Drei Musiker haben sich in Dibbersen zu einem in Norddeutschland ungewöhnlichen Instrumental-Trio zusammengefunden

Buchholz. Was ist schiefgelaufen, wenn gestandene norddeutsche Männer in bayerische Trachten schlüpfen? "Gar nichts", sagt Heinrich Frommann. Das jenseits des Weißwurst-Äquators verortete Folklorekostüm passe einfach besser zu seiner Lieblingsbeschäftigung. Sehe ja auch irgendwie komisch aus - Alphornblasen im handelsüblichen Friesennerz.

Deshalb öffnet der Mann aus Dibbersen konsequenterweise in weißen Kniestrümpfen, Lederhose und grüner Weste die Tür. Statt naheliegender Begrüßungsfloskeln wie "Grüß Gott" oder "Servus" empfängt der 75-Jährige aber seinem Wohnort entsprechend mit "Moin, moin". Ein Kontrapunkt, der verwirrt.

Für Heinrich Frommann sind der entlarvende Akzent und die Tatsache, dass er in der norddeutschen Tiefebene heimisch ist, kein Widerspruch zur volkstümlichen Tracht: "Das passt sehr gut", sagt er, lacht und schiebt hinterher: "Wir sind schließlich die erste plattdeutsch sprechende Alphornbläsergruppe weltweit." In erster Linie sind die Alphornbläser aus der Nordheide aber die ersten norddeutschen Musiker, die sich dem Hochgebirgsinstrument verschrieben haben.

Es ist Sonntagmorgen. Probentag. Drei Alphornbläser stehen in Heinrich Frommanns Keller, ihre 3,6 Meter langen Instrumente passen gerade noch rein. Neben dem Hausherrn blasen Hans-Jürgen Spillner und Christiane Kuthe ins Horn. Erhaben quillt Ton für Ton aus den nach unten dicker werdenden Rohren. Der mehrstimmige Klang bläst gewaltig, drückt von allen Seiten, lässt das Trommelfell zittern. Würden jetzt noch irgendwo die Alpen rumstehen - es wäre wie Urlaub im Schweizer Bergland. "Die Experten streiten sich allerdings, ob das Alphorn wirklich aus der Schweiz oder aus dem Allgäu kommt", sagt Christiane Kuthe. Fest stehe nur, dass es ursprünglich von Almbewohnern und Berghirten als Signalinstrument verwendet wurde.

Für die Gruppe, niemand ist Almhirte, stand anfangs nicht der Brauch im Vordergrund. Vielmehr war es das Instrument. "Während meiner Lehre an der Hotelfachschule bin ich das erste Mal mit dem Alphorn in Berührung gekommen. Von da an hat mich das Instrument fasziniert", sagt Heinrich Frommann. Vor 15 Jahren machte er dann Ernst. Mit Heinz Wessel - beide Blechbläser - gründete er eine Alphornbläser-Gruppe. Die erste Norddeutschlands. "Eine Schnapsidee."

Mitmusikant Wessel ist mittlerweile altersbedingt ausgestiegen, doch als Trio pflegt die Gruppe alpenländische Kultur - mitten in Dibbersen. "Es ist ein Klang, der unter die Haut geht", schwärmt Hans-Jürgen Spillner. "Besonders das mehrstimmige Spielen, erst seit 100 Jahren en vogue, ist ein Genuss", ergänzt Christiane Kuthe. "Es macht einfach Spaß zu dritt", sagt Heinrich Frommann. Damit ist die Motivation der ungewöhnlichen Gruppe auch schon recht treffend umrissen: Musikalität, Gruppendynamik, Spaß.

Mit ihrer Kunst, Alpenflair ins norddeutsche Tiefland zu bringen, schaffte es die Dibbersener Gruppe bereits fünf Mal ins Fernsehen, eine New Yorker Zeitung widmete den Bläsern sogar eine ganze Seite. Zahlreiche Auftritte in Mecklenburg-Vorpommern, der Eifel und natürlich den Alpenanrainern füllen den jährlichen Terminkalender.

"Eines der schönsten Erlebnisse war sicherlich, während der Fußballweltmeisterschaft 2006 die Schweizer Fangemeinde auf dem Bahnhof Hannover zu begrüßen", sagt Heinrich Frommann. Auch vor dem Spiel der Eidgenossen in Hamburg gegen Togo überbrachten die Dibbersener Alphornbläser einen Willkommensgruß.

Egal, wo die Bläser auftauchen - ob im Schweizer Generalkonsulat, beim Hafengeburtstag oder im Bad Doberaner Münster - Aufmerksamkeit ist ihnen gewiss. Auch das sei ein Reiz, das Alphorn zu blasen.

Und worauf kommt es beim Musizieren an? "Das große Instrument erfordert eine spezielle Bauchatmung, man braucht schon ein paar Jahre Erfahrung. Außerdem gibt es keine Klappen oder Ventile, deshalb muss man mit den Naturtönen auskommen", sagt Christiane Kuthe. Tonhöhen werden per Luftdruck und Lippenspannung erzeugt.

Dabei gilt: "Straffe Lippe - hoher Ton, schlaffe Lippe - tiefer Ton", so Hans-Jürgen Spillner. Überdies ist das Hobby nicht ganz preiswert. Pro Meter Alphorn könne man 500 Euro rechnen. Das Instrument werde aus hartem Gebirgsfichtenholz hergestellt, "je härter, desto besser", so Heinrich Frommann.

Für die Stücke, die drei Bläser spielen, gilt indes: je kürzer, desto besser. Und so übersteigt kaum ein Lied die Drei-Minuten-Grenze. Denn eines wird angesichts der dicken Wangen und des angestrengten Gesichtsausdrucks der Gruppe klar: Beim Blasen des Alphorns kommt man ganz schön aus der Puste.