Den klassischen WFC Viktoria gibt es nach Fusionen 1974 und 2003 längst nicht mehr

Wilhelmsburg. Der erste Wilhelmsburger Fußballverein war ein Jahr zuvor als "FC Pretoria" - dem späteren "WFV 09" - unter Protest der Bevölkerung, Lehrer und Pastoren gegründet worden, als 17-jährige Burschen auf der damals 15 000 Seelen zählenden Elbinsel am 5. Juli 1910 den "Wilhelmsburger Fußball-Club" vor dem Suhr'chen Lokal (Ecke Vogelhüttendeich/Georg-Wilhelm-Straße) aus der Taufe hoben. Die Gründer sind mit Theodor Quabisch, Willy Lünzmann, Johannes Schreiber, Arnold Rubbert, Gustav Meyer, Otto Ostermeyer, Edmund Huntenburg, Ernie Soll und Heinrich Stegemann in der Chronik festgehalten. Und als 1911 an der Eichenallee von Walter Heinrich, Gustav Winter, Karl Hoppe und den Brüdern Bödecker der "FC Viktoria" geboren wurde, war die Entwicklung des Fußballs in Wilhelmsburg nicht mehr zu stoppen. Und schon nach wenigen Wochen gingen die beiden neuen Vereine unter Vorsitz von Gustav Winter zum "WFC Viktoria von 1910" zusammen.

Gespielt wurde zunächst auf dem damaligen Posthof-Gelände an der Veringstraße/Ecke Mannesallee. Dann diente ein altes Roggenfeld von Bauer Martens an der "Landesgrenze" als Sportplatz, der künftigen "Heimat". Als Mitglied des Norddeutschen Fußballverbands wurde "Viktoria" nach einem mit 3:1 gewonnenen Qualifikationsspiel gegen "Britannia", dem späteren Verein für Rasensport (VfR) Harburg, der im Harburger SC aufgegangen ist, in der A-Klasse eingestuft. 1916 musste jedoch der Spielbetrieb im Ersten Weltkrieg eingestellt werden und begann erst wieder am 11. Januar 1919 mit dem Neuaufbau. Zwischenzeitlich hatte sich jedoch ein weiterer neuer Verein, der "FC Hertha Wilhelmsburg" der "Viktoria" angeschlossen. Vorsitzende wurden Albert Nünke (1919-1924), Karl Hoppe (1925), Willi Eddelbüttel (1926-1931), Carl Mohr (1932) und Johann Heitmann (1933-1945).

Sportlich begann 1926 der Höhenflug mit unvergessenen Spielern wie Mohr, Weidner, Szymkowiak, Levetzow, Croonen, Voot, Stolte, Ostermeyer, Plate oder Corde, deren Nachkommen ebenfalls bei Viktoria Fußballgeschichte schrieben.1927, rechtzeitig zur Einweihung der "neuen Landesgrenze", wurde Viktoria Meister des Bezirks Nordhannover und nahm an der Norddeutschen Meisterschaft teil. Siege über Eintracht Braunschweig (7:2), Komet Bremen (6:2) und ein knappes 2:3 gegen Altona 93 blieben in Erinnerung, wie auch 1933 der Meistertitel in der neugeschaffenen Gauliga. Namen wie Dudda, Sikorski, Ritzkat, Panczak, Kahl und die Adamkiewicz-Brüder waren in Fußballkreisen in aller Munde.

Von nun an wurde Viktoria auch Lieferant von Talenten an namhaftere Vereine wie Hamburger SV, Altona 93 oder Victoria Hamburg. Edmund Adamkiewicz, der mit 16 Jahren schon für Viktoria stürmte, wurde sogar zweimal in der Nationalmannschaft eingesetzt. Gegen den in Rothenburgsort beheimateten Luftwaffen-Sport-Verein (LSV) - die damals wohl beste deutsche Vereinsmannschaft - verlor "Viktoria" 1943/44 im "Tschammer-Pokal" vor 5500 Zuschauern an der Landesgrenze erst in der Verlängerung 2:3.

Viktorias Auferstehung nach dem Zweiten Weltkrieg fand am 12. Dezember 1945 statt. Vorsitzender wurde nun Willy Wedemann, danach Heinrich Bollhorn. Neue, große Namen in der Ligamannschaft waren nun Nagel, Rehfeld oder Wawziniak. Unter Trainer Harry Noetzel wurde 1951 der Aufstieg in Hamburgs Amateurliga geschafft. Bis 1955 wurde diese Klasse gehalten, danach blieb man zwei Jahrzehnte hinter dem Nachbarn "Nullneun" zurück.

Talente wuchsen bei Viktoria jedoch weiter in großer Anzahl heran. 1962, nach der großen Flutkatastrophe, wurde die A-Junioren sogar Hamburger Pokalsieger mit 2:1 gegen den HSV und spielten um die "Deutsche". Fast alle Spieler aus diesem Team schafften den Weg in Ligamannschaften, Dieter "Acker" Strauß sogar beim HSV den Sprung in die Bundesliga. Mit Holger Dieckmann (HSV), Jürgen Dudda (Eintracht Braunschweig), Mario Kontny (Werder Bremen), Klaus Klock (Solingen) und Dirk Zander (FC St. Pauli und Dresden) folgten in den Jahren danach weitere Spieler aus Viktorias erfolgreicher Jugendarbeit in den deutschen Profi-Fußball. Und mit Manfred Holze hatte Viktoria auch einen Bundesliga-Schiedsrichter, später mit Helmut Schöning sogar den Schiedsrichter-Boss des DFB. Der mehr als 25 Jahre amtierende Vorsitzende Günter von Behren stieg vom Vorsitzenden des Hamburger Verbandsgerichts außerdem zum Vizepräsidenten des Hamburger Verbands auf. Danach folgten Günter Schwarz und Fritz Steinseifer als Vorsitzende.

Viktorias größte sportliche Zeit kam nach der Fusion (Juli 1974) mit dem "TSV Veddel" zum "TSC Viktoria". Unvergessen ab Ende der 70er-Jahre die Spitzenrolle in der Landesliga, bis endlich der Aufstieg in Hamburgs höchste Amateurklasse geschafft war. Die Ligamannschaft mit den Hamburger Amateur-Auswahlspielern Eskelsen, Schulz, Rehfeld, Rösner, Samel, Jallas, Voigt, Gras, Kleingarn und Donner klopfte unter Trainer Heiner Jauch sogar mehrfach an der Oberliga-Nord/Regionalliga Nord an. Der Abschwung kam erst nach finanziellen Nöten. 2003 verschmolz Viktoria mit dem WSV 93 (einst "Nullneun") und TV Jahn.