Sie haben es gut: Die zwei jungen Frauen Madeleine Kindler aus Buxtehude und Marie Walter aus Himmelpforten feiern am 3. Oktober doppelt.

Buxtehude/Himmelpforten. Wenn Deutschland am Montag den 21. Jahrestag seiner Einheit feiert, pusten auch Madeleine Kindler und Marie Walter die Kerzen auf ihren Geburtstagstorten aus. Die zwei jungen Frauen haben am 3. Oktober Geburtstag, dem Tag, an dem aus BRD und DDR einfach nur Deutschland wurde.

Nun hat der Tag der Deutschen Einheit quasi von Geburt an das Problem, dass viele Menschen gar nicht so genau wissen, wofür er überhaupt steht. Fiel da etwa die Mauer? Ach nein, das war doch am 9. November 1989. Der 3. Oktober 1990 ist der Tag, an dem die DDR offiziell zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland beitrat.

Für Madeleine Kindler sind diese historischen Fakten zumindest klar, die Tatsache des identischen Geburtstagsdatums verpflichtet eben. Und doch gibt die Studentin der Hochschule 21 in Buxtehude ehrlich zu: "Ein großes Thema ist die deutsche Einheit für mich aber nicht." Den Grund dafür hat die gebürtige Bremerin, die im fünften Semester den dualen Studiengang "Bauen im Bestand" studiert, auch schon ausgemacht. "Ich glaube, das liegt einfach an meinem Alter."

Sie ist nämlich am 3. Oktober 1989 geboren, exakt ein Jahr, bevor die Einheit kam. Die Mauer in Berlin stand noch, als Madeleine das Licht der Welt erblickte. Erinnerungen daran hat sie natürlich nicht mehr, für sie gab es immer nur ein einziges Deutschland.

"Über meine Mutter haben wir Freunde in Berlin", erzählt Madeleine. Da hätte sie als Kind öfter mal etwas von den Veränderungen in den neuen Bundesländern mitbekommen. An Details kann sie sich aber nicht erinnern. Einen engeren Bezug zur ehemaligen DDR hat sie nicht, und sie kennt auch niemanden, der dort herkommt. Für Westdeutsche ist der Osten eben auch nach 21 Jahren noch sehr weit weg.

Für sie selbst sei es nie ein Unterschied gewesen, ob jemand aus der ehemaligen DDR oder der alten BRD kommt, sagt sie. Beim Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern oder in Brandenburg sei ihr auch nie aufgefallen, dass dort irgendwas anders ist. Alles war ganz normal. "Vielleicht witzelt man manchmal über Ossis oder so, aber das macht man ja auch bei Ostfriesen", räumt sie mit einem Grinsen ein.

Und dann bringt sie noch einen ganz besonderen Vorteil ins Spiel: Sie hat immer am Geburtstag frei, weil der auf einen Feiertag fällt. "Das ist natürlich super." Dementsprechend war sie von der Diskussion im Jahr 2004 wenig angetan, den Feiertag auf den ersten Sonntag im Oktober zu verlegen. Aber Gott sei Dank wurde der Gedanke schnell wieder fallen gelassen, alles blieb, wie es ist, und Madeleine Kindler konnte aufatmen. "Aber nicht nur wegen des freien Tages, sondern weil es wirklich ein wichtiger Tag für Deutschland ist, der erhalten bleiben sollte."

Aufatmen konnte auch die Himmelpfortenerin Marie Walter. Sie feiert am Montag ihren 26. Geburtstag. Die gelernte Bankkauffrau verlässt in diesen Tagen den Landkreis Stade. Beruflich zieht es sie nach Cuxhaven. Deshalb fällt ihr Geburtstag in diesem Jahr mitten in den Umzugsstress. Die Zeit mit ihrer Familie zu feiern, möchte sie sich aber auf jeden Fall nehmen.

"Es ist doch schön, am Geburtstag immer frei zu haben", sagt Marie mit einem Augenzwinkern. Die große politische Bedeutung von Deutschlands Nationalfeiertag sei ihr erst so richtig klar geworden, als es im Geschichtsunterricht in der Schule behandelt wurde. Sie glaubt, dass diese Bedeutung allerdings nicht jedem bewusst ist.

In den Köpfen vieler Menschen bestünde noch immer die Grenze zwischen West- und Ostdeutschland. Sie selbst war erst einmal in den neuen Bundesländern. Vor etwa drei Jahren besuchte sie ihren Bruder, der in Magdeburg studiert. Dort war sie überrascht, dass zumindest in dieser Stadt ein Unterschied zum Westen spürbar sei. "In Magdeburg gibt es viele Plattenbauten, alles wirkt grauer", sagt die gebürtige Himmelpfortenerin.

Derartige Unterschiede, die zum Beispiel auch an der höheren Arbeitslosenquote im Osten der Republik deutlich würden, führten dazu, dass es die Grenze im Bewusstsein vieler Menschen noch gebe. Diese sollte ihrer Ansicht nach nicht nur an einem Tag im Jahr verschwinden. Für sie sei der Feiertag am 3. Oktober selbst auch eher nebensächlich. Sie sagt: "Ich wache nicht auf und denke an Tag der Deutschen Einheit, sondern daran, dass ich Geburtstag habe."