Sechster Teil der Gesundheitsserie.: Licht, Aromen & Klänge. Wer seine Sinne regelmäßig streichelt, wird nicht so häufig krank.

Eigentlich handelt es sich ja bloß um einen lockeren Spruch, weil jemandem - aus welchem Grund auch immer - irgendwann "ein Licht aufgeht". Die Wissenschaft dagegen lächelt schon seit Längerem nicht mehr darüber. Denn diese Redewendung hat einen sehr realen Hintergrund, und das ist inzwischen sogar beweisbar. Danach spielt das Licht eine bedeutende Rolle für die Aufnahmefähigkeit beim Lernen sowie für unsere seelische Befindlichkeit.

"Die Erkenntnisse, die wir bisher bei unseren Versuchsreihen gewinnen konnten, waren so klar, dass mittlerweile eine ganze Reihe von Schulen die Beleuchtung in den Klassenräumen auf die gewünschten Erfordernisse hin umgerüstet hat", sagt Professor Michael Schulte-Markwort, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik am Universitätsklinikum Eppendorf und am Altonaer Kinderkrankenhaus. Zu Beginn der Studie, die das Forscherteam in Zusammenarbeit mit Philips Lightning realisierte, sei er skeptisch gewesen. "Aber dann ergab es sich eindeutig, dass helles (blautoniges) Licht die Konzentrationsfähigkeit steigert, während gedämpftes (rottoniges) Licht beruhigend wirkt. Realisiert wurden die Versuche mit einem speziell entwickelten dynamischen Lichtkonzept mit sieben Lichtprogrammen unterschiedlicher Stärke und Farbtemperatur, das je nach Situation die optimalen Beleuchtungsbedingungen schafft.

Die Effekte ließen sich sogar quantifizieren. Im Test mit 116 Schülern nahm bei hellem Licht die Fehlerhäufigkeit in einem Konzentrationstest um 45 Prozent ab, die Lesegeschwindigkeit stieg um 35 Prozent, bei gedämpftem Licht ging Bewegungsunruhe um 76 Prozent zurück. Das Ergebnis war so überzeugend, dass inzwischen ähnliche Versuche mit vergleichbaren Ergebnissen auch in Österreich, den Niederlanden und in Singapur stattgefunden haben. Hamburger Lehrer bestätigen die hellsichtigen Erfolge bei den Schülern. Eine Klassenlehrerin des Carl-von-Ossietzky-Gymnasiums sagt: "Ich bin abends nach Unterrichtsschluss deutlich weniger erschöpft." Darüber hinaus sei es in ihren Klassen leiser, die Kinder auch konzentrierter.

Die Wirkungsweise des Lichts lässt sich durch die Entdeckung eines "Melanopsin-Rezeptors" im Auge erklären, der bei hellem Licht die Ausschüttung des beruhigenden Melatonins unterdrückt. "So könnte man auf viele Tassen Kaffee verzichten", sagt Schulte-Markwort - aber die Ergebnisse der UKE-Studie (die übrigens noch im Gange ist), könnte über kurz oder lang auch dazu führen, dass zukünftig auch kräftig an Medikamenten gespart werden könnte, genauer an Psychopharmaka. "Aktuell untersuchen wir die Therapie-begleitende Wirkung von dynamischem Licht bei Aufmerksamkeitsstörungen und depressiven Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen", sagt Schulte-Markwort. So wird im Altonaer Kinderkrankenhaus bei jungen Patienten mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) das dynamische Licht eingesetzt: Bei gedämpfter Beleuchtung kommen die Kinder schneller zur Ruhe.

Jugendlichen, die unter Depressionen leiden, könnte wiederum das Energie-Licht helfen: Die Patienten werden dabei über mehrere Wochen einer 30-minütigen Dosis Licht von 10 000 Lux ausgesetzt. Schulte-Markwort ist mittlerweile davon überzeugt, dass sich mit der Lichttherapie die Dosierung der Medikamente senken ließe. "Generell werden die Dimensionen der Auswirkungen des Lichts unterschätzt", sagt Schulte-Markwort. Der Arzt hält den Einsatz von modernen Lichtkonzepten in vielen Bereichen des Medizinalltags für sinnvoll und hilfreich: Auf der Neugeborenen-Station und im Schlaflabor, in Intensivabteilungen wie in den diagnostischen Bereichen wie Röntgenabteilungen, wo die Großgeräte den Patienten häufig Angst machen und die Untersuchung in CT-Röhren Beklemmungen verursacht. Das richtige Licht im Verbund mit den richtigen Farben kann diese Ängste vermeiden helfen. Weitere potenzielle Einsatzbereiche des Lichts als Begleittherapie seien neben der Schlaf- und Schmerzmedizin, Hauterkrankungen und neben Kliniken und Schulen vor allem auch Seniorenheime. Schulte-Markwort: "Wir versuchen jetzt herauszufinden, wie weit sich Schmerz- oder Heilungsprozesse beeinflussen lassen - auch wenn es sich um schwere psychotische Erkrankungen handelt."

Die Behandlung des sogenannten Winterblues in der dunklen Jahreszeit mit den extrem hellen Leuchtkörpern ist dagegen beinahe schon (anerkannte) Routine und funktioniert auch Zuhause. Eine solche Lampe kostet im Handel rund 200 Euro. "Am besten 30 Minuten morgens anwenden, "mit mindestens 20 Zentimetern Abstand", sagt Schulte-Markwort. Er warnt vor ausgedehnten abendlichen Lichtduschen: Denn die könnten zu Schlafstörungen führen - auf ganz natürlicheWeise.

Am Montag lesen Sie Folge 7 der Serie: Anthroposophische Medizin Eurythmie, Misteltherapie und Kunsttherapie sollen Heilungsprozesse unterstützen