Das Kunsthaus in Jesteburg zeigt im kommenden Jahr zeitgenössische Kunst, die spannend ist und auch mal Fragen aufwirft

Jesteburg. In Jesteburg gibt es Genuss an jeder Ecke. In den vielen Cafés duften Kaffee und Torten, die vielen Geschäfte bieten Schönes und Einmaliges und im Pralinenladen an der Hauptstraße locken süße Leckereien. Direkt gegenüber steht der rote Würfel des Kunsthauses. Ein paar Stufen, die in den ehemaligen Volksbank-Bau führen, müssen erklommen werden, dann betritt der Besucher der Ausstellungsraum. Ganz in Weiß ist er die perfekte Präsentationsfläche für Kunst, die spannend ist und die manchmal auch einfach nur ganz viele Fragezeichen auf die Gesichter der Betrachter zeichnet. Hier werden dem Besucher keine idyllischen Landschaften von Elbe und Heide serviert, keine Blumenarrangement und Sonnenuntergänge – das Kunsthaus steht vielmehr für zeitgenössische Kunst. Vorbei die Zeiten, als der Ort eher als Café und Konzertbühne genutzt wurde und bildende Kunst eine Nebenrolle spielte. Heute ist sie eindeutig der Hauptdarstellerin. Verantwortlich für das, was sich an den Wänden und im Raum präsentiert, ist Isa Maschewski. Als künstlerische Leiterin des Hauses konzipiert sie Ausstellungen und Aktionen, die in regelmäßigem Wechsel stattfinden. Keine Entscheidung trifft sie im Alleingang, immer sitzt der erfahrene und langjährige Vorstand des Hauses mit im Boot.

Mitten in der Ausstellung sitzen Kinder der Oberschule beim Kunstworkshop

An diesem Mittwochnachmittag steht die Tür des Kunsthauses auf, denn gerade ist der Workshop „Kunst für Kinder“, den das Haus für die Fünft- bis Siebtklässler der Oberschule in Jesteburg anbietet, zu Ende gegangen. „Wir entwickeln immer ein eigenes Motto“, erklärt Maschewski. Die Schüler sitzen ganz zwanglos mitten in der aktuellen Ausstellung zwischen Bildern und Objekten und entwickeln ihre eigenen Ideen in einem Raum, der kein Klassenzimmer ist, sondern Inspiration fürs Auge bietet. Der künstlerischen Leiterin sind die jungen Besucher sehr lieb. „Kinder trauen sich zu fragen. Die haben sich das hier angesehen und sofort weitergedacht, das ist einfach toll.“

Oft stehen die Türen des Kunsthauses auch außerhalb der Öffnungszeiten offen: „Jeder kann vorbeikommen, wir haben immer Lust, mit den Leuten über die Ausstellungen zu reden.“ Die 31-Jährige ist trotz ihrer Jugend eine ausgewachsene Kennerin der Kunstszene. Vor allem in Hamburg und Berlin hat sie enge Kontakte zu jungen Kreativen. Dank ihres großen Netzwerkes kann sie Künstler nach Jesteburg locken, die den Weg hierher sonst nie finden würden. Die Zahl der Besucher steigt im Vergleich zum letzten Jahr, inzwischen hat sich herumgesprochen, dass das Haus in Jesteburg immer für überraschende Sinneseindrücke gut ist. Dazu beigetragen hat sicher auch, dass lange Wege bei den Vernissagen durch den neuen Shuttle Service vom Harburger Bahnhof kürzer werden.

Zu Beginn ihrer Tätigkeit im Kunsthaus stand für Isa Maschewski die Frage, was das Kunsthaus eigentlich sein soll, „ein Ort, für den Künstler produzieren und an dem sie sich zeigen können“, gibt sie selbst die Antwort. Auch gegen viele Widerstände, vor allem als es darum ging, die Räume ausschließlich für die Kunst zu nutzen, setzte sie sich durch. Nächtelang strich sie gemeinsam mit Freunden die Wände weiß, entfernte das Caféhausmobiliar und verbannte den großen Konzertflügel aus den Räumen. Jetzt gibt es genügend Platz, Kontakt mit der Kunst aufzunehmen. „Ich will die Leute fordern. Das, was man hier sehen kann, soll aufrühren und gern auch Widerspruch erzeugen. Im Gespräch mit dem Betrachter finde ich es spannend zu klären, was es genau ist, was da so aufregt.“ Besonders stolz ist Maschewski darauf, exklusiv den renommierten Fotografen Daniel Josefsohn in diesem Jahr gezeigt zu haben: „Das war toll für Jesteburg, weil die Leute merken, der Ort meint es ernst mit der zeitgenössischen Kunst.“

Dementsprechend spannend ist das Programm für das kommende Jahr. Zunächst zeigt Michael Conrads ab November großformatige Bilder mit komplexen geometrischen Strukturen, in die er Malerei mischt. Zu Beginn des Jahres folgt dann wahrscheinlich eine Ausstellung, die die Kinder aus den Kunstworkshops gestalten werden. Von Februar bis April heißt es „Im Sommer tu ich malen“. Für dieses Projekt sind der Fotograf Fabian Schubert und der Maler Hank Schubert in der Beek gemeinsam an berühmte Orte der Kunst gereist. So stellte Schmidt in der Beek seine Reise-Staffelei in den Garten des Malers Claude Monet. Den malenden Maler fotografierte Fabian Schubert. Das Ergebnis der Zusammenarbeit irritiert, verblüfft – ganz im Sinne der Ausstellungsmacherin.

Fotografie, Malerei und eine Performance

Monika Michalko ist im April und Mai im Kunsthaus zu Gast. Auf dunklen Bildgründen schafft sie ornamentale Formen in leuchtend fröhlichen Farben. Michalko malt, als würde sie fabulieren, und zeigt dabei ihre „Handschriftlichkeit“ mit krummen Rändern und handgezogene Linien. Im Sommer, anlässlich der Kunst- und Kulturwoche, kommt die Performancekünstlerin, Instrumentenbauerin und „Krachmacherin“ Tintin Patrone ins Kunsthaus, die ganz sicher einen irritierenden Auftritt haben wird. Am 11. September 2015 sagt der Künstler Mikael Mikael „Show you are not afraid“. Dahinter steckt der Hamburger Friedrich von Borries, der in den Grenzbereichen von Stadtentwicklung, Architektur, Design und Kunst agiert. Die Ausstellung in Jesteburg zeigt eine Fotoserie in der er sich mit Orten, Folgen und Ursachen von Terror beschäftigt hat. Zum Jahresende im November ist Olaf Wolters im Kunsthaus zu Gast. Er stellt scheinbar zufällig Dinge des Alltags wie eine leere Cola-Dose, Aktenordner, einen Stuhl oder auch ein Handtuch zu Skulpturen und Objekten zusammen, die verdeckte Erinnerungen und Assoziationen wecken.

www.kunsthaus-jesteburg.de