Sozialdemokraten um Bürgermeister Olaf Scholz eindeutiger Verlierer bei Bezirkswahlen. Wahlbeteiligung sinkt dramatisch

Nie waren die Bezirkswahlen optisch so präsent wie diesmal: Hunderte, ja Tausende Plakate mit den Gesichtern zumeist recht unbekannter Kandidaten zierten wochenlang Straßenränder und Bäume. Nie investierten die Parteien mehr in die Kommunalwahlen, die bislang stets parallel zu den Bürgerschaftswahlen stattfanden und in deren Windschatten segelten.

Und nun das: Die Zusammenlegung mit der Europawahl hat dazu geführt, dass die Wahlbeteiligung steil abgestürzt ist: von 54 Prozent 2011 auf jetzt nur 41 Prozent. Statt der erhofften Stärkung der Bezirke durch die Betonung ihrer Eigenständigkeit gegenüber der Rathauswahl ist das Gegenteil eingetreten. Die Hamburger lassen sich das Interesse an den ziemlich machtlosen Bezirksversammlungen nicht verordnen. Das ist die erste Konsequenz aus den Wahlen zu den Bezirksversammlungen.

Besonders bitter für die engagierten Bezirkspolitiker ist, dass die Wahlbeteiligung sogar noch hinter die Quote der Europawahl mit 43,4 Prozent zurückfiel, traditionell das Schlusslicht beim Wählerinteresse. Eine Ursache liegt auf der Hand: Den einen oder anderen, der den Weg in die Wahlkabine schon gefunden hatte, wird das anspruchsvolle Wahlrecht abgeschreckt haben: Zwei dicke Hefte mit einer Vielzahl von Kandidaten, deren Namen den meisten Wählern kaum etwas gesagt haben dürften, und insgesamt zehn Stimmen, die jeder Wähler vergeben konnte.

Besorgnis erregend ist auch die Tatsache, dass die Wahlbeteiligung von Bezirk zu Bezirk ausgesprochen unterschiedlich ausfällt: Mitte ist mit nur 31Prozent weit abgeschlagen das Schlusslicht. In Altona und Eimsbüttel lag die Beteiligung um 16 Prozentpunkte höher – bei 47 Prozent. Schon 2011 war die Spanne zwischen dem Bezirk Mitte und den anderen so groß. Möglicherweise manifestiert sich hier auch eine soziale Schere, was die Bereitschaft zur Teilnahme an Wahlen angeht.

Den Bezirkswahlen fehlte die Personalisierung etwa durch landesweite Spitzenkandidaten, die in der Regel zur Mobilisierung bei Wahlen beitragen. Auch das hat auf die Wahlbeteiligung gedrückt.

Die Personalisierung von Wahlkämpfen stärkt in der Regel die beiden großen Parteien. Auch bei der Bürgerschaftswahl gewinnt das Duell zwischen dem Bürgermeister und seinem Herausforderer von Mal zu Mal mehr an Bedeutung. Umgekehrt ist das Fehlen von Köpfen an der Spitze die Chance der kleinen Parteien, und das zeigt das Ergebnis der Bezirkswahl: Die Grünen sind ebenso wie die Linken die Gewinner.

Die Grünen können in vier von sieben Bezirken zur CDU aufschließen. Gerade bei den Grünen-Wählern dürfte die „eigene Befindlichkeit“ vor Ort gegenüber der Abwägung gesamtstädtischer Rationalität überwogen haben: die Kritik am Flächenfraß des ehrgeizigen Wohnungsbauprogramms wie am Busbeschleunigungsprogramm und der aus grüner Sicht verfehlten SPD-Verkehrspolitik.

Die Linke kann ihren Anteil ebenfalls kräftig steigern und etabliert sich angesichts der anhaltenden Schwäche der FDP klar als viertstärkste Kraft. Die Linke könnte von der starren Haltung von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gegenüber den Lampedusa-Flüchtlingen und der Kritik an den kurzzeitig eingeführten Gefahrengebieten profitieren. Die Alternative für Deutschland (AfD) kann ihr Europawahl-Ergebnis (6,0 Prozent) nur im Bezirk Harburg erreichen.

Wahlverlierer ist eindeutig die SPD, die zwischen acht und gut zehn Prozentpunkte gegenüber der von Olaf Scholz geprägten Bezirkswahl 2011 einbüßt. Trotz des großen finanziellen Aufwands hat die SPD nicht die Scholz-Wähler von 2011 mobilisieren können. Rechnerisch sind nun Koalitionen gegen die SPD zwar in allen Bezirken möglich, allerdings nicht immer gleichermaßen realistisch. Auf den ersten Blick ist verblüffend, dass die CDU kaum von der Schwäche der SPD profitieren konnte und nur leicht hinzugewann.

Dass der Automatismus – SPD schwach, CDU stark und umgekehrt – diesmal nicht zog, zeigt auch, dass sich die Union noch lange nicht vom Wahldesaster 2011 erholt hat. Der Abstand zur SPD ist zwar geringer geworden, aber immer noch deutlich.

Es wird sehr schwer für den CDU-Bürgermeisterkandidaten Dietrich Wersich werden, bei der Wahl im Februar 2015 gegen Amtsinhaber Olaf Scholz zu bestehen. Dessen Ansehen in der Bevölkerung wird die SPD in die Waagschale werfen.