Kontroverse im Stader Stadtrat: Eine breite Mehrheit befürwortet das Projekt, die Grünen wollen es allerdings unbedingt verhindern.

Stade. Mit einem "integrierten Energiekonzept" will das Dow-Werk in Stade-Bützfleth langfristig und zuverlässig seine Versorgung mit Strom und Dampf zu einem wettbewerbsfähigen Preis sichern. Dafür soll für rund 300 Millionen Euro ein Gas- und Dampfkraftwerk gebaut werden. Im Stader Rat ist darum eine Kontroverse ausgebrochen und gestern gab es auch öffentlichen Protest vor dem Rathaus der Hansestadt.

Der überwiegende Teil der Stader Ratspolitiker befürwortet den Bau eines kombinierten Gas-, Kohle- und Wasserstoff-Kraftwerks auf dem Werksgelände. Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt (ASU) hatte mehrheitlich empfohlen, den Flächennutzungsplan zu ändern und den vorhabenbezogenen Bebauungsplan öffentlich auszulegen. Die Stader Grünen-Fraktion lehnt das Industriekraftwerk kategorisch ab. Und das obwohl auch die neue rot-grüne Landesregierung in ihrer Koalitionsvereinbarung das Dow-Kraftwerk bejaht, weil es trotz des Einsatzes von Kohle als innovatives Projekt gesehen wird, bei dem auch Gas, Wasserstoff und Biomasse zum Einsatz kommen sollen.

Als gestern die rund 600 Seiten umfassenden Unterlagen für das Bebauungsplanverfahren im Stader Rathaus öffentlich ausgelegt wurden, wo sie bis 25. März für jedermann einsehbar sind, demonstrierten etwa 20 Umweltaktivisten plakativ mit einer großen, schwarzen CO2-Wolke aus Kunststoff vor dem Rathaus gegen das Dow-Kraftwerk. "Wir fordern die Bürger auf, mit einer Unterschriftenaktion Einwendungen gegen das Kohlekraftwerk zu machen und es zu verhindern", sagten Silke Hemke vom BUND Stade und Adolf Meyer von der Bürgerinitiative Stade-Altes Land.

Jürgen Quentin von der Deutschen Umwelthilfe und Leiter der Anti-Kohle-Kampagne bezweifelt, dass der Wirkungsgrad des Kraftwerks wie behauptet bei 60 Prozent liegt: "Der Chemiekonzern müht sich, sein vermeintliches Industriekraftwerksprojekt als besonders effizient und umweltfreundlich hinzustellen. Es ist nicht besser als andere Steinkohlemeiler."

Auch Daniela Setton von der "klima-allianz deutschland" nannte das "mit einem bisschen Dampf und Biomasse aufgepeppte Kraftwerk" ein nicht durchdachtes Konzept. Hier seien nun die Stader Politiker und die Landesregierung in der Pflicht, die Energiewende nicht mit Klimakillern zu blockieren. Unter Feinstaub und Schadstoffen könnten der Obstanbau und die Viehzucht an beiden Elbufern leiden.

Für das Stader Dow-Werk mit rund 1500 Mitarbeitern und Hunderten Angehörigen von Vertragsfirmen sei eine gesicherte und kostengünstige Energieversorgung eines der wichtigsten Elemente der Zukunftssicherung, so Dow-Sprecher Joachim Sellner.

Das geplante Industriekraftwerk sei die dritte Stufe des "Integrierten Energiekonzeptes". In der ersten Stufe sind rund 100 Millionen Euro in einen Reservedampferzeuger investiert worden, der heute bereits in Betrieb ist. "In der zweiten Stufe wird derzeit für rund 300 Millionen Euro ein Gas- und Dampfkraftwerk gebaut, dessen erste Turbine noch Ende 2013 in Betrieb gehen kann", sagt Sellner. Die dritte Stufe "Planung und Bau des Industriekraftwerks" beinhaltet verschiedene Genehmigungsverfahren.

In den im Rathaus ausgelegten Unterlagen befinden sich der B-Plan mit Begründung, der Umweltbericht und verschiedene Gutachten zu Verkehr und umweltrelevanten Themen. Im Spätsommer soll der Stader Rat den B-Plan beschließen. Erst danach startet das Genehmigungsverfahren. "Dow beschreitet Neuland und plant einen Mix aus Energieträgern, der auch umwelttechnisch zu beachtlichen Verbesserungen führt. So wird im neuen Konzept 40 Prozent weniger CO2 als beim Durchschnitt der deutschen Steinkohlekraftwerke erzeugt", sagt Sellner.

Geplant sei die Anwendung der Kraft-Wärme-Kopplung, die den Gesamtwirkungsgrad des Kraftwerkes durch eine Weiternutzung von entstehender Abwärme, wie etwa Dampf in den Dow Produktionsanlagen, erheblich steigern werde. Dadurch werde die Effizienz der Anlage deutlich erhöht und der CO2-Ausstoß gemindert.

"Die Integration von Kraftwerks- und Chemiestandort erlaubt die Optimierung aller Synergien in den Bereichen Rohstoffeinsatz, Lastplanung, Kraft-Wärme-Kopplung und Umweltverträglichkeit", sagt Sellner.