Wir führten ein Interview mit dem Bauunternehmer über den Binnenhafen und seine Vorstellungen von der Harburger Innenstadt.

Harburg. Efeu rankt sich am Gebäude der alten Schmirgelfabrik an der Blohmstraße hoch. Weg geschnitten wird er nicht. Bauunternehmer Arne Weber gefällt der Mix zwischen Tradition, Moderne und angejahrtem Industriecharme. Platz für ein Stück Wildnis lässt Mr. Binnenhafen auch zu. Der Hype um Harburgs Hafencity, der Investoren und Mieter an den Channel anziehen, entlockt ihm nur ein müdes Lächeln. Er hat noch viel vor im Binnenhafen. Doch nicht nur über neue Bauprojekte brütet der Chef des Unternehmens HC Hagemann, ihn lässt die Entwicklung des Stadtteils nicht kalt. Harburg - ein emotionales Thema.

Hamburger Abendblatt: Herr Weber, vor einigen Monaten legte Ihr alter Helgoland Dampfer "Seute Deern" plötzlich vom Ankerplatz am Kaufhauskanal ab und schipperte an den Ziegelwiesenkanal. HC Hagemann renovierte einen alten Industriekran und stellte ihn mitten in eine Baustellenbrache. Da geht doch was.

Arne Weber: Ich bin immer noch fasziniert vom Flair des Binnenhafens. Das Nebeneinander von Hightech-Bürokomplex und einem 400 Jahre alten Fachwerkhaus - wo hat man das sonst noch in Hamburg. Am Ziegelwiesenkanal herrscht eine besondere Stimmung. Da, wo mein Schiff jetzt liegt, wollen wir eine schöne Promenade bauen - ein guter Ausgangspunkt für weitere Ideen. Außerdem legen wir bald los mit einem Bürogebäude. Es wird an der Drehbrücke neben der Segelmacherei entstehen, dort, wo jetzt ein Parkplatz ist. Außerdem haben wir etwas mit dem Bornemannschen Haus vor. Es ist ein schönes Gebäude, das erhalten werden muss. Einfach so Bürogebäude hinklotzen, das ist nicht unsere Philosophie.

Hamburger Abendblatt: ...und würde wohl auch das besondere Flair kaputt machen.

Arne Weber: Richtig. Der Spannungsbogen aus Alt und Neu, das ist ein Alleinstellungsmerkmal, das die Leute anzieht. Und dann ist Wohnen und Arbeiten am Wasser immer schon attraktiv für die Menschen gewesen.

Hamburger Abendblatt: Einige Harburger bedauern, dass Investoren sich die Aufbruchstimmung zunutze machen, Gebäudefluchten hochziehen und sich nicht viel um Wohn- und Lebensqualität der Menschen kümmern. So fehlen bei den Planungen Spielplätze und Einkaufsmöglichkeiten.

Arne Weber: Stimmt. Gerade das sind Faktoren, die junge Familien interessieren, die hierher ziehen wollen. Die wollen wissen, wieweit es zum nächsten Spielplatz ist und ob in der Nachbarschaft in den kommenden zehn Jahren gebuddelt wird. Wo wird es Grünflächen geben, wo Kneipen und Supermärkte? Ich bin dafür, dass eine Binnenhafen-Entwicklungsgesellschaft hermuss und dass ein Masterplan über die Gegebenheiten erstellt werden muss.

Hamburger Abendblatt: Das wäre bestimmt auch im Hinblick auf die Innenstadt hilfreich, um Standortperspektiven zu schaffen.

Arne Weber: Ja, die Innenstadt, das Elendshauptquartier. Karstadt sieht aus wie ein altes DDR-Kaufhaus. Die Lüneburger Straße verkommt immer mehr.

Hamburger Abendblatt: Was würde Arne Weber dagegen unternehmen?

(Der Bauunternehmer wird lebhaft, schnappt sich einen Kugelschreiber und bittet um ein Blatt Papier. Er fängt an, zu zeichnen.)

Arne Weber: Das Phoenix-Center zieht die Kaufkraft ab. Die City braucht ein Alleinstellungsmerkmal, etwas, dass es nirgendwo sonst gibt. Ein Kaufhaus der Kulturen, dass sowohl deutsche als auch Migranten anzieht, wo man außergewöhnliche Produkte kaufen kann, wo Künstler mit Migrationshintergrund ausstellen und Konzerte ausrichten können. Und wieso nicht so ein Restaurant wie "Vapiano" (mit mediterranen Spezialitäten, die Red.) ansiedeln. Das zieht andere Unternehmer nach sich. Die BID-Leute müssten einfach aktiver werden. Man muss sich trauen, in der Innenstadt einfach mal einen brachialen Schnitt zu machen. So eine verfahrene Situation wie mit dem Unternehmer Hans-Dieter Lindberg, seinem maroden Harburg-Center und dem Schmuddel-Tunnel - das geht doch schon seit Jahren so. Weshalb beendet man nicht diesen unerträglichen Zustand - das ist mir ein Rätsel.

Hamburger Abendblatt: Was fällt Ihnen noch ein?

Arne Weber: Ich bin ein Fan des Wochenmarktes. Meine Mutter, sie ist nun 98 Jahre alt, hat für uns früher jeden Tag frisch eingekauft. Da gab es Birnen, Bohnen und Speck oder mal Steckrübeneintopf, alles Gemüse und Fleisch auf dem Markt besorgt. Der Platz am Sand ist schön. Weshalb wird da an den Nachmittag in Top-Lage ein Parkplatz draus?

(Weber gerät in Rage.)

So etwas kann doch nicht sein. Auch an dieser Stelle muss ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen werden. Wieso nicht ein luftiges Zelt installieren, das an den Seiten offen ist und das man bei Bedarf einziehen kann? Das würde es nirgendwo sonst geben und die Leute anlocken. Dann müsste sich noch an der Präsentation der Stände etwas ändern. Wär doch toll.

Hamburger Abendblatt: Fehlt Ihnen noch etwas in der Stadt?

Arne Weber: Eine vernünftige Querung zum Binnenhafen über die Bahngleise. Auf einen Tunnel können wir noch jahrelang warten. Und eine Landschaftsbrücke wie sie von einigen Politikern gewünscht wird, mag ja nett sein, ist aber unrealistisch und zu teuer.

Hamburger Abendblatt: Was tun?

Arne Weber: Wir bauen einen Deckel. Den kann man begrünen und an den Seiten mit transparentem Lärmschutz ausstatten. Dort kann man rauffahren und gehen. Das ist machbar und verschlingt nicht ein Vermögen.

Hamburger Abendblatt: Weshalb tut man sich in Harburg so schwer, Planungen aufzugreifen und einfach mal loszulegen?

Arne Weber: Es fehlt an Mut, an Ideen. Als ich 1990 mit dem Channel loslegte, haben mich alle ausgelacht. Und jetzt...

(Weber nimmt seine Brille ab, faltet die Hände auf dem Schreibtisch und lächelt.)