In Tostedt entsteht ein Schulneubau neben einem Schulgebäude, das künftig leer steht. Wurden Millionen verschwendet?

Tostedt. Die Schullandschaft in Tostedt ist in Bewegung geraten: Wegen sinkender Schülerzahlen werden die Töste Realschule und die Erich-Kästner-Realschule ab dem neuen Schuljahr zusammengelegt. Die Jugendlichen gehen dann gemeinsam am Standort Düvelshöpen zur Schule. Das heißt: Die Töste Realschule an der Poststraße wird leer stehen. An gleicher Stelle aber wurde die Grundschule Tostedt erst kürzlich neu gebaut. Sie sollte eigentlich in diesem Jahr fertig gestellt werden. Für die Grünen ist das Anlass zur Kritik an der Bauplanung der Verwaltung. Im Hamburger Abendblatt nehmen Samtgemeindebürgermeister Dirk Bostelmann und der Ersten Gemeinderat Stefan Walnsch zur Schulgebäudeplanung Stellung.

Hamburger Abendblatt:

Sie haben jetzt eine leere Realschule und eine neue Grundschule am selben Standort. Ist das nicht reine Geldverschwendung?

Dirk Bostelmann:

Die weitere Entwicklung des Schulstandortes an der Poststraße kann als sehr positiv bewertet werden. Leerstand oder Geldverschwendung sind nicht zu befürchten.

Der nicht ganz abgeschlossene Neubau der Grundschule kostet insgesamt 5,3 Millionen Euro. Diese Investition hätte man doch sicher vermeiden können. Der Landkreis hatte Sie schon 2009 in Kenntnis gesetzt hat, dass mit einer Zusammenlegung der Schulen zu rechnen sei.

Bostelmann:

Die Schülerzahlen beobachten wir natürlich schon seit langem. Es war aber keine genaue Prognose darüber zu treffen, wie viele Realschüler, Hauptschüler und Gymnasiasten es künftig geben wird. Deswegen mussten wir zunächst so tun, als fände die Zusammenlegung vorläufig nicht statt.

Aber sie hätten doch schon damals einkalkulieren müssen, dass der Neubau zeitlich in etwa mit der Rückgabe des Gebäudes zusammenfallen könnte.

Stefan Walnsch:

Die Zusammenlegung ließ zunächst noch keinen Schluss darüber zu, wann und unter welchen Umständen tatsächlich mit einer Rückgabe des Gebäudes in der Poststraße zu rechnen war. Die Schulleitung strebte dann aber bereits zum Schuljahr 2013/2014 die Aufgabe des Standortes an, weil aus Sicht der Leitung eine Zusammenlegung organisatorische Abläufe verbessere. Das kam sowohl für den Landkreis Harburg als Schulträger wie auch für die Samtgemeinde als Gebäudeeigentümerin sehr überraschend.

Wann wurden Sie darüber informiert?

Walnsch:

Erste Informationen hierzu erhielten wir im Februar 2013. Die Verwaltung hat dann umgehend den Samtgemeindeausschuss in der Sitzung am 19. Februar benachrichtigt und die Genehmigungsplanung des Erweiterungsbaus der Grundschule an der Poststraße gestoppt. Am 15. März setzte der Landkreis uns offiziell über die Zusammenlegung der beiden Realschulen bei Aufgabe des Standortes an der Poststraße in Kenntnis.

Offensichtlich haben die Grünen die Entwicklung schon geahnt. Sie haben schon im Januar 2011 beantragt, dass die fragliche Zukunft der Töste Realschule mit in die Neubauplanung der Grundschule an der Poststraße einbezogen werden soll. Warum ist das nicht geschehen?

Bostelmann:

Da im Januar 2011 die konkrete Entwicklung für die Töste Realschule noch nicht abzusehen war.

Aber warum haben sie nicht solange mit dem Start des Grundschulneubaus gewartet, bis in dieser Angelegenheit Klarheit herrschte?

Bostelmann:

Wegen der absolut schlechten und unzureichenden baulichen Gesamtsituation der Grundschule Tostedt. Wir mussten die Schule in der Vergangenheit immer wieder in Teilen schließen, weil es durchregnete, weil Ziegel vom Dach fielen, wegen Asbestverdachts und verstopfter Toiletten. Dem Neubau gingen mehrjährige und in ganz überwiegendem Maße öffentliche politische Beratungen voraus. Dabei wurden alle Aspekte sorgfältig abgewogen und letztendlich beschlossen.

Warum wurde die Töste Realschule nicht in die Diskussion über den Standort für eine neue Kita einbezogen? Der Standort Dieckhofstraße ist umstritten.

Walnsch:

Die Töste Realschule ist ein Schulgebäude. Die Raumkonzeption und die Anforderungen an die pädagogische Arbeit sind ganz anders als in einem Kindergarten. Daher war davon auszugehen, dass dieses Gebäude grundsätzlich ungeeignet und wenn überhaupt nur mit sehr hohem Umbauaufwand als Kindertagesstätte herzurichten gewesen wäre.

Wurde der Standort denn geprüft?

Walnsch:

Von der Verwaltung wurden verschiedene Umbau-Alternativen zur Umnutzung entwickelt und geprüft. Bei geschätzten Umbaukosten in Höhe von rund 1,6 Millionen Euro stehen die Kosten aber in keinem Verhältnis zum Nutzen. Diese Einschätzung der Verwaltung wurde durch eine Stellungnahme des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 16. Mai zur Einrichtung einer Kindergarten und Krippengruppe in dem Gebäude der Töste Realschule deutlich unterstrichen. Vor diesem Hintergrund wurden auch die dazu eingebrachten Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Allwardt auf der jüngsten Schulausschusssitzung von den Antragstellern zurückgezogen.

Wie sollen die leeren Räume der Töste Realschule genutzt werden?

Bostelmann:

Das Raumkonzept, das wir mit der Schulleitung gemeinsam erarbeitet haben, sieht vor, die Nachmittagsbetreuung im Gebäude der Töste Realschule unterzubringen und die vorhandene Lehrküche, die noch umgestaltet wird, für die Verpflegung der Kinder zu nutzen. Die Fachräume im nicht energetisch sanierten Teil kann die Grundschule für den Kreativunterricht nutzen. Damit könnte der geplante Neubau um 334 Quadratmeter verkleinert werden, was rund 545 000 Euro einsparen würde.

Wie teuer ist die noch ausstehende Fertigstellung der Grundschule?

Walnsch:

Die Gesamtkosten würden sich auf 2,36 Millionen Euro belaufen. Der Grundschule stünde nach Abriss des noch stehenden so genannten Würfels und des ehemaligen Schulkindergartens eine Schulhoffläche von 5200 Quadratmeter zur Verfügung, das sind rund 2000 Quadratmeter mehr als ursprünglich vorgesehen.

Sie bewerten die Entwicklung also insgesamt positiv?

Bostelmann:

Ja, damit wäre im Hinblick auf die zukünftigen Anforderungen an moderne Schulen, auch was die Themen Inklusion und Ganztagsbetreuung angeht, gefunden. Auch gestalterische Aspekte an dem reduzierten Erweiterungsbau würden berücksichtigt. Durch die neue Konzeption würde eine großzügigere Anlage entstehen als ursprünglich vorgesehen, die auch zukünftigen Anforderungen vor allem im Hinblick auf die Ausrichtung als Ganztagsschule gerecht werden kann. Bei der Politik fand die Planung auch Anklang. Das vorgestellte Konzept wurde einstimmig bei einer Enthaltung beschlossen.