SPD und CDU sind erbost über nächtliche Aufbauaktion der Behörde. Die Linke hält das Vorgehen für eine Katastrophe

Harburg. In einer Nacht- und Nebel-Aktion hat die Innenbehörde vom Deutschen Roten Kreuz drei Zelte auf dem Neuländer Platz neben der Zentralen Erstaufnahme für Flüchtlinge aufstellen lassen (das Abendblatt berichtete). Erst am späten Mittwochnachmittag war der Bezirksverwaltung und den Fraktionsspitzen per E-Mail mitgeteilt worden, dass die Zelte aufgebaut werden sollten, um die in Harburg ankommenden Flüchtlinge nicht der Obdachlosigkeit überlassen zu müssen. „Das Bezirksamt und Herr Völsch waren vorher in die Pläne eingebunden. Der Hintergrund für diese Entscheidung sind die extrem steigenden Zugangszahlen“, so erklärt Frank Reschreiter, Sprecher der Behörde für Inneres und Sport (BIS).

Alle anderen Standtorte, so Reschreiter weiter, seien bereits verdichtet. In den beiden anderen Erstaufnahmen der Stadt Hamburg wurden bereits Zelte und Container aufgebaut, um die Flüchtlinge dort unterbringen zu können. Reschreiter: „Wir sind in einer Zwangslage, und echte Notlagen erfordern mitunter schnelle Maßnahmen.“ In jedem der drei Harburger DRK-Zelte haben etwa 40 Personen Platz. Laut BIS sollen die Zelte lediglich vorübergehend dort stehen bleiben. Inzwischen werde eine andere Fläche neben dem ehemaligen Postgebäude, der jetzigen Zentralen Erstaufnahme (ZEA), hergerichtet. Dort sollen dann Container für die Asylbewerber aufgestellt werden.

In der Zeit von Ende Juni bis Ende August 2014 ist die Zahl der in den Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen der Innenbehörde unterzubringenden Flüchtlinge von 1464 auf 2127 gestiegen. Allein in den Außenstellen in der Schnackenburgsallee und der Sportallee müssen aktuell insgesamt 289 Personen in Zelten übernachten. in Anbetracht der Drucksituation hält man sich im Harburger Rathaus mit Kritik an der Informationspolitik der Innenbehörde zurück.

„Die BIS hat uns am Mittwoch mitgeteilt, dass die Kapazitäten der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen in Hamburg erschöpft sind und dringender Handlungsbedarf besteht. Die Zusammenarbeit aller beteiligten Dienststellen hat eine Umsetzung bereits gestern ermöglicht. Wir unterstützen in jeder Hinsicht das Ziel der BIS, Obdachlosigkeit neu ankommender Flüchtlinge zu vermeiden. Parallel arbeiten wir gemeinsam mit Hochdruck daran, die Alternativfläche schnellstmöglich herzurichten“, sagte Thomas Völsch.

Weit deutlicher fällt da die Reaktion aus der Harburger Politik aus. SPD und CDU im Bezirk jedenfalls zeigen sich erbost über das „eigenmächtige Vorgehen“ der Fachbehörde. „Das ist ein Affront gegen den Bezirk und gegen die neue Koalition in Harburg“, sagt CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer. Diese Vorgehensweise werfe ganz klar einen Schatten auf die aktuellen Koalitionsverhandlungen zwischen den beiden Fraktionen in der Harburger Bezirksversammlung, so der CDU-Chef weiter. In einer gemeinsamen Presseerklärung von SPD und CDU heißt es: „Diese Anweisung der Behörde erging ohne Beteiligung oder Information der Bezirksverwaltung und der bezirklichen Gremien“.

Der Grund dafür, dass die Zentralen Erstaufnahmen in der Stadt Hamburg derart überbelegt sind, liegt nicht nur in der steigenden Zahl derer, die aus ihren Heimatländern vor Krieg und Hunger nach Deutschland flüchten und in Hamburg landen. Vielmehr schafft es die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration offenbar nicht, die nötigen Plätze für die längerfristige Folgeunterbringung vorzuhalten. Nach spätestens drei Monaten sollen die Flüchtlinge aus der ZEA in die Folgeunterbringung wechseln. Nach Ansicht der zukünftigen Harburger Koalition gibt es ein „Umsetzungsdefizit“. SPD-Fraktionschef Jürgen Heimath: „Es gibt Flächen, auf denen längst mit der Aufstellung von Wohncontainern oder Pavillons hätte begonnen werden können. Wir erwarten, dass nunmehr zügig die bereits zur Verfügung stehenden Flächen genutzt werden, damit die Situation in der Erstaufnahme entlastet werden kann.“

Die Linke hält das Vorgehen der BIS für eine fachliche Katastrophe. „Das ist respektlos den bezirklichen Gremien und den Anwohnern gegenüber“, so Jörn Lohmann, stellvertretender Fraktionschef. Der Senat beweise, dass er aus den Kommunikationsdesastern der Vergangenheit nichts gelernt habe.