Die neue Feuerwehr-Doppelspitze warnt vor Mitgliederschwund. Zahlen seien alamierend. Gesetze erschweren den Brandschützern die Arbeit.

Laßrönne. Volker Bellmann ist neuer Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbandes und damit die politische Stimme der 108 Freiwilligen Feuerwehren im Landkreis Harburg. Überraschend hat die Delegiertenversammlung beim Kreisfeuerwehrtag am Sonnabend in Laßrönne bei Winsen den 46 Jahre alten Tiefbaupolier aus Maschen zum Verbandsvorsitzenden gewählt - und nicht den stellvertretenden Kreisbrandmeister Kay Wichmann, der als Favorit galt. Bellmann vereinigte 156 Stimmen auf sich, Wichmann nur 130.

Volker Bellmann ist damit auch der designierte neue Kreisbrandmeister ab 2015, wenn der jetzige Feuerwehrchef Dieter Reymers beim nächsten Kreisfeuerwehrtag in Salzhausen wie geplant aus diesem Amt ausscheiden wird. Eine Doppelspitze wie in der Übergangszeit jetzt ist bei der Feuerwehr nicht üblich. In der Regel übt der Kreisbrandmeister auch das Amt des Verbandsvorsitzenden aus.

Der Deutsche Feuerwehrverband ist die Interessenvertretung der Feuerwehren auf Bundes- und EU-Ebene. Entsprechend ist der Kreisfeuerwehrverband Landkreis Harburg das politische Sprachrohr seiner Freiwilligen Feuerwehren auf niedersächsischer Landesebene. Der Feuerwehrverband nimmt Einfluss auf den Gesetzgeber und die Regierung. An seinem letzten Tag als Kreisfeuerwehrverbandsvorsitzender hat Dieter Reymers am Sonnabend eindringlich an die Politik appelliert, das Ehrenamt in der Kreisfeuerwehr nicht zu schwächen. Immer neue Verordnungen, Gesetze und Dienstvorschriften, aber auch Veränderungen in der Arbeitswelt legten ehrenamtlichen Feuerwehrleuten Steine in den Weg. Mitglieder seien so für Führungsaufgaben nicht zu begeistern.

Neue Zahlen, die der niedersächsische Landesfeuerwehrverband in den vergangenen Tagen vorgelegt hat, seien alarmierend: Demnach ist die Anzahl der Freiwilligen Feuerwehrleute in Niedersachsen im vergangenen Jahr um drei Prozent geschrumpft. Die Jugendfeuerwehren in dem Land haben zwei Prozent ihrer Mitglieder verloren. Dagegen habe die Zahl der Brände deutlich zugenommen - plus 15 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr hat es zehn Prozent mehr Großfeuer in Niedersachsen gegeben. Aus der Polizeiinspektion Harburg ist zu hören, dass die Zahl der Verkehrsunfälle, bei denen Menschen getötet werden, wieder steige. Diese Entwicklung sei ein schleichender Prozess, der sich seit beinahe zehn Jahren fortsetze. Deshalb werde er außerhalb der Feuerwehren kaum wahrgenommen. Angesichts dieses gefährlichen Trends könne er nicht verstehen, so Reymers weiter, wenn einzelne Politiker immer noch nach dem Sinn einer Jugend- oder Kinderfeuerwehr fragen.

Sollte sich die Entwicklung fortsetzen, warnt der Kreisbrandmeister, würden die Feuerwehren in etwa zehn bis 15 Jahren in einen "roten Bereich" geführt, aus dem sie nie wieder herauskämen: "Einmal ein Mitglied verloren oder eine Feuerwehr aufgelöst, bedeutet in der heutigen Zeit einen nicht mehr umkehrbaren Verlust." Im vergangenen Jahr haben sich in Niedersachsen 13 Freiwillige Feuerwehren aufgelöst.

Im Landkreis Harburg wirke sich der Landestrend noch weniger stark aus. Mit 4597 aktiven Feuerwehrleuten und 1554 Jungen und Mädchen in den Jugendfeuerwehren sei hier die Mitgliederentwicklung in den Feuerwehren konstant. Alarmierende Anzeichen seien auch schon im Landkreis unübersehbar: Demnächst werden sich Ortsfeuerwehren zusammenschließen, einzelne Jugendfeuerwehren leiden an Nachwuchsmangel. "In zehn bis 15 Jahren wird es keine 108 Feuerwehren mehr geben", sagt Reymers voraus. Der Kreisbrandmeister appellierte an die Kreistagspolitiker, das Geld für einen Neubau der Feuerwehrtechnischen Zentrale bereitzustellen. Er sei sich zwar bewusst, dass der Neubau, der die jetzige 30 Jahre alte Ausbildungsstätte der Feuerwehr ablösen soll, viel Geld kostet. Es sei aber ein unhaltbarer Zustand, dass die Feuerwehr im Landkreis jeden zweiten Wunsch nach einem Lehrgang wegen der geringen Kapazitäten ablehnen müsse. "Der Neubau", verspricht Dieter Reymers, "wird keine zweite Elbphilharmonie."

In seiner kurzen Dankesrede kündigte der neue Feuerwehrverbandsvorsitzende Volker Bellmann an, sich dafür einzusetzen, das Ehrenamt in der Feuerwehr zu stärken. Etwa 20 Stunden in der Woche, so heißt es, erfordere das Ehrenamt des Verbandsvorsitzenden. Was das bedeutet, macht der Familienvater im Kreisfeuerwehrverband mit einer Aussage deutlich: Weitere Hobbys außer der Feuerwehr, sagt er, habe er nicht.