Ich fahre über die Köhlbrandbrücke. Unter mir der „Duckdalben“, das Haus der Deutschen Seemannsmission mitten im Hamburger Hafen. Ich schaue auf den Garten mit Tischen und Stühlen, auf den kleinen Sportplatz. Der Name „Duckdalben“ weist auf die Verankerungspfähle für die Schiffe.

Ich bin dort verabredet mit Jan Oltmanns, Diakon und Leiter dieses „Ankerplatzes im Strom der Zeit“. Angekommen betrete ich die Empfangshalle, sehe die vielen Erinnerungsstücke und die Geschenke der Seeleute. Lese Inschriften auf Englisch, Chinesisch, Spanisch… Alles wirkt hier sehr international. Mein Blick fällt auf den Satz „Die Stadt Gottes kennt keine Fremden.“ Offenbar das Leitwort.

Jan Oltmanns leitet das Haus von Anfang an, seit 1986. Ein stattlicher Mann mit lang herunterfallenden Haaren. Sein Markenzeichen. Ich kenne ihn lange. Er war immer beteiligt an den internationalen ökumenischen Eröffnungsgottesdiensten zum Hafengeburtstag im Michel mit Geistlichen aus acht Nationen. Er führt mich durch das Haus. Überall Seeleute am Telefon und an Computern. Die Flatrate macht es möglich, dass die Besucher mit ihren Angehörigen in der ganzen Welt sprechen können, erklärt er mir. Im Raum rechts vom Empfang wird Billard gespielt. Wir betreten den Raum, wo alle Fäden zusammenlaufen. Bestellungen für den kleinen Laden werden angenommen. Die Seeleute können hier die Dinge für den täglichen Bedarf auf ihren Reisen kaufen. Ein Seemann ruft an. Er möchte von seinem Schiff, das gerade entladen wird, abgeholt werden. Vier Kleinbusse fahren im Shuttleverkehr. Die Fahrten kosten die Männer auf den Schiffen nichts. Jan: „2013 hatten wir 54.000 Fahrgäste auf gut 15.000 Fahrten. Die Busse sind 220.000 Kilometer gefahren.“ Einige Seeleute essen. Kleine Gerichte werden in der Küche zubereitet. Kaffee und Wasser gibt es umsonst. Bier und Wein müssen bezahlt werden. Schnaps gibt es nicht. Wir gehen nach oben in den großen „Raum der Stille“. Jan schließt die Tür. Die Geräusche des Hafens und der Bahn, die gleich hinter dem Duckdalben verkehrt, klingen ab. Ein liebevoll eingerichteter Andachts- und Gebetsraum, mit heiligen Orten für die Hindus, Buddhisten, Muslime, die Sikhs, die orthodoxen, katholischen und protestantischen Christen. Ein beeindruckender Ort der praktizierten Ökumene der Religionen.

Wir gehen in den Garten und setzen uns in die Sonne. Ich spreche Jan auf das Leitwort des Hauses an, das ich in der Halle las. „Wir sprechen alle Besucher an mit „my friend". Mit meinen 14 Hauptamtlichen und 50 Ehrenamtlichen halten wir uns an das Wort, das ich so mag ,Ein Fremder ist ein Freund, den ich noch nicht kenne.‘ Wir erweisen den Seeleuten Respekt. Der steht ihnen zu. Das Leitwort der Deutschen Seemannsmission lautet: ,Support of seafarers dignity’. Die Wertschätzung ihrer Person und die Achtung ihrer Würde als Menschen sind begründet in unserer christlichen Einstellung. Das prägt unser Handeln. Deshalb steht auf unserem neuesten Bus ,VIP-Shuttle’. Unsere Gäste sind alle VIPs. “

Ich frage Jan, wie lange die Seeleute heute unterwegs sind. „Das hängt von der Route der Schiffe ab. Auf Fahrten über den großen Teich können es 78 Tage sein. Früher dauerten die viel länger. Heute haben die Seeleute keine Zeit mehr, Land und Leute kennenzulernen. Seemann ist heute kein Traumberuf mehr. Es gibt zwar kaum noch Knochenarbeit. Aber sie arbeiten an Bord im Dreischichtensystem. Die meisten sind schwer arbeitende Facharbeiter, viele hervorragend ausgebildet. Ein harter Job! Sie nehmen die lange Trennung von zu Hause in Kauf, um Geld zu verdienen und zu sparen.“ Und dann der Satz, der mich sehr nachdenklich macht: „Das Glück der Seeleute liegt an Land.“

Mich interessieren diejenigen, die gar nicht von ihrem Schiff runterkommen. Jan: „Seit zwei Jahren ist Maike Puchert, Diakonin wie ich, als Bordbetreuerin unterwegs im Hafen. Sie besucht die Seeleute auf den Schiffen. Sie hat bei uns hier gelernt und war gleich Feuer und Flamme.“

2011 wurde der Duckdalben von den Seeleuten als einer der fünf besten Clubs in der Welt gewählt. Und Jan Oltmanns wurde das Bundesverdienstkreuz verliehen. „Aber das habe nicht ich erhalten, sondern die ganze Duckdalben-Mannschaft.“ Ich nehme ihm das ab. Im Prospekt des Hauses stehen die Worte: „Wir sind froh, in allem für dich da zu sein. Wir wissen, dass Seeleute auch Sorgen haben. Wir hören dir zu und versuchen, dir zu helfen, so gut wir nur können“ – my friend!