Das Helms-Museum in Harburg zeigt in einer aktuellen Sonderausstellung, wie es in der Hansestadt Hamburg zur Eiszeit zuging.

Harburg. Hamburg vor 17 500 Jahren: Tundra so weit das Auge reicht. Die unbeweidete Landschaft ist vergleichbar mit der in Sibirien heute. An den sonnigsten Tagen im Sommer wird es auch mal 14 bis 15 Grad warm. Im Winter sinkt die Temperatur auf eisige minus 40 Grad. Bei Bad Oldesloe beginnt der Gletscher. Über Lübeck ragt er 3000 Meter hoch in die Himmel. Eine Alpenlandschaft, wo heute Touristen in der Ostsee baden.

Harburg, gestern Vormittag: Für 20 Minuten bietet die Helms-Lounge eine märchenhafte Erlebnis-Gastronomie. Passanten auf dem Museumsplatz beobachten eine archaische Szene: Vier Männer schleppen ein urzeitliches Bison die Stufen zur Café-Bar hinauf. Wenig später einen zotteligen Höhlenbären. Etwa 20 weitere Tiere von ungewöhnlich großem Wuchs folgen.

Alles sind lebensechte Nachbildungen von Tieren, die einst in Norddeutschland gelebt haben und längst ausgestorben sind. Das Bison-Modell wiegt etwa 180 Kilo. Dr. Michael Merkel, der Münchener Tierpräparator Dieter Luksch und seine zwei Mitarbeiter tragen die wohl spektakulärsten Exponate der neuen Sonderaustellung des Archäologischen Museums Hamburg in den Ausstellungssaal. Die Ausstellung "Eiszeit in Hamburg" beginnt am 29. September und wird bis zum 26. Februar in Harburg zu sehen sein.

Blickfang der Sonderausstellung wird ein gut 3,60 Meter hohes Mammut mit gewaltigen Stoßzähnen sein. Das Modell koste etwa 30 000 bis 35 000 Euro, sagt Dieter Luksch. Das Museum leiht sich von ihm insgesamt 27 Nachbildungen von urzeitlichen Lebewesen aus und zeigt sie auf 330 Quadratmeter Ausstellungsfläche.

Kurator der Ausstellung ist Dr. Michael Merkel, 46, Wissenschaftler am Archäologischen Museum Hamburg in Harburg. "Wir leben heute immer noch in der Eiszeit", sagt der Experte. Auch wenn Mammuts nicht mehr auf dem Planeten existieren, herrscht aus wissenschaftlicher Sicht immer noch Eiszeit. Grund für diese Zeitrechnung seien die Polkappen, das Eis der Antarktis und der Arktis. Laien haben diese Erkenntnis spätestens seit diesem Sommer zumindest geahnt.

Dank der gestarteten Inventarisierung, die digitale Erfassung all dessen, was in den Magazinen schlummert, entdecken die Mitarbeiter des Archäologischen Museums in Vergessenheit geratene Fundstücke. Einige davon werden in der Sonderaustellung zu sehen sein. "Nach einer Ausgrabung im Magazin", scherzt Michael Merkel.

Die Eiszeitmenschen, revidiert Michael Merkel ein noch weit verbreitetes Bild, seien nicht Trottel gewesen, die den Mammuts hinterhergelaufen sein: "Sie waren hoch spezialisierte Jäger mit einer eigenen Kultur."

Ein faustgroßer Stein mit vielen spitzen Kanten und Kerben ist für Wissenschaftler von hohem Wert. Aus dem sogenannten "Kernstein von Undeloh" haben unsere Vorfahren Werkzeuge geschlagen. Das Archäologische Museum zeigt das 42 000 Jahre alte Fundstück aus dem Landkreis Harburg ist in seiner Sonderaustellung. Thema ist auch der Alltag der eiszeitlichen Jäger.

Michael Merkels Lieblingsausstellungsstücke sind Überreste der Urtiere, die Sammler noch heute am Ufer der Elbe entdecken und dem Museum übergeben: Fragmente von Tierhüften oder einen 30 Zentimeter dicken Backenzahn eines Mammuts. Etwa zwei- bis dreimal im Jahr, sagt der Wissenschaftler, würden solche Knochen aus der Eiszeit an der Elbe entdeckt.

Die Bevölkerung wird voraussichtlich zumindest in den nächsten zwei Jahren auf die Präsentation solch fantastischer archäologischer Fundstücke verzichten müssen. Der Wirtschaftplan der Stiftung historischer Museen, der auch das Helms-Museum in Harburg angehört, sieht keine Gelder für Sonderausstellungen vor. "Wie es mit Sonderausstellungen bei uns weitergeht", sagt Dr. Michael Merkel, "vermag ich zurzeit nicht zu sagen."