Ein Spaziergang rund um Harburger Schlossinsel und Lotsekai. Gorch von Blomberg fürchtet um die Ursprünglichkeit des Quartiers.

Harburg. Seine Liebe zum Harburger Binnenhafen entdeckte Gorch von Blomberg in den 80er-Jahren. Hier begann er als Jugendlicher seine Lehre als Bootsbauer bei einer Werft, die längst nicht mehr existiert. Eine ehemalige Freundin sollte im Rahmen ihres Studiums an einem Feldseminar teilnehmen. Es ging darum, hölzerne Hinweisschilder im Binnenhafen aufzustellen. "Damals bin ich einfach mitgegangen. Da hat mich der Hafen gepackt", sagt Gorch von Blomberg.

Hier im Binnenhafen machte sich von Blomberg Jahre später mit seinem eigenen Betrieb, natürlich einer Bootswerft, selbstständig. Der Bootsbauer wohnte auf seinem Betriebsgelände. Hier musste er seinen Betrieb aufgeben und sich beruflich neu orientieren. Und hier zeigt er, als Mitglied der Kulturwerkstatt und der Geschichtswerkstatt, den Menschen "seinen" Hafen.

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Der Spaziergang durch den Hafen beginnt im Konsul-Zimmer im alten Kontorhaus des Seehafen Kaibetriebs Renck & Hessenmüller am Kanalplatz 6. Gorch von Blomberg zeigt sich schnell als sattelfester Geschichtenerzähler. Er berichtet von der Keimzelle des Harburger Binnenhafens, der in seinen Grundzügen bereits in den Jahren 1845 bis 1850 angelegt wurde. Um 1850 wurde auch das Kontorhaus, das damals direkt am Weg zum Schloss lag, gebaut. Bis 1900 erlebte der Harburger Hafen zwei Ausbaustufen nach Londoner Vorbild. Schon damals war den Hamburgern die südliche Konkurrenz ein Dorn im Auge, denn der Harburger Hafen ist tideunabhängig. Heute würde man das Standortvorteil nennen. Der Köhlbrand versandete, Harburg, das damals noch zum englischen Königreich gehörte, wollte dort ausbaggern lassen. Aber die Hamburger verhinderten es. Und vor etwa 100 Jahren musste das Dorf Lauenbruch dem ersten Harburger Seehafenbecken weichen.

Mit den wichtigen Informationen zur Geschichte des Binnenhafens versorgt, beginnt der Spaziergang. "Ist der raue Charme des Hafens erst mal zerstört, ist alles vorbei", sagt von Blomberg, der sich mit den anderen Mitgliedern der Kulturwerkstatt dafür einsetzt, dass eben genau das nicht passiert. Vorbei geht es durch die Straße Kanalplatz an einem weiß getünchten lang gezogenen Gebäude aus den frühen Hafenjahren. "Was nur wenige wissen, dies ist unsere Harburger 'Fischauktionshalle'", erklärt von Blomberg. Sofort erscheint vor dem geistigen Auge die schicke Fischauktionshalle auf der anderen Seite der Elbe in Altona. "So prökelig das Ding zurzeit auch aussieht, dieses Gebäude ist Teil unseres Hafens. Solche Objekte zu erhalten, das ist uns wichtig", sagt er. Später wurde das Gebäude zur Hafenarbeiter Einteilungsstelle umfunktioniert. Hier haben die Hafenarbeiter jeden Morgen darauf gewartet, einen Job zugewiesen zu bekommen. Zuletzt war eine Autowerkstatt Mieterin des Gebäudes.

Neben der ehemaligen Fischhalle steht ein zweites Gebäude, Hamburgs angeblich ältester Kiosk. Die quadratische Blechhütte verdient eigentlich den Namen Gebäude kaum. Ursprünglich soll der Kiosk mal als Ruderhaus gebaut worden sein. Kiosk und Fischhalle sind das, was von Blomberg mit dem rauen Charme des Harburger Hafens meint, und beide sind nicht im Bebauungsplan für den neuen Binnenhafen mit schmucken Neubau-Wohnungen und Büros enthalten. Ihnen droht der Abriss. Das Amt für Denkmalschutz hat abgewinkt. Gorch von Blomberg hat einige Ideen, wie beide Gebäude erhalten bleiben könnten. Die Geschichtswerkstatt, derzeit Untermieter bei der Kulturwerkstatt, könnte ein eigenes Domizil in der Fischhalle finden.

Gorch von Blomberg biegt vom Kanalplatz rechts ein auf die Lotseklappbrücke über die Lotse. Sie ist die letzte Brücke, die in den 70er-Jahren im Harburger Binnenhafen von der Drehbrücke zur Klappbrücke umgebaut wurde. Früher sei sie, so von Blomberg, alle 15 Minuten geöffnet worden, weil der hohe Wasserverkehr es erforderte. Heute sind es in der Regel die Jugendlichen des Vereins RC Phoenix, die für Wasserverkehr unter der Brücke sorgen.

Der Binnenhafen sei ein eigenes Quartier außerhalb Harburgs. Von Blomberg schätzt die Einwohnerzahl im Harburger Hafen auf rund 100 Menschen, manche von ihnen leben auf Schiffen. Und die Wasserschutzpolizei habe sogar, sagt er, einen "Künabe", einen Küstennahen Beamten.

Durch die Zitadellenstraße geht es zum Harburger Schloss, wo wahrscheinlich die höchste Einwohnerdichte im Binnenhafen zu finden ist. Im Schloss sei immer mal wieder eine günstige Wohnung zu vermieten. Gegenüber entsteht gerade eines der Millionenprojekte im Binnenhafen - exklusives Wohnen am Wasser. "Ich finde es gut, dass hier auch hochwertiger Wohnraum geschaffen wird, aber im Binnenhafen müssen auch Menschen mit normalem Einkommen eine Wohnung finden können. Die Mischung muss stimmen", sagt von Blomberg. Dann zeigt er auf den fast fertig angelegten, von einem Bauzaun umgebenen IBA-Garten.

Da müsse erst die IBA kommen, damit dieses Schloss seinen ersten Schlosspark bekomme, so Gorch von Blomberg.

Zum rauen Charme des Harburger Binnenhafens gehört auch der alte Mulch-Kran am Lotsekai. Als 2006 der Tornado über Harburg fegte und einige Kräne im Hafen umknickte als seien es Streichhölzer, blieb der gelb angemalte Mulch-Kran verschont. Die Kulturwerkstatt hat ihn für 1,19 Euro der Firma Mulch abgekauft, mit viel Eigenleistung, Fördergeld und Spenden saniert und repariert. "Wir haben ausgerechnet", sagt von Blomberg, "dass dieser Kran zwischen 1972 und 2006 8,5 Millionen Tonnen Schüttgüter hin und her bewegt hat". Auch der Kran macht den rauen Charme des Harburger Binnenhafens aus. Die Kulturwerkstatt plant für die Zukunft Events rund um den Mulch-Kran.

"Öl und Gummi" heißt der nächste Rundgang der Kulturwerkstatt durch den Binnenhafen am Sonntag, 9. September. Treffen ist um 14 Uhr vor der Kulturwerkstatt, Kanalplatz 6. Unkostenbeitrag: 7,50 Euro, ermäßigt 5 Euro.