Wie viel Wohnungen werden auf dem Gelände der ehemaligen Röttiger-Kaserne gebaut, wie viel Bäume gefällt? Ortstermin in Fischbek.

Neugraben. Wegen der Sommerhitze sorgen Traktoren mit Wassertanks für feuchte Wege. Auf dem 55 Hektar großen Gelände der ehemaligen Röttiger-Kaserne südlich der Cuxhavener Straße dauert der Abriss der alten Militäranlagen an, um Platz zu schaffen für künftigen Wohnungsbau mit 774 Einheiten. Die Feuchtigkeit soll helfen, Staub zu vermeiden.

Denn Staub soll zum Wohle der Bewohner von Neugraben-Fischbek möglichst wenig aufwirbeln. Gestern waren Besucher auf dem Gelände, die ebenfalls keinen Staub schlucken wollten. Andreas Dressel, Fraktionsvorsitzender der SPD in der hamburgischen Bürgerschaft, die SPD-Abgeordneten aus dem Süderelbe-Wahlkreis Brigitta Schulz und Matthias Czech, und nicht zuletzt, neben Harburgs Bezirksamtsleiter Thomas Völsch, auch der stellvertretende Bürgermeister Thomas Grambow aus der benachbarten Gemeinde Neu Wulmstorf. Sie ließen sich vom Vorstandsvorsitzenden der Sprinkenhof AG (SpriAG), Henning Tants, über das Abrissgelände führen und über den Stand der Dinge informieren. Die Sprinkenhof AG sorgt im Auftrag der Hamburger Finanzbehörde, die Eigentümerin des Geländes ist, für Abriss und Bebaubarkeit.

Auf politischer Ebene hat der Bebauungsplanentwurf Neugraben-Fischbek 66 in letzter Zeit mächtig viel Staub aufgewirbelt, gegen den Traktoren mit Wassertanks machtlos gewesen wären. Ursprünglich hatte der B-Planentwurf 450 Wohneinheiten auf dem an Wald und Heide grenzenden Gelände vorgesehen. Seit die Sozialdemokraten im Frühjahr 2011 in Hamburg wieder allein an der Regierung sind, sieht die Sache anders aus. Die Forderung nach mehr öffentlich gefördertem Wohnungsbau steht auf der Agenda. So stieg die Zahl von 450 auf 774 Einheiten. Gegen die dichtere Bebauung will eine von CDU und Grünen gestützte Initiative ein Bürgerbegehren beantragen.

+++ Verdachtsfläche +++

+++ Masterplan für Röttiger-Kaserne ausgehebelt +++

Zuletzt brachte die Ankündigung der Finanzbehörde, mehr als 2100 Bäume auf dem Gelände für die Kampfmittelsondierung fällen zu müssen, die Gemüter bei vielen Bewohnern der Region mächtig in Wallung. Ein inzwischen getroffener Senatsbeschluss hat für Beruhigung gesorgt. Es sollen nur noch Bäume gefällt werden, wenn bei der Sondierung eindeutige Hinweise vorliegen, dass Kampfmittel im Boden stecken. In Kürze solle ein neues Sondierungsverfahren erprobt werden, das noch vom Kampfmittelräumdienst der Hamburger Feuerwehr geprüft werde, erklärt SpriAG-Vorstand Henning Tants.

"Die Sondierung muss absolut sicher sein", sagt Bezirksamtsleiter Thomas Völsch, "ich möchte nicht erleben, dass in zehn Jahren ein Kind beim Buddeln in der Erde irgendeine Munition findet und dabei zu Schaden kommt." Das wäre das Schlimmste, das passieren könnte. Völsch: "Natürlich sind wir dafür, dass die Sondierung für die Umwelt so schonend wie möglich verläuft und viele Bäume stehen bleiben können."

Das Thema Baumerhalt berührt natürlich auch die Politik in der benachbarten niedersächsischen Gemeinde Neu Wulmstorf. Die Gemeinde möchte gemäß einem mit Hamburg und dem Landkreis Harburg vereinbarten Masterplan auf dem ans Kasernengelände angrenzenden ehemaligen Truppenübungsplatz auf gut 15 Hektar eine Waldsiedlung mit etwa 60 Grundstücken schaffen. Vize-Bürgermeister Thomas Grambow: "Wir könnten das Vorhaben vergessen, sollte für die Kampfmittelsondierung in dem Gebiet eine größere Zahl an Bäumen gefällt werden. Der Name Waldsiedlung wäre dann nicht mehr zu rechtfertigen." Grambow hofft auf bessere Sondierungsmöglichkeiten durch das neue Verfahren.

Manfred Schulz, Vorsitzender der Bezirksversammlung in Harburg, sieht in der dichteren Bebauung auf dem Röttiger-Areal keinen Nachteil für die Region. Zusätzlicher Wohnungsbau entstehe vornehmlich anstelle von Gewerbe entlang der Bundesstraße 73. Und öffentlich geförderter Wohnungsbau habe heute nichts mehr mit dem Siedlungsbau von früher zu tun. Und die Einkommensgrenzen lägen höher. Bewohner wäre beispielsweise der Polizist oder die Krankenschwester. Schulz: "Wer hätte die nicht gern zum Nachbarn." Und Vize-Bürgermeister Grambow sieht als Nachbar Hamburgs im Geschosswohnungsbau auch Vorteile für Neu Wulmstorf: "Bei uns ziehen junge Leute weg, die sich kein Haus leisten können. Sie könnten dann in der Nähe eine Wohnung beziehen. Und wenn Wohnraum an der Cuxhavener Straße entsteht, dürfte es schwierig werden, Argumente für die Ausweisung eines Gewerbegebiets auf der anderen Straßenseite zu finden."

SPD-Bürgerschaftsfraktionsvorsitzender Andreas Dressel hält für dringend erforderlich, viel deutlicher als bisher auf das künftige Wohnungsbaugebiet hinzuweisen. Bislang steht neben der Geländezufahrt nur ein kaum auffallendes Schild der SpriAG. Dressel: "Da muss etwas ganz Großes hin, das jedem, der vorbeikommt, auf einen Blick sagt, was hier passiert, und das sofort Interesse am Wohnen weckt."