Adolphsens Einsichten. Was zu tun ist, damit gute Vorsätze 365 Tage lang halten

Silvester. Mit allem, was traditionell dazugehört. Alle Jahre wieder mit „Dinner for one“ im Fernsehen. Mit der Ansprache der Bundeskanzlerin. Mit den alten Bauernregen wie „Silvester wenig Wind und Morgensonn’ gibt viel Hoffnung auf Wein und Korn.“ Ziemlich unsicher diese Prognose. Mit Bleigießen und Horoskopen. Da werden so manche abergläubisch, wenn sie das alte Jahr verabschieden und ins neue aufbrechen müssen, aufbrechen in ein unbekanntes Lebensland.

Das verunsichert. Das ruft auch untergründige Ängste hervor. Wie immer, wenn wir etwas loslassen und aufbrechen müssen zu neuen Ufern. Und dann natürlich Silvester und das Feuerwerk, mit Raketen, die die dunkle Nacht erhellen. Und mit heftiger Knallerei. Ausgelassen einmal über die Stränge schlagen. Das haben schon unsere Urahnen, die Germanen, so gemacht, um die bösen Geister mit großen Feuern und dem Lärm von Kesselpauken zu vertreiben. Soll das die Empfindung in uns übertönen oder beschwichtigen, dass wir die vergehende Zeit nicht anhalten können und unser Leben nicht in der Hand haben?

Silvester ist eine Schwelle zwischen dem alten und dem neuen Jahr. Zeit für Augenblicke, sich zu besinnen, zurückzublicken auf das vergangene. Sich erinnern, prüfen, Bilanz ziehen. Was war gut? Was will ich behalten und weitertragen? Aber auch vorauszublicken. Den neuen Anfang zu nutzen. Gute Vorsätze fassen.

Ich las, dass die Hamburger sich 2014 mehr bewegen, mehr Sport treiben und mehr gegen den Stress tun wollen. Löblich, etwas gegen die Pausenlosigkeit, den Zeitdruck und den ständigen Dauerlauf zu tun. „Hauptsache gesund!“ ist der verständliche Wunsch von 39 Prozent der Menschen in unserer Stadt, löblich und gut.

Vorsätze sind gut. Aber wie lange halten sie? In einer repräsentativen Befragung kommen die Hamburger gut weg im Verhältnis zu anderen Bundesländern. 51 Prozent hielten 2013 mindestens drei Monate daran fest. Für die guten Vorsätze mache ich einen Vorschlag. Damit sie nicht nur ein Vierteljahr, sondern 365 Tage halten. Der Vorschlag dient nicht nur der Gesundheit, sondern auch der eigenen Zufriedenheit.

Packen Sie einen Koffer, als würden Sie auf eine lange Jahresreise gehen. Was gehört da hinein?

Tun Sie vier Dinge hinein, vier Symbole zum Anfassen. Um sich dann bewusst und intensiv an die guten Vorsätze zu halten.

Ein Stück Brot. Nur eines. Zeichen wie Hinweis auf alles das, was wir wirklich zum Leben brauchen. Um im Frieden mit anderen und in innerer Zufriedenheit zu leben. Die Mittel zum Leben sind nicht Ihre Lebensmitte. Nicht immer mehr haben müssen. Überflüssige Dinge machen das Leben überflüssig. Nicht alles aus dem Leben herauspressen. Brot ist auch: Es warm haben und nicht frieren müssen. Essen können und nicht hungern. Mit vertrauten Menschen im Gespräch bleiben. Freundschaften pflegen. Täglich dankbar sein. Dankbarkeit ist das Gedächtnis des Herzens.

Als Zweites eine Muschel in den Koffer legen. Die ist das Zeichen der Pilger. Sie tragen die Muschel, damit sie einander als Pilger erkennen. Die war immer ein Schutzzeichen. Wer den Pilgern früher etwas antat, musste mit harten Strafen rechnen. Die Muschel – auch ein Friedenszeichen. Pilger gehen immer weiter nach vorn. Sie gehen und sehen nicht zurück. Denn sie sind nicht in das Gewohnte, allzu Alltägliche und das Gleichmaß der Tage verliebt, sondern in das Zukünftige. Ihre Sehnsucht nach neuen und tieferen Erfahrungen zieht sie nach vorn. Beflügelt von der Hoffnung auf das, was noch kommt. Und ein Ziel zu erreichen. Pilger sind Hoffnungsmenschen.

In den Koffer gehören viele kleine Samenkörner. Wer selbst sät, legt Keime zum Leben. Freude säen, Vertrauen, Liebe, Verlässlichkeit, Glaubwürdigkeit. Das kleine Samenkorn steht für alles, was wachsen und gedeihen soll. Der Halm einer Ähre, ein Meter hoch, drei Millimeter dünn, erwächst aus einem einzigen winzigen Samenkorn. Er trägt das Zwanzigfache seines Gewichts. Alles Große fängt klein an. Selbst erfahren, dass die kleinen Gesten der Zuwendung mich selbst und andere wachsen lassen. Dass die freundlichen Worte zu anderen, das anerkennende Lob mich und andere beflügeln. Dass die geteilte Freude mit einem Menschen, aber auch die geteilte Not mich selbst und andere bereichert.

Und dann unbedingt eine Kerze einpacken. Eine einzige Kerze kann einen großen dunklen Raum erhellen. Sie strahlt Wärme aus, die wie ein wärmender Mantel in der Kälte wirkt. Ihr Geheimnis: Sie spendet Licht und Wärme und verzehrt sich selbst – Zeichen der Hingabe.

Nur durch Hingabe wird das Leben reicher, heller und schöner für beide, für mich selbst und für die Anderen. „Nur wer selbst brennt, kann andere entzünden“, sagt der Kirchenvater Augustin. Recht hatte er.

Helge Adolphsen ist emeritierter Hauptpastor der Michaelis-Kirche in Hamburg. Seine Kolumne „Adolphsens Einsichten“ erscheint jeden zweiten Sonnabend im Hamburger Abendblatt.