Zweiter Teil der Gesundheitsserie. Mit zwölf Mineralsalzen begründete Wilhelm Schüßler 1874 eine Therapie zur Regulation von Organfunktionen.

Hamburg. Zwölf Salze sollen alles richten. Bei Augenflimmern Nr. 10. Hörsturz? Nr. 3. Bei Kopfschuppen könnte man es mit Nr. 8 probieren und bei Muskelkrämpfen mit Nr. 2. Die Biochemischen Salze nach Dr. Schüßler sind vor allem in der Selbstmedikation sehr beliebt und erleben seit einigen Jahren einen regelrechten Boom. Kaum jemand, der es nicht bei dem einen oder anderen Alltagszipperlein schon einmal mit den weißen Tabletten mit den Nummern probiert hätte. Doch was steckt eigentlich dahinter? Ist Gesundsein so einfach?

Schüßler-Salz-Anhänger berichten begeistert vom Verschwinden der hässlichen, seit Jahren quälenden Hautpickel nach acht Wochen oder vom Haarausfall, bei dem die Kombination von drei Salzen nach sechs Wochen die Haare wieder sprießen ließ. Doch selbst Heilpraktiker geben zu, dass das Wirkprinzip ungeklärt ist.

Der Begründer der "Biochemie", wie er seine Heilmethode nannte, ist der Arzt Dr. W. H. Schüßler (1821-1898). Er praktizierte die damals moderne Homöopathie und interessierte sich für die Mineralsalze, die er in der Asche Verstorbener analysierte. Dabei fand er einen Zusammenhang zwischen der jeweiligen Todesursache und dem Mangel an bestimmten Mineralien (Salzen). Für besonders wichtig hielt er zwölf Mineralsalze, die er mit Milchzucker in homöopathischer Verdünnung verrieb. Dadurch sollten sie sich energetisch verändern, so die Sichtweise von Anwendern der Salze.

"Schüßler selbst dachte, durch die feine Verreibung könnten die Salze direkt in die Zellen gelangen und dort einen Mangel beheben", sagt Joachim Kudritzki vom Biochemischen Bund Deutschlands. "Dem kann man heute so nicht mehr folgen. Mir ist wohler, die Schüßler-Salze als Funktionsmittel zu bezeichnen, die die Körperfunktionen regulieren", so Kudritzki. Durch die Potenzierung und die dadurch vermutete höhere Energie sollen die Mineralien energetisch bedingte Organfehlfunktionen ausgleichen können. Nur so könne man sich erklären, dass die biochemischen Salze trotz ihrer hohen Verdünnung eine bestimmte Wirkung haben sollen, die die gleichzeitig reichlich vorhandenen Mineralien der Nahrung nicht haben.

Eine kaliumreiche Banane essen und bald darauf Schüßler-Salz Nr. 4, Kalium chloratum - geht das? Oder Mineralwasser trinken? Das geht, weiß Kudritzki. "Die Mineralien in Nahrungsmitteln scheinen sogar durch die Schüßler-Salze besser genutzt zu werden." Ein Heilpraktiker kann deshalb zu einer schulmedizinischen Mineralien-Substitution zusätzlich ein Schüßler-Salz geben, um die Therapie zu unterstützen. "Einen bestehenden Magnesium-Mangel können Sie nicht durch Magnesium phosphoricum D6 beheben, aber ich mache die Erfahrung, dass die vorhandenen Mineralien dann besser verwertet werden. Allerdings," so gibt der Heilpraktiker zu bedenken, "gibt es darüber keine Untersuchungen."

Eine zentrale Rolle bei der Diagnose spielt neben der ausführlichen Fallaufnahme das Gesicht. Der prüfende Blick auf Augenlider, Mundfalten und Hautfarbe seines Gegenübers zeigt dem Heilpraktiker den energetischen Mangel an. Mit dieser "Antlitzdiagnose" können, ähnlich wie bei der Homöopathie, bestimmte Typen erkannt werden. Grobporige Haut im Wangenbereich soll zum Beispiel einen Mangel an Natrium chloratum anzeigen, Salz Nr. 8. Leichtes Erröten über das ganze Gesicht (Verlegenheitsröte) gilt als Zeichen für Salz Nr. 7, Magnesium phosphoricum.

Die Behandlung mit Schüßler-Salzen ist eine milde Stoffwechselregulation, schädliche Wirkungen sind damit normalerweise nicht zu erwarten. Lediglich Menschen mit einer Milchzuckerunverträglichkeit sollten vorsichtig sein, denn die Lactose-Tabletten können zu Verdauungsproblemen führen. Übrigens in hoher Dosierung bei allen: Milchzucker ist ein leichtes, aber wirksames Abführmittel.

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