Die Auswahl im Hamburger Süden ist nicht groß, die Interessenten stehen Schlange

Harburg. Zwei Zimmer im Grünen im Herzen Harburgs an der Würffelstraße, 64 Quadratmeter, Vollbad, gute Verkehrsanbindung, Keller, Kabel-TV, 358 Euro Miete, zuzüglich Nebenkosten: Die Anzeige der Wohnungsbaugesellschaft Saga GWG klingt verheißungsvoll. "Mal sehen, ich bin skeptisch, habe mir schon fast 200 Wohnungen angeschaut", sagt der 42 Jahre alte Torsten H. Bei jeder Besichtigung hatte der Wilhelmsburger reichlich Konkurrenz. "Jedes Mal waren mehr als 20 Leute da", sagt er.

Wie berichtet, sind in Hamburg Wohnungen knapp. Auch im Hamburger Süden ist die Auswahl nicht groß. Seit Anfang 2000 ist nicht mehr in den sozialen Wohnungsbau investiert worden. "Neubauwohnungen sind sehr begehrt und schnell weg", sagt Makler Armin Stahl. Und billig ist Wohnraum in Harburg schon längst nicht mehr. "Preise bis zu elf Euro pro Quadratmeter sind keine Seltenheit mehr", sagt der Makler. "Aktuell müssen Mietinteressenten im Hamburger Süden durchschnittlich mit 7 bis 10 Euro pro Quadratmeter rechnen. Das bedeutet für eine Familie mit zwei Kindern etwa 800 Euro Warmmiete", sagt Siegmund Lorenscheid von der Firma Haferkamp Immobilien. "In Harburg ist die Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen stark angestiegen. An einigen Tagen erreichen uns bis zu 350 Anfragen."

Kein Wunder, dass es einen Run auf günstige Wohnungen, wie sie die Saga an der Würffelstraße anbietet, gibt. Torsten H. ist daher sehr erstaunt, dass sich außer ihm kein weiterer Bewerber vor dem Hochhaus eingefunden hat. "Diese Wohnung ist bestimmt unter der Hand vermittelt worden. Ich habe schon einiges bei meiner Suche erlebt." Der Lagerarbeiter will so schnell wie möglich umziehen, denn in seiner Wohnung in Wilhelmsburg "springt mich der Schimmel schon an, wenn ich zur Tür hereinkomme", sagt der Familienvater. Er will nicht riskieren, dass sein 16 Jahre alter Sohn krank wird. Auf der Elbinsel sei "seitdem das Gebiet von Bau- und Gartenausstellung überplant wird, nichts preiswertes mehr zu haben". H. ist enttäuscht, dass er vergebens gekommen ist. "Aber vielleicht klappt es beim nächsten Mal."

4000 Wohnungen sollen nach den Ankündigungen von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) jährlich in Hamburg neu gebaut werden - "etwa 900 in Harburg", sagt Jürgen Heimath, Vorsitzender der SPD-Bezirksversammlungsfraktion. Ein Ziel, das dieses Jahr nicht mehr erreicht wird. Denn zuvor müssen Politik und Verwaltung ein Wohnungsbaukonzept erstellen, "damit die aktuelle Unterversorgung langfristig beseitigt werden kann", so Heimath.

Investoren, Bürger und Vertreter der Politik sollen sich an einen Tisch setzen. Noch vor den Sommerferien, so der SPD-Chef, soll das Konzept fertig sein, sodass die Konferenzmitglieder bereits im Herbst tagen können. Das ist Immobiliengenossenschaften wie der Saga recht. "In Sachen Wohnungsbau kommt es auf die Politik an. Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden", sagt Saga-Sprecherin Kerstin Matzen. Soll heißen: Die Saga benötigt Flächen. Das fordern auch die Makler. "Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage in den nächsten Jahren noch steigen wird. Daher sind die geplanten Neubauprojekte wie unter anderem die Harburger Schlossinsel von großer Relevanz, aber nicht ausreichend. Es müssen noch weitere Quartiere erschlossen werden", sagt Siegmund Lorenscheid von Haferkamp Immobilien.

20 000 Mietwohnungen hat die Saga im Hamburger Süden im Bestand. "Es ist richtig, dass IBA und igs für eine erhöhte Nachfrage auf dem Wilhelmsburger Wohnungsmarkt sorgen", sagt Matzen. Diese Entwicklung sei auch in Harburg zu spüren. "Hier leben sehr viele Senioren. Für diese Menschen müssen altersgerechte Wohnungen geschaffen werden", sagt die Saga-Sprecherin. Heimath wünscht sich vor allen Dingen mehr bezahlbaren Wohnraum "für junge Familien".

Dass in diesem Bereich die Nachfrage sehr hoch ist, zeigt ein Ortstermin bei einer Hausbesichtigung am Luhering in Neuwiedenthal. Hier bietet die Saga ein 105 Quadratmeter großes Reihenhaus mit Garten, Vollbad und Keller für 738 Euro plus 191,50 Euro Nebenkosten an. Es gibt 40 Bewerber, viele Familien sind gekommen.

"Wir suchen schon seit einem Jahr eine neue Wohnung", sagt Swetlana Weber, die mit ihrem Mann Wladimir und ihrem drei Jahre alten Sohn Roman den Vorgarten bewundert. "Unsere alte Wohnung in Neuwiedenthal ist zu klein geworden. Außerdem ist der Kleine behindert. Es ist mir zu schwer geworden, ihn und den Rollstuhl in den dritten Stock zu tragen", sagt sie. Hier sind es nur drei Stufen, die sie bewältigen müsste. "Es wäre so schön, wenn wir endlich Glück hätten." Ihr Mann nickt. Wenn da nur nicht die anderen wären. Melanie Weiß, schwanger und Mutter von bald sieben Kindern, sucht ebenfalls händeringend eine neue Bleibe. Immer wieder hatte sie nach Wohnungsbesichtigungen Pech. "Mein Mann ist Farbiger. Wir sind immer die ersten, die abgelehnt werden."

Bekir Sancer und Ivonne Claussen sind sich sicher, "dass man einfach nur einen guten Job braucht, um ein Haus wie dieses zu mieten. Ich bin im Moment leider ohne feste Beschäftigung", sagt Sancer. Beide leben mit ihren drei Kindern in Heimfeld, in einer Dachgeschosswohnung. Das Reihenhaus ist schon das zwölfte Objekt, das sie sich angucken. "Ich jobbe bei der Nachbarschaftshilfe in Kirchdorf-Süd", sagt Sancer.

Einen Kriterienkatalog, so Matzen, habe die Saga nicht aufgestellt. "Es geht in einigen Fällen nach Bedürftigkeit." Und auf die Frage, ob Hautfarbe und Herkunft ebenso eine Rolle bei der Wohnungsvergabe spielen: "Wir achten auf eine gute Durchmischung."

Das ist auch ein Thema bei der aktuellen politischen Debatte über Wohnen in Harburg. Die CDU hatte sich in den vergangenen Jahren verstärkt dafür eingesetzt, dass Quartiere für gut verdienende Klientel - so etwa im künftigen Binnenhafen-Gebiet "Harburger Brücken" - entsteht. Uniforme Siedlungen mit überwiegendem Bestand an Mietern, die in prekären Wohnverhältnissen leben - so hieß es bei den Christdemokraten - habe man schon genug. In der Vergangenheit sei zu wenig auf die Wirkung von gesellschaftlichen Strukturen geachtet worden.

Auch das soll sich, geht es nach dem Willen der Sozialdemokraten, die nun die Mehrheit in der Bezirksversammlung stellen, ändern.