewerben sich erfahrungsgemäß auch viele junge Leute aus Ländern, in denen man Mozart und Beethoven allenfalls vom Hörensagen kennt.

Christoph Poppen hat dann doch zugesagt. Denn Musik einbeziehen in Sozialprojekte, das stößt bei ihm auf offene Ohren. Außerdem lernt er selber gern. "Ich sehe mich eher als Paten", sagt er. "Ich kann dabei helfen, die guten Energien in den fantastischen Biografien der Leute hier zu bündeln." Tatsächlich ist der Dirigent, der wie alle Friends seine Erfahrung ohne einen Cent Honorar in den Dienst der guten Sache stellt, insgesamt nur viermal zwei Tage bei den Fellows in Hamburg. Wer wollte, konnte ihm auf seinem Instrument vorspielen. Da wurde die Academy kurz mal zum Meisterkursus. Anfang November hat Poppen veranlasst, dass alle mit der Bahn nach Stuttgart reisen, wo er gerade Glucks "Iphigenie in Aulis" dirigiert. Fünf der Fellows sahen dabei zum ersten Mal ein Opernhaus von innen. "Für uns ist Christoph eher der Inspirator", beschreibt es Lee Crockford, 27, Fellow aus Australien. "Er erinnert uns immer wieder daran, weshalb Musik so wichtig ist. Denn manchmal sehen wir hier den Wald vor lauter Bäumen nicht."

Die Bäume, von denen der Mann aus Brisbane spricht, das ist ihr Alltag in diesen zweieinhalb Monaten Hamburg, das ist die Sechstagewoche voller Musik-Workshops, Unterweisungen in Medienkompetenz, Feedback-Runden, Coachings, Stunden in Finanz- und Budgetplanung und Unternehmertum. 71 Tage verbringen die acht Männer und acht Frauen, die aus allen fünf Kontinenten stammen, hier miteinander auf engem Raum. Sie lernen nicht nur gemeinsam, sie wohnen auch zusammen in einer spartanisch eingerichteten WG mit sechs Mehrbettzimmern auf der Schanze.

Unvermeidlich und gewollt, dass sie da auch voneinander lernen - sozialen Umgang und was jeder so träumt im Leben. "Wir gehen uns immer noch nicht auf den Wecker, obwohl es laut ist und manchmal schwierig, eine Minute für sich zum Üben zu finden", sagt Lucy Caplan, 22, aus Boston, Violaspielerin und Harvard-Absolventin in Geschichte und Literatur. "Wir haben voneinander Lieder in 13 verschiedenen Sprachen gelernt", schwärmt die Schottin Emily Scott, 23, die mit ihrer Stimme jeden Chor zum Glänzen bringt. Wie in mancher Groß-WG hängt auch bei den Fellows ein Abwaschplan in der Küche. Über dem gemeinsamen Essplatz im Wohnflur zeigen drei Wanduhren drei verschiedene Tageszeiten an, stellvertretend für all die Zeitzonen der Länder, aus denen die Bewohner kommen. Ob das hilft bei Heimweh?

Englisch ist die Verkehrssprache. Manche sind darin nicht so firm. "Als ich hier ankam, hatte ich ganz schön Angst", erzählt Daniel Guevara, 27, aus Honduras. "Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, und wie. Aber nach einer Woche war das vorbei." Der Anwalt und Gitarrist möchte in seiner Heimat, in der die Musik wie Kultur überhaupt nach seiner Beschreibung nahezu vom Aussterben bedroht ist, eine Website aufbauen, die musikalisch begabte Landsleute auf Stipendien im Ausland hinweist. Das war der "DreamPlan", mit dem er sich bewarb. "Ich möchte mein Land zu einem sichereren Ort machen und meiner Gesellschaft dienen", sagt Daniel. "Die Regierung verwendet unsere Steuern hauptsächlich für Sicherheit, Tourismus und um Schulden zu tilgen. Bildung steht ganz unten." Gleich zwei Großstädte in Honduras, San Pedro Sula und Tegucigalpa, finden sich in der Top-Ten-Liste der am stärksten von Gewalt und Kriminalität heimgesuchten Städte der Welt.

Daniel Guevara überlegt ernsthaft, nach der Rückkehr seinen Beruf aufzugeben. Als er Mandanten in einer Umweltsache verteidigte, sei er mehrfach körperlich bedroht worden, erzählt er. Seinen musikalischen Traum begreift er jetzt fast als Mission. "Das hier ist für mich wie eine Katharsis. Ich lerne hier, dass sich Chancen und Möglichkeiten auftun, wenn man seine Zeit voll und ganz dem widmet, was man am allerliebsten tun möchte."

Das Lebenstrainingsmodell der D&F Academy besteht aus der ganz unfußballerischen Viererkette "Dream - Focus - Plan - Act". Wie Daniel Guevara musste jeder Bewerber erst mal einen Traum haben. In den drei Monaten in Hamburg wurde dieser Traum geschärft, verfeinert, konkretisiert - und änderte sich bei manchen Stipendiaten völlig. Der Australier Lee etwa träumte ursprünglich von einem Projekt mit Jugendlichen und australischen Ureinwohnern. Er hat in Brisbane eine Kampagne ins Leben gerufen, die er "Soften The F Up" nennt. Sie will jungen männlichen Australiern Mut machen, das extrem rigide Männerbild der Gesellschaft aufzuweichen. Lee macht den australischen Machismo mit dafür verantwortlich, dass die häufigste Todesursache bei Männern zwischen 14 und 44 Jahren auf seinem Kontinent Selbstmord ist. Erst jetzt in Hamburg ist ihm klar geworden, was er eigentlich will: mit 24 Jugendlichen Instrumente aus Holz bauen und darauf mit ihnen eine neue Musik entwickeln.

Die Tunesierin Aroua Gharbi, 24, möchte in Tunis ein Langzeitprojekt mit Kindern realisieren, bei dem Musik, Literatur und Theater ineinanderspielen. Shivang Raina, 23, hat klassischen indischen Gesang studiert, gerade seinen Abschluss in Konfliktanalyse und Friedensbildung gemacht und will ein neues, kostenloses Musikunterrichtsmodell für sozial benachteiligte Kinder in Delhi ins Leben rufen. Sie alle sind Idealisten. Sie halten die Verhältnisse im Land ihrer Herkunft für verbesserungswürdig und wollen etwas dafür tun, dass das auch geschieht. Der Traum, das ist ihr Rohöl. In zehn Wochen in Hamburg wurde er zu Treibstoff raffiniert.

Das letzte Glied in der Viererkette ist das schwierigste, wichtigste, entscheidende: "Act". Wenn die Fellows am Mittwoch ihre Siebensachen packen und in ihre Heimatländer zurückreisen, beginnt die "Implementierungsphase" ihrer Träume. Die Blase der gemeinsamen Zeit in Hamburg platzt, jeder ist wieder auf sich allein gestellt und kehrt in die alten Verhältnisse zurück. Über zehn Monate werden sie dann in verabredeten Zeiträumen das freundliche Gesicht von Romy Krämer, der Programmdirektorin des DreamLab der Academy, auf dem Bildschirm ihrer Notebooks sehen. Sie hält ihnen via Skype über Tausende Kilometer Distanz die Stange, erkundigt sich über den Fortgang der Projekte, gibt Rat und sorgt, so gut es geht, für die Nachhaltigkeit der Träume in der Ferne. Und natürlich versprechen sich alle, auch untereinander Kontakt zu behalten.

Aber jetzt am Sonntag ist erst noch Challenge Day. Alle 16 Fellows führen etwas Eigenes auf. Vor allem aber zeigen sie, was sie in wenigen Wochen mit 40 Jugendlichen aus drei Hamburger Sozialprojekten erarbeitet haben: Lieder, manche mit neuem, vielsprachigen Text, Folksongs, Raps, einen Männertanz. Wer die Fellows mit den in Hamburg lebenden Flüchtlingskindern von Children For Tomorrow sieht, mit den jungen Sängern von Lukulule aus Eimsbüttel oder dem Bahrenfelder Jugendprojekt Juno, der sieht den Wald, und er sieht die Bäume. Er erlebt zugleich das Einzelne und das Ganze, das mehr ist als die Summe seiner Teile. Da erscheint für ein paar Stunden der große Traum des türkischen Dichters Nazim Hikmet verwirklicht, der nur vier knappe Zeilen brauchte, um ihn festzuhalten für alle Zeiten: "Leben wie ein Baum / einzeln und frei / und brüderlich wie ein Wald / Das ist unsere Sehnsucht."