Vom Leasing-Ferkel zur Leinegans. Förderverein Arche-Region begibt sich auf die Spur der alten Lohnmast

Vockfey. 1992 machten die Rosenbergs ihr Hobby zum Beruf. Das Ehepaar lebte in Hamburg-Wellingsbüttel, verdiente sein Geld mit dem Vertrieb von Werbemitteln. Doch ein Stück Land außerhalb der Stadtgrenzen hatten sie gepachtet, um Pferde und ein paar Kühe zu halten. Als sie kurz davor waren, einen Hof in der Lüneburger Heide zu kaufen, entdeckten sie ein neues Stück Deutschland: die Region östlich der Elbe. Das ehemalige Grenzgebiet der DDR.

„Uns hat hier alles gefallen“, erzählt Ingo Rosenberg mehr als 20 Jahre nach dem ersten Besuch des Paars an der Elbe. „Die Menschen, die Natur. Alles.“ Einen der alten grauen LPG-Ställe bauten sie zum Wohnhaus um, den anderen nutzten sie weiter als Stallung.

Ingo Rosenberg ging in die Landwirtschaftslehre, mit 49 Jahren, und seit 1992 bewirtschaften Ingrid und Ingo Rosenberg ihren Hof an der Elbe. Auch wenn die Lehre konventionell war: Für Ingrid und Ingo Rosenberg war vom ersten Tag an klar, dass sie ökologisch wirtschaften wollten. Und eine Arche werden für bedrohte Nutztiere, die den Anforderungen der modernen Massentierhaltung zwar nicht entsprechen, deren Erhalt für den Genpool aber wichtig ist.

Sie kauften Leineschafe, Leinegänse, Weiße Parkrinder, Gelbvieh – und Rotbunte Husumer Schweine. Die sind rot und haben einen breiten weißen Streifen in der Mitte. Früher hat die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein diese Rasse gehalten – „Protestschweine“ heißen die Rot-Weißen seither. Die Schweine sind robust, genügsam und fruchtbar, aber kleiner und nicht so schnellwüchsig wie moderne Hochleistungsrassen. Ende der 1960er-Jahre galten die Rotweißen schon als verschwunden, mittlerweile halten einzelne engagierte Züchter die extrem gefährdete Rasse wieder.

Eine Ballung bedrohter Nutztiere lebt an der Elbe rund um das Städtchen Neuhaus, dort haben sich rund 100 Halter zu einer offiziellen Arche-Region zusammengetan. Unterstützung kommt von der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH), die nach dem Motto arbeitet: Schützen durch nutzen, erhalten durch aufessen. Die Arche-Mitglieder züchten Ziegen, Schafe, Gänse, Hühner, Puten, Enten, Rinder und Schweine, die im Bestand bedroht und von Nutzen sind. Denn alte Rassen am Leben zu erhalten, ist mehr als bloße Nostalgie: Sie bereichern den Genpool.

Und einer der Züchter ist Ingo Rosenberg. „Eigentlich ist das alles mein Hobby“, sagt der groß gewachsene Mann im karierten Hemd und zeigt von der Weide der Schafe zum Stall der Schweine. „Aber wir müssen auch damit Geld verdienen, um unsere Rechnungen zu bezahlen.“

Gemeinsam mit anderen Züchtern bedrohter Rassen wie dem Bunten Bentheimer Schwein wollen die Rosenbergs daher die Vermarktung ihrer Produkte – Fleisch und Bratwurst vom Englischen Parkrind – vorantreiben. „Man muss essen, was man retten will“, davon ist nicht nur Ingo Rosenberg überzeugt, sondern auch die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen.

Nachbarn haben einen Förderverein Arche-Region gegründet, sie können sich die Anschaffung eines Kühltransporters vorstellen – und haben jetzt das Projekt Schweineleasing gestartet.

Einmalig 100 Euro und monatlich 50 Euro für ein Ferkel zahlen Leasingnehmer, Vorbild ist das alte Modell der Lohnmast. Dafür wächst das Ferkel im Familienverbund bei den teilnehmenden Züchtern auf, gesund und artgerecht auf Stroh und Gras.

Bis zu seinem ersten Geburtstag wächst das Schwein, dann lassen die Halter es schlachten. Wer ein Schwein geleast hat, bekommt dann gut 100 Kilo Fleisch, auf Wunsch zerlegt und nach alten Rezepten verwurstet. Außer Ingo Rosenberg bieten zwei weitere Halter an der Elbe das Schweine-Leasing an: Sören Vogt mit Protest- und Bunten Bentheimer Schweinen sowie Frank Hübner mit Bunten Bentheimer Schweinen.

Als Ingo Rosenberg als Kind in der Schule erzählte, er wolle Bauer werden, da war seinen Eltern das peinlich. Heute lacht der Großvater herzhaft, wenn er erzählt, dass sein vom Leben auf Opas Hof geprägter Enkel im Kindergarten auf die Frage nach seinem Lieblingstier antwortete: „Regenwürmer und Frösche.“