Jens Meier ist im Hafen Chef von 2000 Mitarbeitern. Beim Tischtennis für den TV Fischbek bekommt er den Kopf frei

Fischbek. Nein, er trägt an diesem Abend keinen Maßanzug. Er sitzt auch nicht in seinem Büro in der Speicherstadt, von dem aus er den Hamburger Hafen steuert, jedes Jahr Aufträge für 300 Millionen Euro vergibt und sie für die Stadt verantwortet. Den Laptop, den er auf dem Rückweg von seinem Arbeitsplatz noch auf den Knien hatte, hat er weggestellt. Jens Meier trägt jetzt ein schwarz-graues Trikot mit dem Signet „TV Fischbek Tischtennis“ auf dem Rücken. Gegner in der Sporthalle ist Jörg Zart, ein Diplom-Pädagoge und Vereinskamerad, gegen den er schon Hunderte Male im Training gespielt hat. Zart - obwohl mit 57 zehn Jahre älter als Meier - setzt ihm ordentlich zu. Dann gelingt dem Geschäftsführer der Hamburg Port Authority (HPA) eine Angriffsrückhand, die Zart nicht erwidern kann. „So muss er kommen“, entfährt es Meier und dann lächelt er sein Lausbubenlächeln. Meier ist in diesem Moment ganz bei sich und nur beim Tischtennis. Es ist die andere Seite des Managers, der sonst fast 2000 Beschäftigte im zweitgrößten Hafen Europas führt.

Begonnen mit dem Sport hat Meier, als er zehn Jahre alt war. Schon damals beim TV Fischbek, dem Sportverein des Harburger Stadtteils, in dem er ganz in der Nähe der Sportanlagen aufgewachsen ist. Für einen anderen Verein hat er nie gespielt, auch wenn er während seiner beruflichen Wechsel zu Firmen in der Nähe von Neumünster und Münster ab und an mal bei lokalen Vereinen trainiert hat. Der Informatiker und studierte Kaufmann, der von seinem damaligen Arbeitgeber Ernst&Young zudem auf die Managerschule nach St. Gallen geschickt wurde, nutzte später selbst Auslandsreisen für seinen Sport. In der chinesischen Stadt Chengdu war er einmal bei einem von einem Manager des US-Flugzeugbauers Boeing organisierten Turnier dabei. Dabei beeindruckte er selbst die Gastgeber, für die Tischtennis Volkssport ist. „Einige der Chinesen konnte ich tatsächlich schlagen“, verrät Meier.

Für Tischtennis ist er immer zu haben. Im Hamburger Seemannsklub Duckdalben nahe dem Terminal des Umschlagsriesen Eurogate ebenso wie im Urlaub auf Gran Canaria, wo er seit Jahren bei einem Hotel-Turnier ungeschlagen ist. Oder irgendwo draußen, wenn der Wind die Bälle auf der Platte verweht. Selbst wenn er einen fremden Schläger in die Hand nehmen muss, macht ihm das nichts aus. „Mir bringt Tischtennis immer Spaß.“

Meier will aber auch heute noch mit den Jugendlichen des Vereins mithalten können, die an diesem Abend in der Halle trainieren. Dafür läuft er in seiner Freizeit durch die nahe Fischbeker Heide, geht auf Reisen ins Fitness-Studio und hat zu Hause ein Laufband installiert. „Damit ich im Winter keine Ausrede habe, wenn es draußen regnet oder schneit.“ Trotz der häufigen Auslandsreisen will er sich so die nötige Kondition erhalten. Das Gefühl für die kleinen Zelluloidbälle dagegen, da ist er sicher, verliere er nicht.

Zwar ist der Manager nur für die zweite Mannschaft in Fischbek gemeldet und hat mit seinen Vereinskollegen ein paar Mal den Abstieg aus der Bezirksliga vermieden. Derzeit jedoch steht seine Mannschaft im gesicherten Mittelfeld der Tabelle. Manchmal hilft Meier sogar in der ersten Mannschaft aus. Bekannt ist er für seine Trickaufschläge, die er gern auch den Nachwuchssportlern beibringt. Dabei beginnen seine Arme und Hände so rasch zu kreisen, als ob er den Ball für den Gegner verzaubern wollte. Der Schnitt ist so vehement, dass die Kugel vom Schläger des Gegners überall hin abprallt - nur nicht auf die Platte.

Tischtennis verbindet für Meier Konzentration, Kondition und Ballgefühl und lässt ihn nach einem stressigen Arbeitstag „total abschalten“. Das braucht er auch für seine beruflichen Aufgaben: „Denn wer den Kopf nicht frei hat, verliert“, sagt er. Eine Lehre, die sich wohl auch auf Manager übertragen lässt. Seine Rückkehr nach Hamburg war dagegen ein Gewinn und eine „glückliche Fügung“ für Meier. Im Jahr 2008 holt ihn der damalige Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) vom Logistik-Konzern Fiege nach Hamburg. Seitdem kann er wieder intensiver Tischtennis spielen. Noch dazu in der Halle Kiesbarg an der Schule Schnuckendrift, in die der kleine Jens einst eingeschult wurde.

Dort, beim Turnverein, treffen sich heute noch viele, die sich inzwischen überall in der Stadt verstreut angesiedelt haben und dem Klub dennoch die Treue halten. Zu ihnen zählt Zart, der jedes Mal von seinem Wohnort an der Sternschanze zum Training 46 Kilometer hin und zurück fährt, wie er ausgerechnet hat. Zart besiegt Meier zwei Mal an diesem Abend mit 3:1 Sätzen. „Auch mit Niederlagen muss man umgehen können“, sagt der Manager. Deswegen erlischt sein Lausbubenlachen nicht. Es ist die Vertrautheit, die Gemeinschaft mit alten sowie neuen, jungen Freunden, die er genießt, wenn möglich sogar gleich an zwei Abenden in der Woche.

Das gelingt ihm jedoch selten. Denn auch für den Hamburger Hafen ist der Harburger fast sechs Monate im Jahr national sowie weltweit unterwegs. Erst in dieser Woche ist er am Donnerstag zu einer Reise mit einer mehr als 100köpfigen Delegation der Hansestadt in die USA und nach Kanada aufgebrochen. Zehn Tage werden die Hamburger mit Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) an der Spitze unterwegs sein und zu Hause in Fischbek wird Meier wieder einmal ein Punkt- und ein Pokalspiel verpassen.

Geschadet hat seine häufige Abwesenheit der Akzeptanz als Sportler unter Sportlern im Verein jedoch nicht. Seine Position als einer der führenden Manager in Hamburg tritt an diesem Abend wie selbstverständlich vollends in den Hintergrund. „Jens“, fragt einer der Jugendlichen, als er nach den beiden Partien gegen Zart am späten Abend gerade nach Hause aufbrechen will, „hast Du nicht noch Lust auf ein Doppel mit uns?“