Von Lüneburger Personalvermittlerin diskriminiert: Junge Hamburgerin gewinnt Prozess vor dem OLG. Ein bahnbrechendes Urteil?

Hamburg. Als eine Lehrerin ihr von Beratungsstellen für Antidiskriminierung erzählte, dachte Züleyha: aha. Als sie Plakate gegen Diskriminierung sah, fand sie die interessant. Und glaubte jedes Mal, mit ihr habe das nichts zu tun. Bis sie selbst erlebte, was Diskriminierung heißen kann – nämlich sich auf einen Job noch nicht einmal bewerben zu können. Drei Jahre später hat die Hamburgerin einen wegweisenden Rechtsstreit gewonnen. Und nebenbei so viel Selbstvertrauen gewonnen, dass sie jetzt studieren möchte.

Es ist mehr als drei Jahre her, da war die Hamburgerin auf der Suche nach Arbeit. Die damals 26-Jährige hatte eine Ausbildung zur IT-Systemkauffrau in der Tasche, jahrelang wenig Geld bei Zeitarbeitsfirmen verdient und wollte endlich eine echte Anstellung. Sie suchte und fand die Anzeige einer Spedition in Hausbruch auf der Internetseite der Hamburger Arbeitsagentur.

„Dort wollte ich mich unbedingt bewerben. Es waren viele Computerkenntnisse gefragt, alles schien zu passen und ich hätte einen kurzen Arbeitsweg gehabt.“ Doch Züleyha bekam keine Chance, sich der Firma vorzustellen. Denn zwischen den Bewerbungsunterlagen der jungen Frau und dem Schreibtisch des Personalverantwortlichen lag eine Vermittlerin. Und an der kam Züleyha nicht vorbei.

Ihr Büro hat die Personalvermittlerin in Lüneburg, und zunächst sei das Gespräch gut gelaufen, die Vermittlerin positiv überrascht gewesen von den IT-Kenntnissen der Bewerberin, erzählt Züleyha. Bis sie ihr Foto auf dem Lebenslauf sah: Das Foto zeigt eine junge Frau mit Kopftuch. „Als die Dame das sah, sagte sie mir, wir hätten ein Problem und könnten das Telefonat an dieser Stelle beenden. Sie sehe das Kopftuch als ein Zeichen der Unterdrückung von Frauen, und damit könne sie nicht leben. Dass ich es freiwillig trage und gern, hat sie gar nicht interessiert.“

Züleyha bekam ihre Unterlagen zurück mit dem Hinweis, es gebe keine geeigneten Stellenangebote für sie. Und von der Arbeitsagentur hieß es, man könne die Adresse des Unternehmens nicht herausgeben, weil eine Personalvermittlerin zwischengeschaltet sei. Es täte einem Leid.

Und auf einmal wurde Züleyha bewusst: Diskriminierung ist nicht nur etwas, das andere erleben. Gegen die es Beratungsstellen und Plakatkampagnen gibt. Es ist etwas, das sie gerade selbst erlebt hat. „Das hat wehgetan.“

Nun hätte Züleyha traurig sein können nach diesem Erlebnis. Sie hätte wütend sein können. Enttäuscht und frustriert. Das alles war sie. Und sie hätte sich schütteln und weiter Bewerbungen schreiben können. Sie hätte denken können: „Kopf hoch, das war mies, aber das Leben geht weiter.“

Das hat sie vielleicht auch. Sie aber auch noch etwas anderes gemacht. Züleyha hat einen Termin bei der Hamburger Antidiskriminierungsberatung am Steindamm ausgemacht. Und dort von Birte Weiß erfahren, dass es Gesetze gibt, die verbieten, was Züleyha erlebt hat. Die Pädagogin bot der jungen Muslimin an, einen Anwalt den Fall einschätzen zu lassen. Und stand mit ihr schließlich ein jahrelanges Verfahren vor zwei Instanzen durch – finanziell abgesichert durch die Stiftung „Leben ohne Rassismus“.

Das Landgericht Lüneburg lehnte die Klage ab. „Die Begründung war skandalös“, sagt Birte Weiß. „Es hieß, dass die Diskriminierung nicht nachgewiesen werden könne und aus den Formulierungen von Züleyha deutlich werde, dass sie durch den Kontakt mit der Antidiskriminierungsberatung die Problematik verinnerlicht habe. Sie habe geläufige Schlagworte aus der Antidiskriminierungsdiskussion in ihre Schilderung übernommen. Das ist perfide, dem Opfer von Diskriminierung wird vor Gericht zur Last gelegt, dass er sich Unterstützung für die Rechtsdurchsetzung bei einer Beratungsstelle gesucht hat. Von einem kenntnisreichen Umgang mit dem Gesetz kann hier nicht die Rede sein.“

Anwalt Sebastian Busch ging in die Revision – und das Oberlandesgericht Celle gab den Klägern Recht: Die Personalvermittlerin musste 1850 Euro Entschädigung zahlen.

„Das Urteil ist bahnbrechend“, sagt Birte Weiß. „Weil unter bestimmten Voraussetzungen eine Aussage als Zeugnis ausreicht. Viele haben Angst, dass sie Diskriminierungen in Zweiergesprächen nicht beweisen können. Das Urteil kann anderen Betroffenen Mut machen, weil es zeigt: Es gibt Rechte, und die kann ich einfordern. Außerdem ist es ein Signal an die Arbeitgeber, ihre Einstellungspraxis zu überdenken. Es stärkt einen nüchternen Blick auf das Thema, weil es zeigt: Es gibt Rechte und ein Gesetz. Ganz pragmatisch.“

Bei Züleyha hat der Prozess aus einem unsicheren Mädchen eine selbstbewusste Frau gemacht, die ihr Abitur nachholt und studieren möchte. „Ich wollte hören, dass es wirklich falsch war, wie sich die Frau verhalten hat. Dass ich ungerecht behandelt worden bin“, sagt die 29-Jährige. „Im Nachhinein bin ich fast froh, dass ich diese schlimme Erfahrung gemacht und das lange Verfahren durchgezogen habe. Ich bin heute viel selbstbewusster. Sonst hätte ich mir nicht zugetraut, nochmal zur Schule zu gehen.“

Die Arbeitsvermittlerin hat sich bis zum Ende nicht entschuldigt. Sie hat schlicht geleugnet, sich an das Gespräch erinnern zu können. Auf ihrer Homepage hat die Dame allerdings mit einem besonderen Angebot an Arbeitgeber geworben: die Antidiskriminierungsrichtlinien umgehen zu können.