Junge Männer legen in Kirchdorf-Süd regelmäßig verbotene Rennstarts auf das Verbundpflaster. SPD: Verwaltung soll Zufahrten sperren.

Wilhelmsburg. Als hätte jemand das At-Zeichen mit schwarzer Farbe auf den Stein zu malen versucht. Tatsächlich handelt es sich um eine Reifenspur. Etwa drei Meter Durchmesser hat das runde Gebilde, das entfernt an den aus E-Mailadressen bekannten Klammeraffen erinnert. Mitten auf dem Marktplatz in Kirchdorf-Süd, mitten in einer Fußgängerzone. "Das war ein Mercedes", sagt ein Jugendlicher wissend. Wie das mit diesem Auto geht? "Das hat 350 PS, einfach durchdrücken", antwortet der Jugendliche. Er meint das Gaspedal.

Die tiefschwarze Reifenspur ist Zeugnis gefährlichen Imponiergehabes. "Wheelspin", zu Deutsch: Reifendrehen, oder auch "Burnout" heißt das Gehabe, wenn Autofahrer einen möglichst lauten Vollstart mit quietschenden und durchdrehenden Reifen hinlegen. Dabei kann man auch schon mal einen Satz Autoreifen in Sekunden reif für den Sondermüll fahren.

Mit den Rennstart-Simulationen am Abend auf dem Marktplatz, in unmittelbarer Nähe eines Imbisses, eines Kiosks und einer Kneipe, soll jetzt Schluss sein. Die Wilhelmsburger SPD-Politiker Michael Weinreich und Kesbana Klein fordern das Bezirksamt Hamburg-Mitte auf, mit "geeigneten Maßnahmen" sicherzustellen, dass der "rollende Burnout" auf dem Markplatz und den Lieferzonen nicht mehr möglich ist. Die Verwaltung soll die beiden Zufahrten zu dem Marktplatz mit Schranken oder umklappbaren Pfeilern sperren. Die Markthändler, Ladenbesitzer und die Rettungsdienste würden Schlüssel erhalten, damit der Lieferverkehr möglich bleibt. Den Antrag mit dem Titel "Marktplatz in Kirchdorf-Süd sicher machen" bringt die SPD-Fraktion am Dienstag, 26. Februar, in den Regionalausschuss Wilhelmsburg ein.

Die Sozialdemokraten haben dort die absolute Mehrheit. Anwohner und Ladenbetreiber hätten den beiden SPD-Politikern von mehreren Beinaheunfällen berichtet. Seit Jahren würden junge Männer die Fußgängerzone vor der Ladenzeile am Erlerring für ihren brenzligen Freizeitspaß nutzen. "Polizeieinsätze", so heißt es weiter in dem SPD-Antrag, "konnten dieses gefährliche Verhalten auch nicht unterbinden."

Es ist schon haarsträubend, was ein Anwohner dem Bezirksversammlungsabgeordneten Michael Weinreich berichtet. Die Säulen vor den Läden, die ein Glasdach für einen überdachten Korridor stützen, würden die wilden Autofahrer als Slalom-Parcours missbrauchen. "Wenn in diesem Augenblick jemand aus der Kneipe kommt", schüttelt Weinreich nur den Kopf. Mit bis zu 70 km/h, so schätzt der Anwohner, sei einer der jungen Autofahrer in Richtung des Zebrastreifens vor dem Penny-Markt davongebraust.

Seinen Namen möchte der Anwohner nicht sagen. Nur so viel: Er lebe seit 33 Jahren in Kirchdorf-Süd. "Eine schöne Gegend", sagt er zu der Hochhaussiedlung, ein multikulturelles Quartier, das Mitte der 1970er-Jahre entstanden ist. Die Stadt hat das Betonquartier inzwischen mit zahlreichen grünen Inseln und Kinderspielplätzen baulich aufgewertet. Für Familien wurde viel gemacht.

Immer donnerstags ist Markttag in der kleinen Fußgängerzone am Erlerring. Fünf Händler bilden den kleinen Wochenmarkt. Ein Bäcker, ein Imbiss, ein Kiosk mit Poststelle, ein Friseur, die Kneipe "Pils Stube", eine Apotheke und ein Penny-Markt versorgen die knapp 6000 Einwohner der Hochhaussiedlung mit dem Nötigsten. Der Marktplatz ist der Treffpunkt des Quartiers. Die Fußgängerzone sei im Jahr 2001 mit Trinkwasserskulptur, Sitzgelegenheiten und Bäumen geschaffen worden, sagt Michael Weinreich. Mit den Reifenspuren, tiefen Spurrillen in den Pflastersteinen, entstehe ein zunehmend verwahrloster Gesamteindruck auf dem schönen Platz.

Michael Weinreich und Kesbana Klein haben auch ein zunehmend wildes Parken auf einer Fläche zwischen Ladenzeile und Penny-Markt beobachtet. Autofahrer fahren über die stets geöffnete Feuerwehrzufahrt auf den Marktplatz und stellen in der Fußgängerzone ihren Wagen ab. Für diese intensive Nutzung sei der Bodenbelag nicht vorgesehen, sagt Michael Weinreich. Das zerstöre den schönen Platz. Außerdem: "Die Sicherheit von Fußgängern und spielenden Kindern hat absoluten Vorrang", sagt er. Das Bezirksamt soll die Zufahrten deshalb so sichern, dass nur noch autorisierte Fahrzeuge sie nutzen können. Nur Feuerwehr, Polizei, Rettungswagen, Markthändler und Lieferfahrzeuge zu den Läden dürften in die Fußgängerzone fahren.