In der Westerschule Finkenwerder steht Platt auf dem Lehrplan. Die Kinder sollen die Sprache ihrer Großeltern kennenlernen und bewahren. Experten haben allerdings Zweifel am Erfolg.

Finkenwerder. Een jeden so, as hei kann - so lautet bisher das Prinzip, wenn es um Plattdeutsch-Unterricht an Hamburger Schulen geht. Ist das Interesse von Schülern sowie Eltern groß und gibt es entsprechend sprachlich ausgebildete Lehrkräfte, findet sich Platt schon mal auf dem einen oder anderen Lehrplan.

Ab Sommer wird es in Sachen "Platt verstohn und vertelln" zumindest im Hamburger Süden etwas verbindlicher. "Es wurde ein Rahmenplan aufgestellt, nachdem es in vier Regionen möglich sein soll, Platt als Wahlpflichtfach auf den Stundenplan zu heben", so eine Sprecherin der Schulbehörde. Und das sind Gebiete, in denen noch heute Platt gesprochen wird: die Vier- und Marschlande, Neuenfelde, Cranz sowie Finkenwerder. Langfristig soll es in allen Hamburger Schulen zum Unterrichtsangebot im Wahlpflichtbereich gehören.

Allerdings weiß man noch nicht so recht, woher die Lehrer kommen sollen. "Ab 2011 gibt es Absolventen der Universität Hamburg, die Plattdeutsch lehren könnten. Das sind Studenten, die fremdsprachliche Fächer belegt haben, darunter auch ein Modul Niederdeutsch", so die Behördensprecherin.

Es sei noch offen, ob Platt lediglich an Primarschulen angeboten werde. Man betrete ein Stück Neuland mit diesem Fach. Ein Lehrbuch gibt es indes schon: Das "Schriefwark" von Bolko Bullerdiek, erschienen im Quickborn-Verlag. Dort bezweifelt man indes, dass sich viele Kinder für diese Fremdsprache interessieren werden. "Das wäre sehr positiv. Aber es ist doch so, dass die Kleinen damit später im Berufsleben nicht viel anfangen können. Da entscheiden die sich vielleicht eher für andere Aktivitäten wie PC-Kurse oder Englisch", sagt Peer Marten Scheller vom Quickborn-Verlag.

Auch Autor Bolko Bullerdiek, der zwölf Jahre lang an der Finkenwerder Westerschule Plattdeutsch-Unterricht gab, ist skeptisch. Selbst für Finkenwerder, wo es in der einen und anderen Familie noch üblich ist, plattdeutsch zu reden, prophezeit er: "Ok op Finkwarder is de plattdüütsche Sprook in den Ünnergang - so as in annern Gegenden von Norddüütschland", sagt er.

Soll die Sprache Bestand haben, seien Eltern und Großeltern in der Pflicht, nicht die Schule. "Wi köönt nich von de School de Rettung verlangen för dat, wat de Familien verbummeln." Doch seine Kollegin, Lehrerin Uta Heinrich (45), seit 1992 an der Westerschule tätig und für den Plattdeutsch-Unterricht zuständig, ist optimistischer. Für sie ist plattsnacken mit ihren kleinen Schülern Alltag. Im Alten Land aufgewachsen, war diese Sprache für sie allgegenwärtig, ist es noch. Mit viel Herzblut und Elan gestaltet sie den Unterricht, studiert Sketche und Lieder mit den Lütten ein. Ihr neuestes Projekt: Mit dem Plattdeutsch-Wahlpflichtkursus der dritten Klassenstufe will sie ein Stabpuppenspiel aufführen - "Der dicke fette Pfannekuchen" op Platt. "Ich beschränke es nicht nur auf den Wahlfachunterricht, mit den Lütten Platt zu sprechen. Das machen wir auch manchmal auf dem Schulhof oder in der Deutschstunde", berichtet sie dem Abendblatt. An der Westerschule ist Plattsnacken dank der berühmtesten Schüler der 350 Jahre bestehenden Schule Tradition. Einst büffelten hier die Brüder Johann Wilhelm Kinau (1880 bis 1916), auch bekannt als Gorch Fock, und Rudolf Kinau (1887 bis 1975) Einmaleins und Abc.

Damals wie heute gilt: "De Kinner, die von Huus ut Platt kunnen, de hebbt nich een Minut dorför arbeiden müsst", so Bolko Bullerdiek. So geht es Henning (8) aus der dritten Klasse. Er ist beim Plattdeutsch-Vorlesewettbewerb an der Westerschule klar im Vorteil, dank seiner Großeltern, die Platt mit ihrem plietschen Enkel snacken. "Wir sprechen zu Hause oft Platt", sagt er und trägt leicht und flüssig seinen Text vor. Auch der neunjährige Florian kann sehr gut op Platt vertelln. "Mein Vater übt es mit mir", sagt er.

Lesewettbewerb-Jurymitglied Elsbeth Wulf (56) ist angetan von den Kenntnissen der Schüler, sagt jedoch: "Man hätte vielleicht schon vor 20 Jahren beginnen sollen, Plattdeutsch verbindlich als Unterrichtsfach anzubieten. Nur noch wenige Menschen sprechen Platt in ihrem Alltag." In Altenwerder aufgewachsen hat sie einst die Erfahrung gemacht, dass Platt verpönt war. "Das war nicht fein genug. Man musste sich auf hochdeutsch unterhalten, um nicht schief angeguckt zu werden."

Selbst die Eltern verboten es ihren Sprösslingen. Lesewettbewerbe mit niederdeutschen Texten, wie sie an der Westerschule veranstaltet werden, waren eher selten. Luise Stammhammer (75), ehemalige Schulsekretärin und ebenfalls Jurymitglied, stimmt Elsbeth Wulf zu. "Platt haben wir als Erwachsene nur hier auf Finkenwerder unter uns gesprochen."

Sie wünscht den Schülern, dass sie selbstverständlicher mit Niederdeutsch aufwachsen. "Es ist ein Stück Identität und auf jeden Fall eine kulturelle Bereicherung - nicht nur bei uns auf Finkenwerder."