Lüneburgs neues kreatives Zentrum lädt zum Wochenende der offenen Tür mit Theater, Musik und Lesungen

Lüneburg. Es ist der Winter der Kultur in Lüneburg: Die 72.000-Einwohner-Stadt zählt bald nicht nur ein neues Museum zu seiner Szene, sondern auch ein Zentrum für Künstler und Kreative. Während das Museum erst im nächsten Jahr offiziell eröffnen wird, begrüßt die Kulturbäckerei bereits an diesem Wochenende ihre ersten Besucher.

Es ist keine 25 Jahre her, da war Lüneburg noch eine Stadt der Behörden und Kasernen, Verwaltungsleute und Soldaten. Von vier Standorten der Bundeswehr ist heute noch ein einziger übrig, aus den anderen wurden ein Universitätscampus, ein Dienstleistungszentrum und ein Neubaugebiet. Und dort, wo seit 1936 Brote für die Soldaten gebacken wurden, steht jetzt in goldenen Buchstaben „Kulturbäckerei“ an der Backsteinfassade.

Was in Zeiten nationalsozialistischer Aufrüstung gebaut wurde, beherbergt heute auf 1500 Quadratmetern Nutzfläche Ateliers, Ausstellungsflächen und einen Theatersaal.

Im Erdgeschoss gleich rechts arbeitet Igor Frank, 41, in seinem neuen Atelier. Der Maler und Kunstpädagoge ist mit Ausstellungen und Kursen schon viel herumgekommen in Norddeutschland, er sagt: „Dieses Projekt ist richtig toll. Viele kommen nach Lüneburg der Altstadt und der Geschichte wegen. Ich wette, jetzt kommen auch viele, um sich über die Kulturbäckerei zu informieren.“

An den wuchtigen schwarzen Backöfen aus den Dreißiger Jahren vorbei geht es zu Gero Bräutigam, 76. Der Maler und Bildhauer findet das Projekt Kulturbäckerei „faszinierend“. Es werde ein Anlaufzentrum für Kunst, Kultur und Anhängiges geschaffen. „Alle Künstler gehen unterschiedliche Wege, das kann voneinander leben und sich gegenseitig befruchten.“

Gegenüber arbeitet Gudrun Jakubeit, 48, an einer Reihe zu dem geplanten Libeskind-Audimax der Leuphana Universität. Sie hat die Vorarbeiten zum neuen Kulturzentrum begleitet und ist stolz, dass alles geklappt hat. „Es ist wie eine neue Liebe“, sagt die Malerin. „Die Energie ist groß, der Zauber des Anfangs wirkt.“

Ein großer Ausstellungsraum habe Lüneburg seit vielen Jahren gefehlt, sagt Jakubeit, und einen Ort für die bildende Kunst habe es ebenfalls nicht gegeben. „Nach zweieinhalb Jahren Planung ist er jetzt da, er leuchtet und glitzert. Dieser Ort ist sehr wertvoll, und ich bin stolz, dass es ihn in Lüneburg gibt.“ Ein wenig neidisch habe sie immer nach Berlin und Leipzig gesehen, „jetzt etwas Ähnliches hier zu haben, ist ein Geschenk“.

Doch nicht nur Maler und Kunstschule haben ihren Platz in der Kulturbäckerei, auch Profi- und Amateurtheatergruppen sowie Kreative aus den verschiedensten Branchen. Die einzige Goldschmiedin im Haus ist Lilli Veers, 37. „Die Verbindung mit anderen Künstlern habe ich bisher nur auf Messen erlebt. Hier wünsche ich mir das dauerhaft.“

Von den ersten Überlegungen bis zur Realisierung begleitet und vorangetrieben hat das Projekt Carsten Junge von der Sparkassenstiftung Lüneburg. Die Stiftung hat einen sechsstelligen Betrag in die Einrichtung der einstigen Bäckerei investiert, bezuschusst den laufenden Betrieb, ermöglicht günstigen Mieten und fungiert heute als Betreiber des Zentrums. „Etwas Vergleichbares gibt es meines Wissens im Norden nicht“, sagt Junge.

Zwar gebe es in Hamburg Kampnagel und die Koppel 66, die Eisfabrik in Hannover, den Schlachthof in Bremen und das Lessingbad in Kiel. Das weiß er selbst, schließlich hat er im ganzen Norden nach Anregungen für das Lüneburger Projekt gesucht – und möglichen Fehlern, die nicht wiederholt zu werden brauchen. „Wo gibt es ein Haus, das zwölf Künstlerateliers mit Künstlern der unterschiedlichsten Formen mit Theaterräumen, Ausstellungsflächen, einer Druckwerkstatt, Fotostudio, Veranstaltungsräumen, einer Kunstschule und einer Restauratorenwerkstatt verbindet? Wo gibt es ein Haus, das auch Menschen mit Behinderung integriert, und beteiligt?“, fragt der Geschäftsführer und braucht die Antwort nicht laut zu sagen: in Lüneburg.

Über das Projekt KunstWerk ist auch die Lebenshilfe Lüneburg-Harburg in Verbindung mit der Kunstschule Ikarus in der Kulturbäckerei dabei, und zur gemeinsamen Nutzung der Theaterräume haben sich erstmals vier freie Profi- und Amateurgruppen aus der Stadt zusammengetan und eine erste gemeinsame Spielzeit geplant.

Die ersten Ideen für die Kulturbäckerei reiften vor fünf Jahren heran, drei Millionen Euro aus Städtebaufördermitteln sind geflossen, 20 Kilometer Kabel wurden verlegt, 80 Türen eingebaut und 70 Container voll Schutt entsorgt. 18 Firmen und 100 Handwerker haben anderthalb Jahre innen und außen gearbeitet, bis am kommenden Wochenende die Türen für alle Interessierten aufgemacht werden können: Die Kulturbäcker laden ein zum Tag der offenen Tür am Sonnabend von 14 bis 18 Uhr sowie am Sonntag von 11 bis 18 Uhr. Wo? Dorette-von-Stern-Straße 2.