An der Harburger Schlossstraße werden Überreste aus mehr als 1000-jähriger Entwicklung Harburgs erwartet. Keramik und Münzen gefunden.

Harburg. Unter den weißen Zeltdächern, die zum Schutz vor Regen und Wind aufgestellt sind, kommt Harburgs stadtgeschichtliche Vergangenheit von voraussichtlich mehr als Tausend Jahren zurück ans Tageslicht. An der Harburger Schlossstraße 23 bis 27 sowie 43 bis 45 haben Archäologen im Auftrag der Bodendenkmalpflege des Helms-Museums seit Ausgrabungsbeginn im März bereits eine Tiefe von zwei Metern erreicht. "Wir sind auf eine Brandschicht aus dem 16. Jahrhundert gestoßen", strahlt Grabungsleiter Dr. Philip Lüth, "das Gebiet des Harburger Binnenhafens ist eine außerordentliche Schatzkammer für Archäologen."

Mit den freigelegten Brandschichten erhalten die Archäologen eine Bestätigungen zu Aufzeichnungen aus dem Hamburger Staatsarchiv. Im Archiv liegen Berichte vor zu Bränden in den Jahren 1532 und 1564, bei denen damals viele Gebäude vernichtet wurden. Von ihnen stecken jetzt nur noch die verkohlten Überreste im Untergrund. Heute wird vom Ausgrabungsteam jedes Fundstück untersucht und der Fundort mit Messgeräten genau festgehalten. Ausgegrabenes Holz wird zum Schutz vor Austrocknung und Verfall luftdicht in Folien eingepackt. 17 Männer und Frauen gehören dem Team an, neben Grabungsleiter Lüth der zweite Archäologe Kay-Peter Suchowa sowie zwei Grabungstechniker.

+++ Eindrucksvolle Einblicke +++

Eine Bohrung brachte zu Tage, dass die Besiedlung an der heutigen Harburger Schlossstraße bis in eine Tiefe von 4,70 Meter nachzuweisen ist. Es sind also noch weitere 2,70 Meter Erdreich behutsam mit Spaten, Schaufel, Spachtel und Pinsel abzutragen. Welche Siedlungskulturen dann noch zum Vorschein kommen, können die Archäologen noch nicht abschätzen. "Wir lassen uns ganz einfach überraschen", sagt Lüth. Harburgs Geschichte lässt sich unter anderem durch Funde auf der Schloßinsel gut 800 Jahre zurück datieren. In 4,70 Meter Tiefe könnten schon 1000 Jahre oder mehr an Zeitgeschichte wieder zum Vorschein kommen. Die Grabungen gehen dann in Tiefen unter der Wasserlinie des heutigen Kaufhauskanals. Früher mündete beim Kanal die Seeve in die Süderelbe.

Die Süderelbe ist im Gebiet von Schlossstraße und Schlossinsel - archäologisch eine sogenannte Talsandinsel - etwas schmaler, weshalb Händler auf dem Weg von und nach Hamburg oder auch Skandinavien die Schmalstelle zum Überqueren der Süderelbe nutzten. Am Handelsweg siedelten sich Dienstleister und Handwerker an, die Händler mit Kähnen übers Wasser brachten oder Handkarren und Pferdefuhrwerke reparierten. "Die Ausgrabungen verlaufen für uns sehr spannend, wir erwarten noch einige Überraschungen", sagt Lüth. Allerdings sitzt dem Grabungsteam der Zeitplan im Nacken. "Wir müssen bis Mai 2013 fertig sein", sagt der Grabungsleiter, "danach soll Baubeginn für das Neubauprojekt "Wohnen am Kaufhauskanal" sein.

Die Verhandlungen zwischen Bodendenkmalpflege und Bauinvestor laufen noch, damit nach Möglichkeit auch bei den Baggerarbeiten für das Neubauprojekt auf dem insgesamt 11 450 Quadratmeter großen Gelände sehr sorgsam der Untergrund aufgegraben wird. Am Kaufhauskanal soll unter anderem eine Tiefgarage entstehen. Lüth: "Unser archäologisches Schwerpunktgebiet begrenzt sich auf die Schloßstraße. Aber es können natürlich auch am Kanal noch Überraschungen lauern." Aus der jüngsten Geschichte wurden unter anderem Scherben von Keramik-Tellern und Töpfen oder auch Münzen gefunden.