Superintendent Dirk Jäger fordert raschere Verfahren für Flüchtlinge und einheitliche Aufnahme-Standards in der EU

Tostedt. Das Flüchtlingsproblem braucht mehr politische Aufmerksamkeit, pragmatischere Regelungen und schließlich muss mehr Geld für die Menschen bereitgestellt werden. Das hat der Superintendent des Kirchenkreises Hittfeld, Dirk Jäger, am Sonnabend nach einer Visitation der Kirchengemeinde in Tostedt gefordert. „Es wird Zeit, die entsprechenden Impulse für dieses gesamtgesellschaftliche Problem zu senden“, sagte Jäger. Allein in der Gemeinde Tostedt sind in zwei Container-Unterkünften fast 120 Menschen vor allem aus Syrien, Eritrea, dem Sudan sowie aus Westafrika untergebracht. Zum Kirchenkreis Hittfeld, an dessen Spitze Jäger steht, zählen 18 Gemeinden mit rund 62.000 Mitgliedern.

Hilfe erwartet Jäger aus Berlin und vom Land Niedersachsen. „Vom Bund muss mehr Geld in das System fließen“, sagte der Superintendent. Die Landkreise seien überfordert, immer mehr Menschen unterzubringen und betreuen zu müssen. Allein beim Landkreis Harburg entsteht in diesem Jahr ein Defizit von zehn Millionen Euro, weil die Zuweisungen aus Hannover sich an alten Zugangs-Zahlen orientieren und die Sätze längst nicht mehr kostendeckend sind. Zudem müssten die Verfahren, die über das weitere Vorgehen mit den Menschen entscheiden, rascher abgewickelt werden. „Wie sollen wir eine Willkommenskultur auf eine unsichere Zukunft der Menschen aufbauen, wie die Ehrenamtlichen motivieren, wie die Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt bringen, wenn lange gar nicht klar ist, ob sie überhaupt bleiben?“, fragte Jäger.

International fordert der leitende Geistliche des Kirchenkreises ein gemeinsames Vorgehen in der EU. „Dazu gehört, dass man sich auf Standards einigt, wie mit den Menschen umzugehen ist. Wir sollten zudem eine Quotenregelung für alle EU-Länder einführen.“

Vor Ort fehlt es derzeit vor allem an Sozialarbeitern, um Flüchtlingen beispielsweise beim Besuch von Ämtern oder später bei der Wohnungs- und Jobsuche zu helfen. „Wir bräuchten für unsere beiden Unterkünfte, für die jeweils eine halbe Stelle eines Sozialarbeiters vorgesehen ist, eine weiteren Sozialarbeiter“, sagte der Tostedter Pastor Gerald Meier, auch um etwa praktische Fragen von Ehrenamtlichen zu beantworten. In der Gemeinde mit mehr als 8000 Mitgliedern sind derzeit 40 Menschen ehrenamtlich aktiv. Sie organisieren das Internationale Café in den Räumen der Gemeinde oder geben Deutschkurse, die vor allem ehemalige Lehrer anbieten. „Wir brauchen weiter Spenden sowie derzeit vor allem Kleidung für den Winter“, sagte Meier. Für Geldbeträge steht bei der Sparkasse Harburg-Buxtehude ein Konto bereit (Verein zur Förderung von Zivilcourage e.V., IBAN: DE 40 2075 0000 0090 3635 99, BIC: NOLADE21HAM, Betreff: Flüchtlingshilfe Tostedt).

Insgesamt stellte Jäger der Gemeinde nach seiner Visitation, die am Sonntag mit einem Gottesdienst zu Ende ging, ein gutes Zeugnis für ihre Arbeit aus. Nach dem Besuch bei Mitarbeitern, Gruppen sowie bei Politikern und Institutionen vor Ort war der Superintendent sehr angetan von der Arbeit. „Die Arbeit ist solide und zuverlässig, so wie ich mir das vorstelle“, sagte er. In Tostedt, wo vier Pastoren sich drei Pfarrstellen teilen und derzeit auch eine Vikarin beschäftigt ist, helfen inzwischen zwei Flüchtlinge dem Küster bei der Gartenarbeit und können sich damit auch etwas dazuverdienen.

Am kommenden Sonntag, 19. Oktober, ist in der Johanniskirche ab elf Uhr ein Gottesdienst unter dem Thema „Echt anders! Wie traue ich dem Fremden?“ geplant. Dabei sollen Asylbewerber, Unterstützer und anerkannte Migrantenfamilien aus ihrem Leben erzählen. Zu dem Gottesdienst der Reihe Johannes 2.0, vor denen die Besucher um 10.30 Uhr zu einem Kaffee eingeladen sind, erwartet Meier 200 Teilnehmer.