Schülervertreter beziehen im Interview Stellung zur geplanten Abwicklung der Katholischen Schule Neugraben. Sie wollen für ihre Schule kämpfen. „Die Enttäuschung ist riesengroß.“

Neugraben. Von der angekündigten Abwicklung der Katholischen Schule Neugraben (KSN) sind vor allem die mehr als 700 Schüler betroffen. Zwar dürfen sie nach Aussage des Katholischen Schulverbands so lange an der Schule verbleiben, bis sie den Abschluss ihrer Wahl geschafft haben. Dennoch wird das Lernen an der KSN in den kommenden Jahren mit Zumutungen verbunden sein, weil mit jedem neuen Schuljahr ein ganzer Jahrgang fehlt. So werden sich "die letzten verbleibenden Klassen wie in einer Geisterschule fühlen", sagt der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete und Mitglied des Schulausschusses, Matthias Czech.

Das Abendblatt hat sich mit den vier Schülervertretern Lina Pohlan, 15, Michelle Beiner, 14, Jessica Miecznikiewicz, 16, und David Gosceneak, 15, getroffen und sie zu ihren Ansichten und Emotionen befragt.

Hamburger Abendblatt:

Wie habt ihr die Nachricht von der Aufgabe eures Schulstandorts aufgenommen?

Lina:

Die Enttäuschung ist riesengroß. Wir werden nicht als Menschen, sondern nur als Kostenfaktor wahrgenommen. Und das bei einer Schule mit einem schwierigen sozialen Umfeld. Gerade hier müsste sich die katholische Kirche doch eigentlich engagieren.

Michelle:

Warum gerade unsere Schule? Der neue Papst Franziskus hat gesagt, das Geld müsse uns dienen, nicht über uns herrschen. Dass der vom Schulverband selbst verschuldete Investitionsstau nun zum Vorwand genommen wird unsere Schule plattzumachen, ist unchristlich und ich empfinde ihn als einen Verrat an uns Schülern.

Jessica:

Wir reden hier über die viertgrößte katholische Schule Hamburgs. Warum versucht man nicht kleinere Standorte anders zu strukturieren? Und es soll gerade für jüngere Schüler und Mädchen zumutbar sein, drei Stationen mit der S-Bahn zu katholischen Schulen in Harburg zu fahren? Die Linie S3 gilt als eine der gefährlichsten Hamburgs, soweit ich weiß.

David:

Ich bin total sauer auf das Schulamt. Es hat uns auf gut Deutsch von vorn bis hinten verarscht und seine Hausaufgaben nicht gemacht. Die Schätzungen über den Geldbedarf sind doch ausgedacht. Und die Qualität der pädagogischen Arbeit hat offenbar überhaupt keine Rolle gespielt. Das ist einfach nur erbärmlich.

Was bedeutet die Schule für euch?

Jessica:

Sie ist mein zweites Zuhause, man fühlt sich wie in einer großen Familie. Hier ging früher schon meine Schwester Karin zur Schule und jetzt ist auch mein Bruder Kamil da. Die Lehrer sind wie Eltern. Sie tun weit mehr für uns Schüler, als sie müssten. Man kann einfach über alles reden.

David:

Ich war zwischendurch schon mal weg, an der Sportschule und am Gymnasium. Doch ich wollte unbedingt wieder zurück an die KSN und bin dann wieder so herzlich aufgenommen worden, als wäre ich nie weg gewesen.

Michelle:

Man spürt einfach, dass man hier angenommen wird, wie man ist, mit allen Stärken und Schwächen. Und es gibt weit weniger Gewalt als an anderen Schulen.

Lina:

Das Klassenklima ist super gut. Wir sind ein richtiges Team, in dem jeder akzeptiert ist. Das liegt auch an der sehr intensiven Migrationsarbeit. Außerdem finde ich gut, dass es hier keinen konservativen, dogmatischen Unterricht gibt. Wir lernen auch viel über andere Religionen, sprechen offen über Sexualität, auch über Homosexualität.

Welche eurer Protestaktionen fandet ihr bislang am überzeugendsten?

Jessica:

Die Postkartenaktion. Jeder Schüler hat eine Karte mit Gedanken, Gefühlen oder Zeichnungen versehen. Die wurden dann beim Wandertag von den einzelnen Klassen dem Dompropst, dem Generalvikar und dem Erzbischof übergeben.

Michelle:

Wir wollten als Schüler einfach Flagge zeigen. Leider gab es vom Erzbischof bislang keine Reaktion.

Lina:

Ich fand auch den Medientag auf dem Schulgelände sehr gelungen. Es waren viele Journalisten und Kamerateams da. Der Beitrag von Sat.1 hat mir am besten gefallen.

Jessica:

Ich hoffe, auch der Aktionskreis in den Ferien wird ein Erfolg. Jeden Donnerstag sollen Schüler und Lehrer nach einer kleinen Andacht im Gemeindezentrum An der Falkenbek zum Schulstandort an der Cuxhavener Straße ziehen und dort dann mit Gesprächen, Musik und Gesang eine Art Mahnwache halten.

David:

Ich fand auch die T-Shirt-Aktion stark. Beim Fußballturnier um den Sophien-Cup in Barmbek sind wir alle mit KSN-Shirts aufgelaufen, das hat viel Eindruck hinterlassen.

Michelle:

Und wir haben eine große Rolle mit den Unterschriften aller Schüler an den Papst nach Rom geschickt.

Wie groß sind eure Hoffnungen, dass der Protest am Ende erfolgreich sein wird?

Michelle:

Der Beschluss zum Aus für unseren Standort hat die Schule noch enger zusammen geschweißt. Nur gemeinsam sind wir stark. Wir hoffen und beten, aber wir kämpfen auch. Ich will, dass wie ich und meine Geschwister Jolie, Lara und Samiya auch meine Kinder irgendwann Schüler in der KSN sein können.

David:

Ich bin 100-prozentig überzeugt, dass da noch was geht. Wir erhalten ja immer mehr Unterstützung und der Druck auf Erzbischof Thissen wächst mit jedem Tag.

Jessica:

Wenn wir mit unseren Protesten nicht nachlassen, werden wir auch etwas erreichen.

Lina:

Wer nicht kämpft, kann nicht gewinnen. Unseren Argumenten können sich die führenden Köpfe im Erzbistum auf Dauer nicht verschließen. Das letzte Wort darüber ist noch nicht gesprochen.