Harburger Künstler engagieren sich für gemeinsames Inklusions-Projekt. Lastwagen soll zur Leinwand werden

Harburg . Obwohl Behinderten in Deutschland immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, gibt es noch viel zu tun. Zu viele sehen Menschen mit Behinderung noch als „anders“ an und fühlen sich in ihrer Anwesenheit fremd oder unwohl. Um dies zu ändern und sich für mehr Inklusion einzusetzen, haben sich Urban-Artist Brozilla alias Gerrit Fischer, Fotokünstler Christoph Binöder und die stellvertretende Leiterin des Ateliers Freiblick, Sabine Garcia, zusammen getan und das Projekt „Kunst kennt keine Behinderung“ ins Leben gerufen.

Gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern des Harburger Ateliers Freiblick, das seit vier Jahren Menschen mit und ohne Behinderung eine breite Palette an kreativen Entfaltungsmöglichkeiten bietet, wollen sie ein Kunstwerk schaffen, das den Begriff „Behinderung“ aus einer neuen Perspektive zeigt.

Einfach nur eine Ausstellung kam für die Künstler allerdings nicht in Frage. Schließlich soll ihr Werk für ein möglichst großes Publikum über einen längeren Zeitraum zu sehen sein. Auch das Gestalten einer großen Mauer oder Hauswand war nicht das Richtige, mehr als ein paar Tage dauert es nicht, bis die mit neuen Graffiti übersprüht wäre. Also versuchen es die Künstler ganz innovativ: Ein Lkw, Kastenwagen oder Ähnliches soll als Leinwand für ihr Kunstwerk dienen. Mit einem bunten Bild, wo vorher eine graue Plane war, soll der ihre Botschaft durch ganz Deutschland tragen und auf Ladehöfen, Autobahnen und Raststätten für Aufmerksamkeit sorgen.

Auch für die Gestaltung dieses Bilds haben sich die Künstler ein interessantes Konzept überlegt. Der Hintergrund soll von allen gemeinsam entworfen werden, wobei durchaus unterschiedliche Techniken verwendet werden können. Wichtig ist nur, dass alle nach einem gemeinsamen Konzept arbeiten. Wie genau dieses Konzept aussehen soll, dürfen sich die Künstler aus dem Atelier überlegen. „Ich lasse mich überraschen, was dabei rauskommt und wie das Ergebnis aussehen wird“, so Brozilla, der erst an der Gestaltung des Vordergrunds direkt beteiligt ist.

Für den sollen sich alle beteiligten Künstler, ausgestattet mit dunkler Sonnenbrille, Goldkette, Basecap, Jogginghose und was sonst noch so zum coolen Hip-Hop-Outfit gehört, vor Binöders Kamera in Pose stellen. Kunstelement wie Pinsel, Farbpaletten und Sprühdosen werden ebenfalls von den Akteuren im Bild positioniert. Dieses Motiv stellt die Essenz des Projekts dar, nämlich dass Menschen mit Behinderung ebenso viel Stil haben können wie alle anderen auch, genauso künstlerisch begabt sind und vor allem dass ein gemeinsames Zusammenarbeiten durchaus möglich ist.

Aus dem so entstandenen Foto erstellt Graffiti-Künstler Brozilla anschließend eine Schablone, die die Gruppe als Silhouette zeigt, wobei einige Elemente und wichtige Merkmale wie Gesichter und die verwendeten Gegenstände besonders hervorgehoben werden. Mithilfe dieser Schablone soll das Bild der Künstler auf den von ihnen gestalteten Hintergrund gesprüht werden, sodass ein Bild entsteht wie es von Urban Art bekannt ist.

Durch ihr kulturelles Statement wollen die Künstler zeigen, dass sich Menschen mit Behinderung in ihrer künstlerischen Ausdrucksweise nicht von anderen Künstlern unterscheiden. „Die Kunst ist der einzige Bereich, wo Behinderung keine Rolle spielt“, erklärt Sabine Garcia. „Wenn man ein Bild betrachtet, ist nicht ersichtlich, wer es gemalt hat, ob ein Künstler mit Behinderung oder ohne. Da das Werk gelöst ist vom Künstler, trennt die Kunst die Menschen nicht in soziale Gruppen auf“. Diese Idee der Inklusion wollen die drei durch ihr Projekt in andere gesellschaftliche Bereiche übertragen.

Auch für die Künstler des Ateliers ist dies eine große Gelegenheit. Sie sind stolz darauf an einem solchem Projekt mitarbeiten zu dürfen und sehr erfreut über die Möglichkeit, anderen zu zeigen, was sie trotz ihrer Beeinträchtigungen alles schaffen können. Wie viele der 30 Künstler aus dem Atelier sich letztendlich an dem Projekt beteiligen werden, steht noch nicht genau fest. Man muss bedenken, dass es einigen durch ihre körperlichen Einschränkungen schwer fällt, auf einer so großen Fläche zu arbeiten und sie zum Teil nicht die nötige Ausdauer für eine solche Arbeit besitzen. Ein weiterer Faktor ist, wie viele Lastwagen oder ähnliche Ausstellungsflächen der Gruppe zur Verfügung stehen.

Zurzeit sind sie noch auf der Suche nach Lkw, Kastenwagen oder Schiffscontainern die sich im Fahrbetrieb befinden und möglichst auf Dauer farblich umgestaltet werden können. Ideal wäre eine möglichst glatte und feste Oberfläche die das Bemalen erleichtert, eventuell könnte aber auch auf einer Plane gearbeitet werden. Alle, die ein solches Fahrzeug zur Verfügung stellen möchten oder von Personen wissen, der hierfür in Frage käme, können sich bei Brozilla (brozilla@gmx.de) oder Sabine Garcia (s.garciarios@elbe-werkstaetten.de) melden. Auch interessierte Sponsoren können sich dort jederzeit über das Projekt informieren.