Jörg Paura rettet am liebsten angeschlagene Firmen. Seine Leidenschaft gilt den Gesetzen und einer verständlichen Sprache.

Wenn gute Mathematiker ein hochkomplexes Problem knacken, suchen sie nicht irgendeine Lösung. Eine möglichst einfache, eine elegante Lösung muss es sein. Das ist bei Juristen nicht anders: "Ich mag es sehr, wenn Menschen und Dinge elegant sind. Einen Vertrag möglichst kurz zu halten, in prägnanter und leicht verständlicher Sprache - das ist die Eleganz, die wir zu leisten in der Lage sind", sagt Jörg Paura, Rechtsanwalt und Partner im Hamburger Büro von Hogan Lovells International, einer großen Wirtschaftskanzlei.

Der Wirtschaftsanwalt, Experte für Firmenkäufe und Restrukturierung, sitzt in seinem Büro am Ballindamm. Schaut er nach rechts aus dem Fenster, blickt er auf die Alsterarkaden und den Jungfernstieg. Schräg gegenüber vom Schreibtisch hängt ein großformatiges Foto. Es zeigt das verrostete Wrack des 1975 havarierten Binnenschiffs "Uwe" vor dem Falkensteiner Ufer, den Bug tief im Schlick. Dahinter zieht, dynamisch verwischt, ein voll bepacktes modernes Containerschiff vorbei Richtung Nordsee. Symbolträchtig: So dicht beieinander liegen in der Wirtschaft Scheitern und Erfolg. Im Anwaltsberuf auch: "Entweder es geht richtig gut, oder es geht richtig schief."

Jörg Paura verdient sein Geld damit, dafür zu sorgen, dass es richtig gut geht. 150 Firmenkäufe hat er in seiner Anwaltskarriere begleitet, viele davon für die Georgsmarienhütte-Gruppe, in deren Aufsichtsrat er auch sitzt. Und eine Menge Restrukturierungen - was heißt: ein Unternehmen, das die Sandbänke des Scheiterns touchiert hat, wieder ins Fahrwasser des Erfolgs zu bringen. Komplexe Herausforderungen: herauszufinden, wie es um ein Unternehmen steht, welche vertraglichen Bindungen es gibt, wo welche Fußangeln lauern und was man ändern müsste, damit ein Unternehmen wieder flott wird. Die Wahrheit liegt verborgen in vielschichtigen juristischen Konstruktionen und in komplizierten Zahlenwerken - sie herauszupräparieren ist Knochenarbeit, das muss man mögen.

Paura holt etwas aus, um zu erzählen, wie er da hineingewachsen ist. Denn familiär mit Jura vorbelastet war er nicht. Sein Vater war Bahnbeamter. Geboren wurde der Sohn 1961 in Wedel, aber schon bald zogen die Eltern Richtung Blankenese zur Urgroßmutter, nach Dockenhuden. "Das Falkensteiner Ufer und das Wrack auf dem Foto waren für uns Spielplatz, wir sind da sogar drauf herumgeklettert."

Aufs Gymnasium Bahrenfeld durfte er nach sanftem Druck der Lehrer, nach dem Abitur kam der Zivildienst. Altenpflege. Und dann das Jurastudium in Hamburg, ab 1982. "Nicht um Jurist zu werden, ich wollte in den Journalismus. Ich teile mich gern mit, über Dinge, wie ich sie sehe und wie ich meine, dass sie richtig sind. Auch über das Fachliche hinaus." Ein überraschendes Geständnis, und er legt nach: Ihn ärgert oft eine gewisse Oberflächlichkeit im Journalismus, fehlendes Verständnis fürs Komplexe in der Gesellschaft.

Das Jura-Studium sollte ihm nur eine ordentliche Grundlage fürs Schreiben schaffen, aber er fing Feuer für den Umgang mit den komplizierten Regelwerken der Gesetze. Herausragende Hochschullehrer haben seine Leidenschaft entfacht. Karsten Schmidt war einer von ihnen, Hein Kötz, Gründungspräsident der Bucerius Law School, ein anderer. Paura stellte schnell fest, dass die Juristerei ein Handwerk ist, in dem er sich gut bewegen kann. "Und wenn man das einmal ordentlich beherrscht, dieses logische Regelwerk, dann lässt es ja durchaus auch Raum für Kreativität und Gestaltung. Sie müssen halt die Materie tief durchdrungen haben, um sie gestalten zu können." Und man braucht, sagt er, ein gutes Gefühl für Sprache, denn die sprachlichen Differenzierungen der Gesetze sind ja oft sehr feinsinnig bis haarspalterisch und auslegbar bis breit auslegbar."

Er arbeitete kurz in einer Kanzlei und dann vier Jahre am Lehrstuhl für Gesellschaftsrecht, hier in Hamburg, bei Lehrstuhlinhaber Karsten Schmidt. Bis er 1991 wieder Anwalt für Wirtschaftsrecht wurde. Während des Studiums hatte er auch Volkswirtschaft gehört. "Daher rührt mein Grundverständnis für Wirtschaftsdinge. Das hilft, wenn es um Unternehmenskäufe geht. Da wird man sofort mit Bilanzen und Jahresabschlüssen konfrontiert. Auch als Jurist, der ja immer Verstärkung von Wirtschaftsprüfern hat, sollte man sich so weit damit auskennen, dass man in diesen Kategorien denken kann."

Die Kanzlei, in der er arbeitet, wurde durch etliche Fusionen Teil immer größerer Einheiten, heute gehört er zu Hogan Lovells International, einer europäisch-amerikanischen Großkanzlei mit 4500 Anwälten. Sein diplomatischer Kommentar: "Das ist manchmal schwierig, es hat aber auch Vorteile."

Unternehmenskäufe, seine Spezialität, sind so etwas wie Operationen am offenen Herzen. Man sieht die Folgen der Fehlentscheidungen aus vielen Jahren, hat mit Notfällen zu tun, fragt sich, was schlimmstenfalls passieren könnte und was noch retten ist. Pauras Aufgabe: vorhersehen, was schiefgehen könnte, und verhindern, dass es schiefgeht. Er hat eine ausgeprägte Worst-Case-Fantasie entwickelt. "Manchmal sage ich meinen Auftraggebern: 'Sie bezahlen mich für meine Paranoia.'"

Wenn er mit anderen Beratern ein Unternehmen unter die Lupe nimmt, geht es nicht nur um eine freundlichere Bilanz, sondern ums Eingemachte: Was stimmt nicht an den betrieblichen Abläufen, am Ein- und Verkauf, wo sind die Kalkulationen falsch? Und dann geht es um Menschen, manchmal um viele. "Das kann Einzelne den Job kosten. Da hat man sehr gedankenvolle Nächte, das fällt nicht leicht. Man muss sich letztlich damit trösten, dass man denen, die bleiben können, das berufliche Umfeld rettet, während es für andere Arbeitslosigkeit oder Umzug bedeutet." Wenn er davon spricht, wirkt Paura wie ein routinierter Arzt, der am Operationstisch um Gesundung kämpft, die Risiken wohl kennend.

Wie hält man bei solchen Operationen die Balance zwischen dem Gesetz und den Interessen der Mandanten? "Ich arbeite für den Mandanten und bin dabei ganz klar an Recht und Gesetz gebunden. Aber was Recht und Gesetz hergeben, werde ich für meinen Mandanten tun." Wenn es um viel Geld geht, gibt es da nicht das Ansinnen, das Gesetz auch mal etwas weiter auszulegen? "Es gibt Unternehmer, die glauben, wenn sie einen teuren Rechtsanwalt bezahlen, brauchen sie sich nicht an die Gesetze zu halten - eine verquere Wahrnehmung. Die Gesetze gelten. Punkt. Für alle. Punkt. Innerhalb dessen, was man legal gestalten kann, stehe ich zur Verfügung. Wenn es um Illegalitäten geht, nicht."

Es sei ihm noch immer gelungen, die Leute zu überzeugen, davon Abstand zu nehmen. "Die meisten gehen ja nicht mit großer krimineller Energie an solche Fragestellungen, sondern einfach mit Naivität." Die gehört offenbar zum Unternehmer, so wie Chuzpe und Glück. Da wird der erfahrene Anwalt philosophisch: "Glück hilft immer. Aber man muss immer einen Weg gehen, damit das Glück helfen kann. Wenn ich zu Hause bleibe, werde ich kaum je dem Glück die Chance geben, mir zu helfen bei meiner Lebensgestaltung."

Und das eigene Glück? Die Familie, seine Frau Manuela und zwei Töchter, 14 und 16 Jahre alt. "Die haben eine klare Dreiviertelmehrheit", sagt er schmunzelnd. Wohnsitz ist Rissen, ein Dorf in der Stadt. Und ein Ort der Entspannung. "Meist Lesen und Musik hören." Von Mozart bis zur Moderne, und wenn er seine Lieblingsband The Prodigy auflegt, wird es zwischen Elektrorock und -punk schon mal lauter. Das hilft gegen den Jobstress. Wer sich so lange in komplexen Regelwerken bewegt, braucht den kleinen Ausbruch. Das kann auch der Spaß im Kunstverein und dessen Förderverein sein. Oder ein gutes Essen, das Paura am Wochenende für seine Familie oder Freunde kocht. "Auch da muss man einen Plan machen, hat zwischendrin aber immer wieder mechanische Arbeiten, bei denen der Geist meditativ fliegen kann."

Kontrapunkte. So wie sein Faible für mittelständische Unternehmen, zum Beispiel einen fleischverarbeitenden Betrieb, den er berät. "Ich habe es sehr gern. Das Modell des Inhabers, der mit eigenem Risiko verantwortliche Entscheidungen trifft und sie durchsetzt, bevorzuge ich gegenüber Großkapitalgesellschaften, wo Entscheidungen häufig als Gremienentscheidungen und damit als Kompromiss kommen und wo man bestenfalls moralische Verantwortung für Fehlentscheidungen trägt."