Zwei junge Männer stehen in Lüneburg vor Gericht. Sie sollen eine 19-Jährige brutal attackiert haben, um ihr Baby zu töten

Lüneburg . „Sehe euch.“ „Sind wir schon vorbei?“ „Dreht um!“ Über Kurznachrichten auf dem Handy verständigen sich die beiden jungen Männer an diesem Spätsommertag am Reihersee bei Brietlingen in der Elbmarsch. Der eine geht mit einer jungen Frau spazieren, der andere beobachtet sie von weitem. Einen Überfall soll er fingieren. Das Ziel der Attacke ist laut Anklage: Das Baby im Bauch der jungen Frau töten.

März 2013, Maximilian Otto D. aus Schwarzenbek, 23, lernt bei einem Lagerfeuer am Inselsee bei Lüneburg Yvonne* kennen. Die beiden tauschen Nummern aus, schreiben sich Nachrichten, treffen sich ein paar Mal und schlafen miteinander. Dann herrscht Funkstille – bis Yvonne ihrer Ex-Affäre mitteilt: Ich bekomme ein Kind von dir.

Ein halbes Jahr später treffen sich die beiden in Saal 121 des Landgerichts Lüneburg wieder. Yvonne im Zeugenstand, Maximilian und ein Bekannter auf der Anklagebank. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: versuchter Mord, versuchter Schwangerschaftsabbruch und gefährliche Körperverletzung.

Sie wollen über das ungeborene Kind reden an diesem Mittag, der junge Mann holt die Schwangere mit seinem Golf GTI in Brietlingen ab und fährt mit ihr nahe gelegenen Reihersee. Den Wagen parkt er beim Campingplatz, die beiden laufen durch die Felder. Es stehen Erwartungen an Verantwortung und Unterhalt im Raum, ob er wirklich der Erzeuger sein könne, rechnet der Mechatroniker immer wieder im Kopf aus. Zu einer Abtreibung hatte der junge Mann die im sechsten Monat schwangere Ex überreden wollen – zwecklos.

Zwei Tage vor dem Gang am Reihersee hat ihm seine aktuelle Freundin eine Nachricht in die Schweiz geschickt, wo er gerade auf Dienstreise war: kann sein, dass ich schwanger bin.

Am 31. August zieht der angestellte Mechatroniker durch, worüber er mit seinem Kumpel Michel, 22, arbeitslos, schon kurz vorher einmal grob gesprochen haben will: Der soll nämlich gehört haben, dass sich Schwangerschaften „durch Gewalteinwirkung auf den Bauch“ abbrechen ließen. So erzählt es der Angeklagte vor Gericht.

Nach dem Besuch einer Dönerbude fassen die beiden den Plan, berichtet er: Wie ein Überfall solle es aussehen, auch Maximilian selbst solle etwas abbekommen, und Michel solle nach dem Angriff unerkannt fliehen. Die Schwangerschaft soll danach beendet sein, das Problem verschwunden.

Es läuft anders. Die junge Frau und das ungeborene Kind überleben die Attacke. Eine Spaziergängerin findet die Verletzte, sie kommt ins Krankenhaus. Und am nächsten Morgen steht die Polizei vor der Wohnung von Maximilians Freundin und verhaftet ihren Gast.

Multiple Prellungen, Steißbeinbruch, Augenhöhlenbruch, Abschürfungen, Lähmungen: Schwer verletzt überlebt das Opfer, 19, nach drei Tagen auf der Intensivstation. Zehn Tage Psychiatrische Klinik folgten für die angelernte Floristin.

Mittlerweile ist das Baby geboren, kerngesund. Yvonne ist blass, sagt im Gericht auf Nachfrage: „Es ist ganz schwer, mit der Kleinen und der Situation fertig zu werden.“

Mögliche Unterhaltsforderungen hätten dem jungen Mann keine Sorgen gemacht, sagt der im Anzug auftretende, schmächtige Mann vor Gericht. Warum überhaupt der Überfall dann sein musste, bleibt an diesem Tag ein Rätsel. Er habe zu ihr gesagt, er könne keinen Unterhalt leisten, sagt die Mutter. „Weil er zu wenig verdient.“

Die Angeklagten belasten sich vor Gericht gegenseitig. Maximilian sagt, Michel habe von Schwangerschaftsabbruch durch Gewalteinwirkung auf den Bauch gesprochen. Michel – viel selbstsicherer als sein Bekannter auftretend, in Jeans, Turnschuhen und Kurzarmhemd – sagt am Ende des Verhandlungstages, es sei doch alles ganz anders gewesen: Er habe nur eine Stalkerin erschrecken, ihr Angst machen wollen, damit sie seinen Kumpel Max nicht mehr nervt.

Dass die Stalkerin die schwangere Yvonne ist, habe er nicht gewusst. Und am Reihersee habe er sie nicht erkannt. „Ich habe nicht darauf geachtet, welche Person das ist.“ Er habe nur mit dem Baselballschläger „herumgefuchtelt“, um ihr Angst einzujagen, und als sie dann stehen geblieben sei, habe er sie aus Versehen getroffen.

Den zweiten Schlag habe Max ausgeführt, der sie zuvor auf einen Acker geschubst habe. Der von seinem Komplizen Beschuldigte selbst gibt lediglich zu, sie auf dem Boden liegend so lange gewürgt zu haben, bis sie keinen Mucks mehr von sich gab.

Michel: „Ich weiß nicht, warum ich mich dazu habe breitschlagen lassen. Ich hatte nie vor, eine Straftat zu begehen.“ Maximilian: „Es war nie die Absicht, die Geschädigte zu töten.“

Beide Angeklagten bitten ihr Opfer am ersten Prozesstag um Entschuldigung. Michel ist bereit, Schmerzensgeld zu zahlen. Eine Antwort gibt die junge Frau ihren Peinigern nicht. Der Prozess wird fortgesetzt.

*Name geändert.