Buchholzer Künstlerin will mit Crowdfunding ein Folk/Country-Album finanzieren. Kostenpunkt: 9500 Euro

Harburg. Ist (Nord-)Deutschland reif für eine neue Folk/Country-Offensive? Diese Frage treibt die blonde Hamburger Bardin mit dem verräterischen Namen Nora Sänger um. Einen ersten wesentlichen Fingerzeig könnte die Produktion ihres dritten Albums geben. „Americana St. Pauliana“ lautet der Arbeitstitel des Projekts, das sie per Crowdfunding finanzieren will.

„Folk/Country ist hierzulande ein noch nicht ausgeschöpftes Feld“, sagt die 31-jährige, die in Castrop-Rauxel geboren und in Buchholz aufgewachsen ist und seit einem Jahr unweit der Reeperbahn lebt. Eine eigene Country-Szene mit bekannten Protagonisten wie Texas Lightning oder Truck Stop gebe es zwar seit einer gefühlten Ewigkeit, dennoch sei die Musikrichtung im Mainstream nie wirklich angekommen.

Nun aber sieht Nora Sänger, die in Harburg durch ihre mitreißenden Auftritte beim Außenmühlenfest bekannt geworden ist, eine neue Chance. US-Künstler wie Taylor Swift, The Band Perry, Mumford & Sons und Rascal Flatts, die unter anderem den Soundtrack des Kinofilms „Cars“ um den Ohrwurm „Life is a Highway“ bereicherten, hätten Folk/Country wieder nachhaltig ins Bewusstsein gehoben, auch diesseits des Atlantiks. Und besonders in Deutschland.

Es hat einige Zeit gedauert, bis die Songwriterin Sänger diesen Stil für sich selbst entdeckt. Ihr Debütalbum 2007„LeoNora“, so lautete auch ihr früherer Künstlername, kommt noch sehr poppig daher, gemixt mit Hip-Hop-Elementen und Flamenco-Rhythmen. Kritiker monieren prompt, Sängers Musik lasse sich nicht richtig einordnen; das sei von allem ein bisschen, aber nichts richtig. „Ursprünglich wollte ich vor allem ein Pop-Act sein. Wohlklingende, gut nachvollziehbare Melodien zu kreieren, das lag mir schon immer“, so die leidenschaftliche Musikerin, die ihre ersten Liedtexte im zarten Alter von acht Jahren verfasst. Und die schon Englisch singt, bevor sie die Sprache überhaupt beherrscht. Geprägt hätten sie Whitney Houston, Courtney Love und Carole King. Die eine, wegen ihres intensiven, ausdrucksstarken Gesangs, die andere wegen ihrer ehrlichen und introspektiven Texte. Und King wegen ihrer Art Harmonien aneinanderzureihen und Melodien zu entwickeln.

Bei dem Versuch, ihre eigenen Songs in ein „poppiges Gewand zu kleiden“ bleibt der Charme ihrer Kompositionen indes allzu oft auf der Strecke. In der Folge versucht sie sich zu schnell in zu vielen Stilen, was sie noch viel ratloser zurücklässt. Deshalb verordnet sie sich selbst die totale Reduktion auf Gesang und das eigene Klavierspiel. So wird die 2012 eingespielte EP „Transition“ zu einem Wendepunkt hin zur klassischen Rolle des Singer-Songwriters.

Auf der Suche nach einem ehrlichen, erdigen Sound lernt Nora Sänger, die an der SängerAkademie Hamburg und im Popkurs der Hochschule für Musik und Theater Hamburg ausgebildet wurde, 2012 Country-Veteran Nils Tuxen kennen. Der profilierte Hamburger Gitarrist (Truck Stop, Texas Lightning) begeistert sie mit seinem Spiel auf Dobros, Mandolinen und Pedal Steels. Nora Sänger: „Da hat es bei mir irgendwie Klick gemacht. Modernes, urbanes Songwriting lässt sich bestens mit Folk und Country verbinden, davon war ich seitdem überzeugt.“ Zumal sie in ihrem Lieblingsfilm „Almost Famous“ hört, dass selbst der große Elton John bei seinem Hit „Tiny Dancer“ eine Pedal Steel einsetzt. „Wenn ein Brite das kann, kann ich das auch“, sagt Nora selbstbewusst.

Im Juni 2013 kommt sie über Tuxen mit dem Team III:30, bestehend aus Drummer Robin Fuhrmann, Pianist Dominik Pobot und Bassist Jo Varain, in Kontakt. Gemeinsam produzieren sie im Altonaer Soundhafen fünf ihrer Songs. Eine fruchtbare und beglückende Erfahrung. „Kein Beat-Gebastel am Computer, alles feine Handarbeit. Zum ersten Mal fühlte ich mich richtig wohl und glaubwürdig mit meiner Musik“, lautet ihr Resümee.

Das zugleich Begehrlichkeiten geweckt hat. Fünf weitere Titel will sie jetzt mit Tuxen und Co. Einspielen, um das Album rund zu machen. Aber dazu braucht es 9500 Euro, die sie nicht hat. Deshalb hat sie am 20. Mai eine Crowdfunding-Kampagne auf der bekannten Internet-Plattform Indiegogo gestartet.

Dort können ihre Supporter unter acht verschiedenen Möglichkeiten der Unterstützung (Perks) wählen, von der moralischen Rückendeckung mit einem Euro bis zum Privatkonzert im heimischen Wohnzimmer für 1000 Euro. Bis zum 9. Juli haben die Funder noch Zeit, ihre Finanzspritze zu setzen.

Crowdfunding ist für Künstler längst ein probates Mittel, Geld für ihre Projekte einzusammeln. Im März 2012 wählte die Produktionsfirma Brainpool diesen Weg, um die Produktion des Kinofilms „Stromberg“ zu sichern. Innerhalb einer Woche kamen eine Million Euro zusammen.

Ähnlich erfolgreich bei der Schwarmfinanzierung war auch der Sänger Thomas Godoj. Mit seiner Kampagne zur Finanzierung seines fünften Studioalbums hat der DSDS-Sieger von 2008 auf der Plattform Startnext am 21. Mai dieses Jahres sogar den europäischen Crowdfunding-Rekord im Bereich Musik gebrochen. Innerhalb von 24 Stunden war das Finanzierungsziel von 55.000 Euro erreicht. Inzwischen haben schon über 600 Fans das Projekt mit mehr als 110.000 Euro unterstützt.

Seit dem Start der Plattform im Herbst 2010 konnten Musiker für rund 450 Projekte bereits mehr als zwei Millionen Euro generieren. Das sollte Nora Sänger durchaus optimistisch stimmen.

Zur Crowdfunding-Kampagne geht es hier: http://igg.me/at/norasnewalbum