Der Lüneburger Imbisswirt stach im November 2012 seine Ex-Frau nieder - aus Eifersucht. Die Anklage wirft ihm versuchten Totschlag vor.

Lüneburg . Dienstag, 13. November 2012. Beim Imbiss "Marmaris", nur ein paar Schritte vom zentralen Stadtplatz Am Sande entfernt, ist "Dönerstag". Wie jeden Tag, so verheißt schließlich die Werbung im Schaufenster. Dieser Dienstag ist der letzte Dönerstag von Wirt Hasan S., 49. Denn an diesem Abend wird er seine Ex-Frau auf offener Straße niederstechen, festgenommen werden und sein Lokal nicht mehr betreten. Gestern hat der Prozess gegen den vierfachen Vater wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht Lüneburg begonnen.

Orangefarbene Rosen, weiße Lilien und rote Grablichter standen nach dem Gewaltausbruch auf dem Boden vor der Tür, in rot prangte das Wort "Mörder" auf dem Glas. Ein Mörder aber ist der Wirt nicht geworden, auch wenn er selbst es wohl so gewollt hätte: Sein Opfer, seine geschiedene Frau, hat die Attacke überlebt. Die Attacke, für die Hasan S. jetzt vor dem Vorsitzenden Richter Franz Kompisch, zwei weiteren Richtern und zwei Schöffen sitzt.

Die Attacke, die er unumwunden zugibt. Für die er sich im Recht sieht - seit er glaubt zu wissen, dass seine Ex-Frau während ihrer Ehe ein Verhältnis mit einem anderen Mann gehabt hat.

Rückblick ins Jahr 1988: Hasan und Emine verloben sich. 1989 heiraten sie in der Türkei. Doch etwa vier, fünf Jahre später geht der Ehemann ein Verhältnis mit einer anderen Frau ein, will sich scheiden lassen. Sie weigert sich, droht ihm: Geschieden wird erst mit dem Tod. So erzählt es der Mann knapp 20 Jahre später vor Gericht.

Er bleibt bei ihr. Sie haben drei Kinder zusammen: Die jüngste Tochter ist heute neun, die älteste um die 16 Jahre alt, der Sohn Anfang 20.

2009. Jetzt will Emine die Scheidung. Nachdem Hasans Familie sie jahrelang bekniet hatte, bei ihm zu bleiben, weil Scheidung Schande sei. Nach Jahren von Streit und Gewalt in der Ehe, ständiger Eifersucht ihres Mannes und aufkommenden Depressionen. Das sagt sie vor Gericht. Er sagt, auch sie habe ihn geschlagen und bedroht, ihn umbringen wollen, "Stress ohne Ende" gemacht. Er habe die Trennung hingenommen. Die Scheidung sei "legitim" gewesen, Emine habe danach tun und lassen können, was sie wolle, ihm sei mittlerweile "alles egal" gewesen.

Bis zum 6. November 2012. Da grüßt ein Nachbar Hasan anders als sonst. Und für Hasan scheint auf einmal klar: Emine hatte ein Verhältnis mit ihm. Tagelang wälzt der ehemalige Ehemann die vergangenen Jahre im Kopf herum, heraus kommt eine Wahrheit. Seine Wahrheit, an deren Ende steht: Emine muss bestraft werden. "Weil sie mich betrogen, belogen und hintergangen hat."

Weil sie nicht nur sein Leben zerstört habe, sondern auch das der Ehefrau des vermeintlichen Nebenbuhlers, deren zwei Kinder und seiner beiden Töchter - denn seinem Sohn, sagt er vor Gericht, wünscht er selbst den Tod. Emine, sagt er, "hat dafür gesorgt, dass ich im Leben viermal versagt habe". Als Ehemann, als Familienvater, als Geschäftsmann - und als Mörder.

Über einen zweiten Tötungsversuch denkt er wohl aber nicht nach. Denn er sagt: "Ich habe es versucht, habe versagt und damit ist für mich die Sache erledigt."

Nach neun Tagen Koma und vier Wochen Krankenhaus trägt Emine S. heute noch Narben am Oberkörper, die ihr Angst machen, wenn sie in den Spiegel sieht. Die Narben der 17 Zentimeter langen Klinge eines Küchenmessers, die ihr Ex-Mann ihr vor vier Monaten mehrfach tief in den Oberkörper gerammt hat.

Auf offener Straße, als die 49-Jährige mit der neunjährigen Tochter nach Hause kommt. Denn Emine lebte nur 20 Meter vom Dönerladen am Lüneburger Stadtplatz Am Sande entfernt. Ein Verhältnis mit dem Nachbarn oder anderen Männern streitet die Frau vor Gericht ab. Seine Eifersucht sei grundlos gewesen, "krankhaft".

Nachdem der Richter mehrfach nachgefragt hat, sagt Hasan S., er habe an diesem Dienstag falsch gehandelt. Gegen seine eigenen Grundsätze. Einer Religion hängt der Türke nicht an, glaubt aber "an das Leben", sagt er.

Wie sein eigenes Leben nun weitergehen soll, will Richter Kompisch wissen. Eine Therapie lehnt Hasan S. ab. "Das brauche ich nicht", sagt er im Gerichtssaal. Die zwischenzeitliche Unterbringung in der Psychiatrischen Klinik nennt er "unter aller Würde".

Zu angeln, das kann er sich vorstellen. "Und ich möchte von dieser Person in Ruhe gelassen werden." Sagt Hasan S. Dabei sieht er seine Ex-Frau an, die er vor vier Monaten für ihr Verhalten "bestrafen" wollte. Für diese "Strafe" wird Hasan S. in Kürze eine eigene Strafe bekommen.

Wie sie aussehen wird und wie hoch sie ausfällt, wird sich zeigen. Der Prozess wird fortgesetzt.