Der Senat will 774 Wohnungen auf dem Gelände der Neu Wulmstorfer Röttiger-Kaserne bauen. Protest formiert sich.

Neu Wulmstorf. In der Gemeinde Neu Wulmstorf formiert sich Widerstand gegen den Plan Hamburgs, auf dem Gelände der ehemaligen Röttiger-Kaserne deutlich mehr Wohnungen zu bauen als ursprünglich geplant. Die CDU sieht darin den Masterplan zur Nachnutzung des früheren Bundeswehrstandortes, eine Vereinbarung zwischen Hamburg und seinem Nachbarn Neu Wulmstorf, verletzt. Eine seltene Allianz von CDU, Jägern und dem Umweltschutzverband BUND kritisiert auch die Absicht, alle 2100 Bäume auf dem früheren Kasernegelände abzuholzen, um mögliche Kampfmittel und Bombenblindgänger aufzuspüren.

Die Neu Wulmstorfer CDU will dem Protest gegen Hamburg mit einer Resolution eine formelle Form geben: Dafür sucht sie am kommenden Dienstag im Bau-, Planungs- und Umweltausschuss der Gemeinde eine Mehrheit. In dem Entwurf heißt es: Die vom Masterplan abweichende Planung der Stadt Hamburg, mit deutlich mehr Wohnbebauung als ursprünglich geplant, lehnt die Gemeinde Neu Wulmstorf ab.

450 Wohneinheiten sollten auf dem früheren Kasernengelände in Neu Wulmstorfs unmittelbarer Nachbarschaft geschaffen werden. Das hatten Hamburg und sein kleiner niedersächsischer Nachbar im Jahr 2007 in einem sogenannten Leitprojekt der Metropolregion Hamburg ausgehandelt. Mittlerweile herrscht in der Freien und Hansestadt Wohnungsmangel. Der neue SPD-Senat stockte die Planung deshalb von 450 auf jetzt 774 Wohnungen auf.

"Das ist eine sehr kreative Auslegung des Masterplans", sagt Neu Wulmstorfs CDU-Fraktionsvorsitzender Malte Kanebley süffisant. Viele Jahre lang hätte die Gemeinde mit Hamburg verhandelt, ist Kanebleys Stellvertreter Jan Lüdemann empört, und dann mache Hamburg im Alleingang einen zweiten Masterplan mit "roter Tinte", also SPD-Handschrift. "Es ist enttäuschend, wie der große Bruder Hamburg mit uns umgeht", so Lüdemann.

Als irritierend bezeichnet es Gerhard Käse (CDU), dass die Erhöhung der Baudichte und damit aus Sicht der CDU die Abkehr vom Masterplan auf einer Informationsveranstaltung der SPD mit Harburgs Bezirksamtsleiter Thomas Völsch öffentlich gemacht worden sei: Da hätte Bürgermeister Wolf Rosenzweig auf dem Masterplan beharren müssen, kritisiert der 2. CDU-Parteivorsitzende.

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Die Christdemokraten ärgern sich nicht nur über die Art und Weise der Zusammenarbeit mit dem Hamburger Senat. Sie sehen auch wegen der höheren Baudichte Neu Wulmstorfer Interessen verletzt. Ihrer Meinung nach "hoher Geschosswohnungsbau" sei nicht das richtige Eingangstor für die seit Jahren geplante, aber nie realisierte Waldsiedlung mit Villen am Rande des früheren Standortübungsplatzes und damit auf Neu Wulmstorfer Boden. Die Waldsiedlung ist ebenfalls Teil des Masterplanes.

Wenn "Hamburger Verhältnisse" geschaffen würden, sagt auch Udo Poser vom BUND und meint damit Wohnblocks, sei die Waldsiedlung in Neu Wulmstorf gestorben. Wenn Hamburg vom Masterplan abweicht, könnte theoretisch auch die Bundesrepublik als Vermarkter des früheren Truppenübungsplatzes auf die Idee kommen, schnelles Geld mit Wohnungsbau einzunehmen. Auf dem Kasernengelände, so Poser, würde dazu ein Präzedenzfall geschaffen.

Jäger und Naturschützer sehen auch das neu auf dem früheren Standortübungsplatz geschaffene Naturschutzgebiet Wulmstorfer Heide durch eine deutlich größere Siedlung in der Nachbarschaft als gefährdet an: Der Zivilisationsdruck steige: Jogger, Nordic Walker, Geocacher, Mountainbikefahrer und andere Freizeitsportler würden der Natur und Tierwelt zusetzen.

Zweifel haben Christdemokraten, Jäger und Naturschützer auch, ob es überhaupt nötig sei, 2100 Bäume abzuholzen, um mögliche Munitionsreste und Bombenblindgänger im Boden aufzuspüren. Der Neu Wulmstorfer BUND-Ortsverband stimme sich gerade mit dem Hamburger Landesverband ab, wie man gegen das Abholzen vorgehen könne, sagt Udo Poser. Der Umweltschutzverband stehe nicht grundsätzlich dem Wohnungsbau entgegen, sagt Poser, und einzelne Bäume könnten dafür sicherlich geopfert werden. Die Anzahl von 2100 Bäumen halte er aber für unverhältnismäßig.

"Bei den Bauarbeiten ist jetzt schon eine Wüste geschaffen worden", sagt Malte Kanebley. Der CDU-Fraktionsvorsitzende vermutet, dass der SPD-Senat nur einen Vorwand konstruiert habe, um später noch mehr als die 774 Wohnungen bauen zu können.

Ähnlich sieht das der Jagdpächter Karl Hartmann. Der Bundeswehroffizier außer Dienst hat mehr als 13 Jahre in der Röttiger-Kaserne gedient, gehörte dem Stab der Panzergrenadierbrigade an. Er könne sich nicht vorstellen, dass die Bundeswehr in den 1960er-Jahren Kasernengebäude gebaut habe, ohne sich zu vergewissern, dass dort keine Blindgänger von Bomben oder Munition im Boden zu finden seien.

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Aus dem Archiv der Kaserne wisse er noch aus seiner Dienstzeit, dass der Kampfmittelräumdienst nach dem Zweiten Weltkrieg die Waldbestände abgesucht habe. Die Bäume zu fällen, so der frühere Soldat, hätten die Experten damals aber nicht für nötig gehalten. "Das Abholzen von 2100 Bäumen halte ich für absolut überzogen", sagt Karl Hartmann. Das zumindest sei seine persönliche Meinung.

In Jenfeld schafft die Stadt Hamburg zurzeit ebenfalls Wohnungen auf einem früheren Kasernengelände. Auf dem Grundstück der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne entstehen 770 Wohnungen. Dort hat die Stadt zur Sicherheit alle Bäume fällen lassen. 534 Kilogramm Infanteriemunition, 64 Handgranaten und sechs Panzerminen sind im Boden entdeckt worden.