Susanne und Holger Heigel haben das ruhmreiche Vielseitigkeitspferd von Andreas Dibowski wieder nach Döhle geholt.

Döhle. Auf dem Irenenhof in Döhle mit den mächtigen Stallgebäuden rechts und links und dem Wohnhaus aus einem anderen Jahrhundert in der Mitte ist Andreas Dibowski der Hausherr. Den Vielseitigkeitsreiter aus der Lüneburger Heide kennt längst die ganze Sportwelt. Wiebke Nicolaysen, seit Jahren eine seiner wichtigsten Mitarbeiterin, kennt jedes der 40 Pferde in den Stallungen. Und doch, es ist erst wenige Tage her, da glaubte sich die Chefin der Pferdepfleger in einem wunderschönen Traum. Das Pferd vor ihr spitzte die Ohren und schaute erwartungsvoll. "Der sieht ja aus wie Leon", entfuhr es Wiebke Nicolaysen, "das kann doch nicht sein." Aber da drang schon ein Lachen aus einer der Stalltüren und Maria-Theresa Linden stürzte heraus. "Doch", rief die Chef-Pferdepflegerin, "er ist wieder da, Leon ist zu Hause."

Zu der Geschichte von der überraschenden Heimkehr des ruhmreichen Sportpferdes Butts Leon nach Döhle gehört aber auch eine andere Szene. Leon, mit dem Andreas Dibowski vor vier Jahren in Hongkong Mannschafts-Olympiasieger wurde und mit dem er vor einem Jahr seinen großen Triumph in Luhmühlen mit dem ersten Sieg in der Vier-Sterne-Prüfung feierte, war 2011 von einer thailändischen Familie gekauft und nach Amerika gebracht worden. Nina Ligon, die 19-jährige Tochter, hatte sich mit dem klugen und eigenwilligen Wallach aus Döhle für Olympia qualifiziert. In London war sie mit Leon unter 75 Startern auf Platz 41 gelandet. In diesen zwölf Monaten war Leon, der selbstbewusste Hochleistungssportler, von Laura, der amerikanischen Pferdepflegerin der Familie Ligon, umsorgt worden. Laura hatte es sich nicht nehmen lassen, das Pferd auf dem Transport zurück nach Deutschland zu begleiten. Der Abschied war tränenreich.

Die ungewöhnliche Rückkehr von Butts Leon in die Obhut von Andress Dibowski ist eigentlich eine Frauen-Geschichte. Auch Susanna Dibowski, Maria Linden und Wiebke Nicolaysen hatten Tränen in den Augen, als im August 2011 ein Pferdetransporter Leon vom Hof zum Flughafen brachte, um die Reise nach Amerika anzutreten. Aber alle wussten, dass Andreas Dibowski und seine Familie ein Angebot für das Weltklassepferd bekommen hatten, das sie nicht abschlagen konnten. Vor allem auch, weil die Reiterfamilie gerade erst den Irenenhof erworben und damit ihre Zukunft abgesichert hatte.

Die Folge allerdings war auch, dass Andreas Dibowski nur als Zuschauer bei den Olympischen Spielen in London war und dort erlebte, wie Nina Ligon vor 50 000 Zuschauern mit seinem langjährigen Partner ins Gelände startete. Schon kurz zuvor hatte er seinen Musterschüler in den Olympiastallungen besucht. Ob das Pferd sich über das Wiedersehen gefreut habe? Das sind Fragen, bei denen Andreas Dibowski immer zögert. "Man darf die Tiere nicht zu sehr vermenschlichen. Pferde sind keine Hunde, ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob er sich gefreut hat."

Die Antwort kommt von Susanne Heigel. "Man sieht es an ihren strahlenden Augen", sagt sie. Ehemann Holger Heigel nickt. Er ist Vorsitzender des Ausschusses Vielseitigkeit im Deutschen Olympiade Komitee für Reiterei und seine Frau liebt Pferde. Ihrem eigenen Stall in Vierhöfen hat Susanne Heigel den Namen "Abendsonnenschein" gegeben. Schöner und prosaischer kann man die Beziehung der Pferde-Liebhaberin zu ihren Tieren nicht beschreiben.

Bei einem Turnier in Bad Harzburg saßen die beiden Ehepaare beim Essen zusammen. Als Andreas Dibowski nebenbei erwähnte, dass Leon wieder verkauft werden soll, sah Susanne Heigel ihren Mann an. "Mit seinen 15 Jahren soll dieses wundervolle Pferd nicht noch einmal in neue Hände kommen." Das Ehepaar war sich sofort einig. Holger Heigel flog in Begleitung von Olaf Neuberger, dem Tierarzt aus Salzhausen, nach England. Die Verhandlungen mit Pan Ligon, der Mutter der jungen Olympiateilnehmerin, dauerten Stunden und schienen ergebnislos zu enden. "Minuten vor dem Einchecken hat sie eingeschlagen", sagt Holger Heigel.

Zwei Tage später stolzierte Butts Leon aus dem Transporter und nahm wieder Besitz von seinem Irenenhof.

"Er strahlt eine solche Gelassenheit aus", sagt Susanne Heigel, die neue Besitzerin, "man darf ein so wundervolles Tier doch nicht durch die Welt treiben lassen." Und Maria-Theresa Linden ergänzt: "Er tritt selbstbewust auf, macht allen anderen klar, dass er wieder zu Hause und der Kaiser von Döhle ist." Mit dem sechs Jahre jüngeren Halbbruder Butts Avedon reift allerdings ein Kronprinz heran. "Die beiden können wir nicht mehr zusammen lassen", erzählt Maria, "es gibt nur Frieden, wenn wir eine Stute dazwischen stellen."