Sebastian Formella gewinnt seinen dritten Profi-Boxkampf in der CU-Arena und wird von seinen Fans frenetisch gefeiert und angefeuert

Neugraben. Lange bevor der Gong die erste Runde einläutet, toben und brausen schon die Schlachtrufe durch die CU-Arena in Neugraben: „Formella, Formella.“ Die Freunde und Anhänger rechts auf der Tribüne machen den Anfang. „Basti, Basti“, schallt es durch die Arena. Wie ein verzerrtes Echo werden die Rufe von der linken Tribünenseite zurückgeworfen. Dann beginnen sie auch in den Stuhlreihen um den Ring zu klatschen und zu johlen. Erwartungsvoller und ausgelassener ist in der CU-Arena wohl noch kein Kämpfer empfangen worden.

Sebastian Formella, der als kleiner Turner bei der HNT begann, als Amateurboxer für den TV Fischbek über viele Jahre Titel und Ruhm sammelte, der fröhliche Junge aus dem Lupinenacker in Neugraben, ist der neue Lokalmatador im Profigeschäft. Beim Kampfabend, vom Hamburger Boxpromotor Erol Ceylan ausgerichtet, ist Sebastian Formella erst gegen 23 Uhr an der Reihe. Für einen Neuling eigentlich eine undankbare Ansetzung. Die mehr als 2000 Zuschauer haben gerade erst Nuri Seferi, den Hamburger Boxer aus Albanien, als neuen Europameister im Cruisergewicht (etwa 90 Kilo) gefeiert. Der klug und überlegen kämpfende 37-Jährige hatte in einem begeisternden Zwölf-Runden-Kampf Europameister Tamas Lodi aus Ungarn vom Thron gestoßen.

Sebastian Formella hat seine Bekanntheit und Beliebtheit aus dem Amateursport mit in die CU-Arena gebracht. Die ersten beiden Profikämpfe gewann er vorzeitig. Jetzt steht ihm in der blauen Ecke ein junger Bursche aus Budapest gegenüber. Jozsef Kormany kommt vom Kickboxen. Diese Athleten haben mächtig viel Kondition. Das bekommt Sebastian Formella zu spüren. Es ist für den 26-Jährigen der erste Kampf über sechs Runden, der Eintritt in eine viel härtere Herausforderung.

Gong zur ersten Runde: Energisch marschiert der Blonde aus Neugraben nach vorne, zögert nicht, schießt die Rechte vor, die Linke tiefer zum Körper. Der Gegner stürzt sich auf ihn, sucht den Nahkampf. Formella duckt sich weg, feuert eine Serie zurück. Der Junge aus Budapest greift immer wieder an, stolpert, liegt auf den Brettern, springt hoch und stellt sich erneut. Es ist ein wilder Kampf. Auch in der zweiten Runde. Nach mehr als 100 Amateurkämpfen über drei Runden hat Sebastian Formella den Rhythmus noch drin, sofort nach vorne zu marschieren, keine Runde verschlafen. „Lass dir Zeit“, ermahnt Trainer Elias Venites-Förster aus der Ecke. Auf einem Stuhl hinter dem Profitrainer sitzt Mark Haupt mit verschränkten Armen. Er hat als Trainer des TV Fischbek den Neu-Profi geformt. Als Kämpfer im Profizirkus ist er ihm vorausgegangen. Auch Mark Haupt sollte in der CU-Arena kämpfen. „Beim Sparring habe ich mir die rechte Schulter verletzt“, sagte er.

In der dritten Runde liegt der Gegner erneut am Boden, wieder ohne Schlagwirkung. Sebastian Formella zielt mit seiner Rechten immer wieder auf die Leber. Jeder seiner Treffer wird auf den Rängen gefeiert. Der Gegner schwankt und torkelt, greift immer wieder an. In der vierten Runde folgt der Lokalmatador der Anweisung aus der Ecke, schaltet einen Gang zurück, sammelt Kräfte für die beiden letzten Runden. Ein Trommelfeuer zum Start in Runde fünf. Schnelle, harte Schläge. Vorwärts. Keine Atempause. In der Pause zur letzten Runde kommt Mark Haupt in die Ecke und flüstert seinem Freund ins Ohr: „Dein Gegner zieht die Arme immer tief hinunter, du musst ihn mit einem Schwinger treffen.“

Die sechste und letzte Runde ist die wildeste von allen. Die Anhänger hält es nicht mehr in den Sitzen. Sebastian Formella marschiert, wirft alles in seine letzten Schläge. Er trifft mit der Rechten den Kopf des tapferen Ungarn, der nach hinten torkelt und von der Linken getroffen wird. Jozsef Kormany fällt auf den Rücken, bleibt liegen. Für einen kurzen Augenblick ist der Freudentaumel verebbt. Als sein Gegner nach dem K.o. wieder auf den Beinen steht, nimmt Sebastian Formella ihn in die Arme. Danach tanzt und hüpft er im Ring, ist wieder der fröhliche Junge von nebenan. Seine Freunde, die vielen Verwandten, Arbeits- und Boxkollegen, nehmen die Hoffnung mit nach Hause, dass vielleicht irgendwann in der CU-Arena der Hauptkämpfer des Abends ausgerufen wird: „Sebastian Formella – Lokalmatador aus Neugraben!“