Traditionsveranstaltung des Reit- und Fahrvereins Auetal in Sudermühlen mit Teilnehmern aus Tschechien, der Schweiz und Dänemark

Sudermühlen. Es ist nur eine kleine Szene am Rande der großen Sudermühlener Herbstjagd. Auf einem Acker an der Straße von Sahrendorf nach Egestorf haben die 15 riesigen Trecker eine Linie gezogen. Auf ihren Anhängern drängeln sich die Zuschauer. Viele haben ihr Picknick mitgebracht, verteilen Bier, schenken Schnaps und heiße Getränke aus. Es mögen fast 1000 Menschen sein, die wie auf Logenplätzen, in bester Stimmung auf das große Schauspiel warten.

Auf dem Anhänger, mit dem die Jagdhornbläser des Hegerings Buchholz zu den einzelnen Haltepunkten geschaukelt werden, hat sich ein kleines Mädchen von den Erwachsenen weggedreht. Johanna weiß genau, wie alt sie ist. Sie streckt die rechte Hand aus und spreizt alle Finger. „So alt bin ich“, sagt sie und lacht. Dann schaut das Kind nach oben. Die Hundemeute jagt vorbei, keuchend, leise fast. Johanna schaut erstaunt. Dann preschen die ersten Reiter heran, fliegen mit ihren Pferden über die Hindernisse. Das ratlose Staunen in Johannas Augen verschwindet. Sie staunt, lächelt und klatscht in die Hände. „Komm Pferdchen spring“, ruft sie ganz aufgeregt. Schöner kann man die elementare, urwüchsige Faszination einer solchen Herbstjagd mit ihrer Jahrhunderte alten Tradition nicht beschreiben. Immer wieder erlebt man im Begleittross der Reiter auf ihren schnaubenden und dampfenden Pferden Menschen, die kurz inne halten und den Blick über die Hügel und Täler gleiten lassen, über die stumpfen Wiesen und abgeernteten Felder und die Wälder, in denen das helle Herbstbraun der jungen Fichten leuchtet.

Die Jagd selbst war in diesem Jahr teuflisch schnell. Karl Rabeler, der Seniorchef des Hotels Hof Sudermühlen und Vorsitzender des ausrichtenden Reit- und Fahrvereins Auetal, hatte auf der rund 15 Kilometer langen Strecke über Wiesen und Felder 40 Hindernisse aufgebaut. Er hatte vor allem die Streckenführung neu angelegt. Sie sei, war immer wieder zu hören, für die Reiter die anspruchsvollste seit Jahren. Wer in Sudermühlen mitreitet, das ist seit Jahrzehnten Tradition, dessen Pferd muss toptrainiert sein und die Reiter im Sattel müssen neben der Erfahrung auch immer wieder eine gute Portion Mut mitbringen. Vor allem die hinter dem Jagdherrn Stefan Rabeler im ersten Feld reiten. Dort, so ist bei Herbstjagden festgeschrieben, müssen die Hindernisse gesprungen werden. Im zweiten Feld dürfen die berittenen Jäger auch an den Hindernissen vorbei preschen. In diesem Jahr galoppierte neben dem Rabeler-Sohn als Jagdherrin Adriana Schmidt mit an der Spitze. Die junge Dame ist aus Genf mit ihren Eltern angereist. „Schon als Junge bin ich bei der Herbstjagd in Sudermühlen mitgeritten“, erzählt Helge Schmidt, der Vater, beim Stelldichein, „ich bin Hamburger.“ Aber dann ist der Kaufmann, der mit Schiffsladungen voller Kupfer, Zink, Blei und anderer Erze handelt, raus in die Welt gezogen. Ehefrau Aida, eine Peruanerin, die sich schon auf die Erbsensuppe nach der Jagd freut, begrüßt Bekannte. „Bei einer Fuchsjagd in Irland haben wir vor vielen Jahren die Rabelers kennengelernt“, sagt Helge Schmidt, „seitdem sind wir jedes Jahr hier, auch als wir in New York und Paris wohnten, jetzt sind wir aus Genf angereist. Das Jagdreiten selbst überlasse ich meiner Tochter.“

Dann wendet sich auch der Weltbürger aus Eppendorf ab und nimmt eine lächelnde Frau mit weißem Haar in die Arme. Ina Mossig ist mit Ehemann Siegfried aus Trelde gekommen, um die Familie Schmidt zu begrüßen. „Und vergiss unser Klassentreffen nicht“, ermahnt sie den Senior, „wir beide haben die Erika-Schule in Eppendorf besucht. Die gibt es zwar nicht mehr, aber unsere Klasse trifft sich auch nach 55 Jahren regelmäßig.“ Die sportlichen und gesellschaftlichen Geschichten gehören zu einer jeden Herbstjagd dazu. In Sudermühlen redet inzwischen jeder von dem Schauspieler aus Tschechien, der sein kleines Pferd ohne Zaumzeug reitet. Vaclav Vydra heißt der Reiter, der in Prag fast täglich Theater spielt und in Tschechien durch Film und Fernsehen populär ist. „Ich war 23 Jahre alt, als ich das erste Mal auf einem Pferd saß“, erzählt der Gast, der bis zu neun Stunden Anfahrt in Kauf nimmt, „um bei dieser großartigen Jagd in Sudermühlen dabeizusein. Bei meinem ersten eigenen Pferd habe ich schnell gemerkt, der mag es überhaupt nicht, wenn er so ein Stück Eisen im Maul hat. Inzwischen habe ich vier Pferde und reite alle nur mit einem Strick und meist ohne Sattel.“ Es war die vierte große Herbstjagd für Vaslav Vydra. Beim Abschied sagte er, wie die meisten der anderen 120 Teilnehmer: „Auf Wiedersehen im nächsten Jahr.“