Die ersten 150 Flüchtlinge kamen am Freitag auf dem Schwarzenberg an. Befristung? Da herrscht Skepsis

Harburg. Am Freitag haben die ersten 150 Flüchtlinge die neue Unterkunft der Zentralen Erstaufnahme (ZEA) auf dem Schwarzenberg bezogen. Innerhalb von nur drei Tagen war die Zweigstelle buchstäblich aus dem Boden gestampft worden. Im Minutentakt hatten Sattelschlepper insgesamt 90 Wohncontainer und zwölf weitere Container, unter anderem mit Sanitäranlagen, herangeschafft. Zudem wurden vier Leichtbauhallen und mehrere Pavillons aufgestellt.

Weil die ZEA in der alten Post am Harburger Bahnhof seit Wochen überfüllt ist, stehen Innen- und Sozialbehörde unter gewaltigem Entscheidungsdruck. „Mitte der Woche hatten wir in den Einrichtungen der Zentralen Erstaufnahme insgesamt 2597 Flüchtlinge, und täglich werden es mehr. Zum Vergleich: Ende Dezember 2013 waren es noch 1040, am 1. September dieses Jahres 2191“, schilderte Johanna Westfalen, Leiterin des Hamburger Einwohnerzentralamtes, die dramatische Situation auf einer Informationsveranstaltung des Bezirksamtes am Mittwochabend in der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH).

Laut Westfalen soll der Aufenthaltsstatus von Asylbewerbern, eine Aufgabe des Bundes, eigentlich innerhalb von drei Monaten geklärt sein. Angesichts des anhaltenden Zustroms von Flüchtlingen sei dies aber längst nur noch graue Theorie. Nach vorsichtigen Schätzungen gehen Experten davon aus, dass Deutschland bis zum Jahresende 230.000 Menschen aufnehmen muss. Das ist die höchste Zahl seit 1993, als der Bürgerkrieg auf dem Balkan tobte. 2,25 Prozent der Flüchtlinge muss die Hansestadt unterbringen.

„Diese Menschen in Not haben einen gesetzlichen und moralischen Anspruch aufgenommen zu werden“, umriss Johanna Westfalen die Herkulesaufgabe. Gestand aber gleichzeitig ein, dass weder die involvierte Innen-, noch die Sozialbehörde mit der Entwicklung schritthalten konnten. Deshalb habe der Senat kürzlich die Notmaßnahmen beschließen müssen, in deren Folge der Festplatz auf dem Schwarzenberg für die Erstaufnahme genutzt werde.

Bezirksamtsleiter Thomas Völsch betonte unterdessen erneut, dies könne allenfalls eine temporäre Nutzung bis Anfang April kommenden Jahres sein. Für die Zeit danach gebe es bereits verbindliche Verträge für Großveranstaltungen wie die Handwerkermesse und das Vogelschießen, die nicht so ohne weiteres verlegt werden könnten. Und nur, weil die Unterbringung von Flüchtlingen in Zelten „nicht zumutbar“ sei, habe das Bezirksamt der Beanspruchung des Schwarzenbergs zugestimmt.

Ob denn Handwerkermesse und Schützenfest tatsächlich so wichtig seien, keine längerfristige Nutzung des Plateaus als Flüchtlingsquartier zuzulassen, wollte ein Bürger bei der Infoveranstaltung wissen. Eine direkte Antwort darauf bekam er nicht. Völsch wies lediglich darauf hin, der Schwarzenberg sei auch als Alternativfläche für Veranstaltungen auf dem Heiligengeistfeld im Bezirk Mitte vorgesehen, das in den nächsten Monaten wegen Baumaßnahmen auf Blindgänger untersucht werde.

Derweil reißt der Zustrom an Flüchtlingen nicht ab. Momentan kommen bis zu 700 pro Monat nach Hamburg – und ein Ende ist nicht in Sicht. „Alle zwei Wochen müssten jetzt Folgeunterkünfte für bis zu 300 Personen geschaffen werden“, so Westfalen. Doch das gestalte sich mehr als schwierig.

So schwindet auch bei Harburgs Schützen die Zuversicht, ihr traditionsreiches Fest wie gewohnt feiern zu können, dessen 487. Auflage für Juni 2015 geplant wird. „Dass die Befristung des Notquartiers auf dem Schwarzenberg Bestand hat, können wir uns derzeit nur schwer vorstellen“, sagte Michael Dieckhoff, Vorstandsmitglied der Harburger Schützengilde von 1528, dem Abendblatt: „Das ist eine Notsituation mit der wir uns arrangieren müssen.“ Deshalb werde bereits an einem „Plan B“ gearbeitet, um für den Fall der Fälle gerüstet zu sein.

Auch Harburgs Grüne glauben nicht daran, dass die Notunterkunft Anfang April wieder abgebaut wird. „Ich habe größte Zweifel, dass es bis dahin genügend Quartiere für die Folgeunterbringung geben wird“, so der stellvertretende Fraktionschef Kay Wolkau. Seine Kollegin Isabell Wiest findet derweil völlig unverständlich, warum übergangsweise nicht auch die Röttiger-Kaserne in Anspruch genommen werde. „Da ist die Situation doch sogar noch besser als auf dem Schwarzenberg: Es gibt Strom- und Wasseranschlüsse, genügend befestigte Flächen und sogar feste Gebäude“, sagt die Abgeordnete.

Thomas Völsch wies dieses Ansinnen mit dem Hinweis darauf ab, die Kasernengebäude seien nicht mehr bewohnbar. Überdies sei es allgemeiner Konsens, keine potenziellen Wohnungsbauflächen für die Flüchtlingsunterbringung zu nutzen.

Birgit Stöver, Bürgerschaftsabgeordnete der CDU, fordert dennoch, im Falle eines Abebbens des Flüchtlingsstroms sollte zuerst die Unterkunft auf dem Schwarzenberg geschlossen werden, damit Harburgs Bürger diese Fläche wieder nutzen könnten. Das gebiete eine gerechte Verteilung im Bezirk, nehme Harburg Kern nach Umsetzung aller Planungen doch allein mehr als 1500 Flüchtlinge auf. „Deshalb sollte der Schwarzenberg nicht in eine Folgeunterkunft umdefiniert werden. Das muss die Verwaltung durch Ausweisung anderer Flächen gewährleisten“, sagt Birgit Stöver.

Laut Christian Martens vom Einwohnerzentralamt wird das Notquartier auf dem Plateau schon zu Beginn der neuen Woche um jene Fläche erweitert, auf der bis Sonntag noch die Puppenbühne Lauenburger gastiert. „In der nächsten Woche sollen noch 150 weitere Flüchtlinge auf dem Festplatz untergebracht werden“, so Martens.