GT1-Champion Markus Winkelhock gehört zu den Teilnehmern des 24-Stunden-Rennens auf der Carrera-Bahn im Harburger Hafen.

Harburg. Auch wenn man kein großer Auto-Fan und erst recht kein Technik-Freak ist, die Atmosphäre im Foyer des TuTech Innovations-Gebäudes an der Harburger Schloßstraße ist locker. Die Stimmung der Besucher ist gelöst, irgendwie fühlt man sich bei diesem verrückten Autorennen auf der Carrera-Bahn zurückversetzt in seine Kindheit. Die großen Jungen und ihre technisch ausgeklügelten Spielzeuge - das steckt so richtig an. In den Gesichtern der Rennleitung, Fahrer und auch bei den Zuschauern - bei allen ist diese kindliche Freude und erwartungsvolle Spannung zu entdecken.

Die 24 Stunden mit den technisch hochgerüsteten Spielzeugrennautos im Channel Hamburg sind angekündigt als das verrückteste Langstrecken-Rennen der Welt. Die Sache selbst ist schnell erklärt. Seit 1991 bereits wird der "Rallye Racing Carrera-Cup" ausgefahren. Da werden auf den so populären Carrera-Bahnen Rennen gestartet, die den Rennstrecken der Welt real nachempfunden werden. Ein Beispiel: In dem geheizten Foyer wurden spät abends alle Lichter ausgeknipst. In der Nacht des Rennens waren nur die Scheinwerfer der Miniautos zu sehen. Auch die meisten der Fahrer sind schon große Jungen, häufig im gesetzteren Alter. Das 24-Stunden-Rennen ist Abschluss und Höhepunkt der Saison.

In Harburg waren zum großen Finale sechs Mannschaften mit je vier Fahrern angetreten. Die Fahrer wechseln sich ab. Das sind die einfachen Bedingungen. Aber wenn große Kinder spielen, wird es raffiniert und ausgeklügelt. Da werden die kleinen Elektromotoren getunt, die winzigen Gummireifen aufgeraut, das Fahrgestell tiefer gelegt, genauso wie im richtigen Rennfahrerleben auch. Für Laien fängt das schon an, wenn Andreas Göhring, Mitorganisator und routinierter Fahrer mit einem sensiblen Finger, erläutert. "Wir haben hier eine 60 Meter lange digitale Bahn aufgebaut."

Digital heißt, jedes der Miniatur-Autos, ob Audi, Porsche, Lamborghini, Subaru oder VW Scirocco, hat Sensoren, die dem Computer signalisieren, wie dicht das Auto auffährt. Alle fahren auf der mittleren Spur. Aber wenn der Fahrer überholen kann und will, stellt der Computer eine der insgesamt sechs Weichen. Und der Porsche schießt am Scirocco vorbei, mit den Augen kaum zu verfolgen.

Zum Start mittags um 12 Uhr waren die sechs Fahrzeuge nach den im Training gefahrenen Zeiten aufgestellt. Was bei diesen 24 Stunden auf und an der Carrera-Bahn entscheidend ist, erkennt auch der Zuschauer ganz schnell, der erstmals bei einem solch leisen (die Wagen haben Elektromotoren) Spektakel zuschaut. Es muss in der vierten oder fünften Runde gewesen sein. Da wurde der Porsche aus einer der engen Kurven geschleudert. Der Fahrer im weißen T-Shirt musste, sozusagen im gemessenen Schritt, links um die Bahn, sein Auto in die Hand nehmen und mit ihm zurück zu seinem Standort und es dort wieder in die Spur setzen. Laufen ist für die Piloten verboten. Klar also, dass jeder Crash einen um ein paar Runden zurückwirft. Und der Mann in weiß war oft auf Wanderschaft um die Bahn. Oliver Schmidt, Geschäftsführer des Auto-Museums in der Hafen-City, war natürlich am Schimpfen. "Oliver hat noch nicht viel Erfahrung in diesem Sport", erzählt Ralf Jüttner, als der Mann mit seinem Mini-Porsche in der Hand erneut um die Rennbahn gehen muss. "Du kannst mit dem Finger am Drücker nur beschleunigen oder die Beschleunigung wegnehmen. Aber es gehört sehr viel Feingefühl und hohe Konzentration dazu."

Ralf Jüttner, Gastfahrer im Subaru-Team, bringt als Technischer Direktor von Le Mans und auch des Audi-Sport-Teams Joest reichlich Erfahrung aus dem richtigen Rennsport mit. Deshalb betont er auch. "Markus Winkelhock hingegen musste bisher noch nicht um die Bahn laufen. Die richtigen Rennfahrer bringen auch für die Carrera-Bahn beste Voraussetzungen mit. Sie wissen, wie lange man vor der Kurve Gas gibt und wann man es weglassen muss. Vor allem, sie haben gelernt, sich über Stunden voll zu konzentrieren."

Markus Winkelhock, der GT1-Weltmeister und Sieger des realen 24-Stunden-Rennens auf dem Nürburgring, setzte seine Rennfahrer-Gene in Harburg für das Team von "Auto Bild" mit dem weißen Audi R8 ein. Zu seinen Teamkollegen gehörte auch Kim Hauschild aus Horneburg, der im Tourenwagen Langstreckenrennen fährt. Neben den beiden richtigen Rennfahrern gab auch Lisa Schmid, ein 14-jähriges Mädchen aus Braunschweig, mit dem Zeigefinger Gas. Ihr Vater Helmut Schmid riss am Sonntag um 12 Uhr jubelnd die Arme hoch. Er gehörte zum Audi-Team tv racing. Und das hatte das verrückteste 24 Stunden-Rennen der Welt im Foyer des TuTech Innovations-Gebäudes siegreich beendet. Auch der fünffache Le-Mans-Sieger Frank Biela gehörte zum Siegerteam, das eine Strecke von 309 Kilometer zurücklegte.