Bezirksversammlung hat kaum Antworten auf Bürgerfragen

Harburg. Tag für Tag ärgert sich Abendblatt-Leserin Helga Gericke über die Verwahrlosung in der Harburger Innenstadt. Sie traut sich nicht mehr, auf den Rathausplatz zu gehen, da sich dort eine große Gruppe Trinker aufhält. Jetzt hat sie die Bürgerfragestunde während der Bezirksversammlung dazu genutzt, um die Ortspolitiker dazu zu bewegen, gegen die Harburger Missstände etwas zu unternehmen. "Besonders das ehemalige Harburg-Center mit der Therme fällt unangenehm auf. Mit welchem Recht lässt ein Eigentümer eine Immobilie verkommen?", fragt sie in die Runde. Außerdem fordert sie ein Alkoholverbot auf dem Rathausplatz. "Die exhibitionistische Hardcore-Trinkerszene ist aggressiv. Warum wird das geduldet?" Seit fast 60 Jahren lebe sie nun schon in Harburg. "Und es wird immer schlimmer mit dem Elend."

Viele Bezirksversammlungsabgeordnete blicken betreten zu Boden, wühlen in ihren Papieren. Rainer Bliefernicht, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion in der Bezirksversammlung, tritt ans Rednerpult. "Wir haben wenig Einfluss auf die Grundstückseigentümer", sagt er. Das Thema Verwahrlosung brenne allen auf der Seele. "Das BID unternimmt schon viel, um die Innenstadt attraktiver zu gestalten. Irgendwann werden wir wieder erfreut durch die City spazieren." Ronald Preuß, Fraktionsvorsitzender der Grünen, gibt ihm recht: "Dem Bezirk sind die Hände gebunden."

Und zu den Trinkern auf dem Rathausplatz sagt Preuß: "Wir wollen keinen drastischen Weg gehen. Wenn ein Alkoholverbot ausgesprochen wird, siedelt sich die Szene woanders an." Daher sei für "aufsuchende Sozialarbeit" Geld aus EU-Programmen locker gemacht worden. Psychologisch geschultes Personal soll die betrunkenen Harburger aufsuchen und sie dazu animieren, einen Job anzunehmen und eine Entziehungskur zu machen. Zwei Jahre läuft das Programm, 30 000 Euro sind dafür vorgesehen. Diese Maßnahme wird auch von CDU und SPD unterstützt. Einzig die Liberalen schließen sich dem Konsens nicht an. "Das wird nichts bringen", sagt Kurt Duwe (FDP).

Achselzucken auch bei einer weiteren Bürgerfrage. "Weshalb setzen Sie sich hier nicht endlich für ein Alkoholverbot in den S-Bahnen ein? Es ist gefährlich, abends nach Harburg zu fahren. In allen Waggons sind pöbelnde, gewaltbereite Leute. Alle Sitze sind dreckig", sagt aufgebracht ein älterer Harburger. "Wir können nichts machen", sagt Jürgen Heimath, Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Bezirksversammlung. Helga Gericke verlässt die Sitzung. Auch der Rentner geht kopfschüttelnd aus dem Saal.

Unterdessen sind die Ortspolitiker in Rage geraten und suchen sich die Liberalen als Prügelknaben aus. Die FDP hatte einen Antrag eingebracht, nachdem das sogenannte Bergedorfer Modell zur Eindämmung von Jugendkriminalität auch in Harburg eingesetzt werden könnte. Durch eine stärkere Verzahnung straf- und familienrechtlicher Maßnahmen versucht Richter Olof Masch am Bergedorfer Amtsgericht, jugendliche Täter in die Schranken zu weisen - laut einer internen Statistik mit Erfolg. "Masch könnte im Innenausschuss darüber berichten. Vielleicht können wir diesen Ansatz auch hier verfolgen", so Immo von Eitzen (FDP). "So ein Unsinn", murmelt Fischer. Es sei effektiver, Gerichtsverfahren zu beschleunigen. Und Heinke Ehlers (GAL): "Sie von der FDP brauchen wohl Nachhilfeunterricht in Staatsbürgerkunde. Wir können dieses Modell doch nicht einfach übernehmen."

Eine weitere Watsche gab es für den Vorschlag der Liberalen, ein Forschungsstipendium über die Geschichte Harburgs zu vergeben. "Zu teuer", sagt der CDU-Bezirksversammlungsabgeordnete Siegfried Bonhage.