Das zukünftige Haus am Lüneburger Stintmarkt soll möglichst alt aussehen

Es wird zwar bis auf das Kellergewölbe neu gebaut. Ziel der Architekten ist aber, dass das Haus am Besten schon von Anfang an schön alt aussieht. Denn der Neubau soll ein ehemals 150 Jahre altes Fachwerk-Schätzchen an Lüneburgs berühmtester Straße ersetzen: dem Stintmarkt am alten Hafen. Und dass es nur ein Ersatz ist, soll möglichst wenig auffallen.

Noch immer bleiben Spaziergänger stehen, noch immer halten viele inne, wenn sie am alten Hafen in Lüneburgs Wasserviertel vorbeikommen. In der historischen Fassadenreihe aus Fachwerk klafft eine Lücke, wie sie die Stadt seit Jahrzehnten nicht verschmerzen musste. Doch Ende nächsten Jahres soll der Stintmarkt wieder so aussehen wie vor dem verheerenden Brand im Dezember.

Nur das historische Kellergewölbe aus dem 16. Jahrhundert ist übrig geblieben von dem schmucken Fachwerkbau, vor gut 150 Jahren nach einem Brand des Vorgängers direkt an der Ilmenau errichtet. In der Nacht zum 2. Dezember stand der Nachfolger ebenfalls in Flammen – und war nicht zu retten. Die Bewohner hatten das Haus verlassen, bevor sie Vergiftungen oder Verbrennungen erlitten.

Mittlerweile sind Mauern, Balken, Dachpfannen und Schutt komplett abgetragen, der Keller hat ein provisorisches Dach zum Schutz gegen die Witterung bekommen. Während die Arbeiten auf der Baustelle ruhen, wird an den Schreibtischen gerechnet, gezeichnet und geplant. Der Bauantrag für den Wiederaufbau liegt im Rathaus zur Prüfung, das Brandschutzkonzept ist in Arbeit, die Statik in Aufstellung.

Wie „Phönix aus der Asche“ soll sein Haus wiederauferstehen, wünscht sich Michael von Hartz, der das Schmuckstück vor gut 20 Jahren gekauft hat. „Es soll ein richtiger Neustart werden“, sagt er. „Das ist ein Stück Verantwortung gegenüber der Stadt.“ Die Nutzung mit Gastronomie im Erdgeschoss und Wohngemeinschaften in den oberen Stockwerken wird wie gehabt, sogar dieselbe italienische Familie plant eine Wiedereröffnung im zukünftigen Neubau.

Wie ein Neubau soll das Haus allerdings nicht aussehen – außer innen vielleicht. Von außen soll die Fassade des nach dem einstigen Eigentümer und Schnapsbrenner Georg von Lösecke benannten Gebäudes so alt wie möglich wirken. Dafür wollen die Architekten sogar Second-Hand-Fachwerkbalken einsetzen.

„Wir suchen nach gebrauchten Hölzern mit Patina“, sagt Gunnar Schulze, beauftragter Architekt des Projekts. Wo neue Materialen nötig sind, werden auch die ein altes Gesicht tragen: Ziegel im historischen Klosterformat, in Handstrich hergestellt.

„Der Unterschied zu den Industrieziegeln ist neben dem Format die Oberfläche“, erklärt der Architekt. „Sie ist weniger glatt, eher riefig mit kleinen Einschlüssen. Es entsteht ein wenig Unruhe durch Streiflicht und Schatten.“ Dunkelrot werden die Backsteine sein, allerdings auch nicht so einheitlich wie aus industrieller Massenproduktion.

Für den Untergrund des Neubaus planen die Architekten eine Betonpfahlgründung in den Achsen der Kellerwände: Sie soll gleichzeitig das historische Gewölbe sichern und das neue Gebäude tragen, das dann nicht auf den jahrhundertealten Mauern lastet.

Auch das Nebengebäude, seit dem Brand unbewohnbar, wird renoviert. Neben der Beseitigung der Schäden durch Qualm und Löschwasser will die Eigentümerin gleichzeitig die Fassade sanieren lassen.

Geht an den Schreibtischen alles glatt, können die Arbeiten auf der Baustelle des Lösecke-Hauses im Juli beginnen. Lüneburgs Stadtbaurätin Heike Gundermann ist froh, dass der Eigentümer ausgewiesene Denkmalschutz-Profis als Architekten angeheuert hat. „Wir unterstützen ihn, und ich freue mich, wenn diese Stelle der Stadt wieder repariert ist.“

Wie viel der Besitzer in seinen „Phönix“ investieren muss, möchte er nicht sagen. Fest steht: Den Löwenanteil der Neubaukosten werden Versicherungen zahlen, außerdem sind Zuschüsse beim Land beantragt. Eine Sonderkommission der Polizei ermittelt noch immer wegen schwerer Brandstiftung und mehrfachen versuchten Totschlags.