Seit August berät Liane Simon die Kirchenvorstände, wie sie Aktionen planen und Briefe effektiv formulieren können.

Handeloh. "Sie brauchen eine Projektleiterin, einen Controller und auf jeden Fall einen IT-Verantwortlichen" sagt Liane Simon (57) und schaut über den Bildschirm ihres Laptops hinweg. Sieben Augenpaare blicken sie an. Staunen. "Ich weiß, dass hört sich jetzt alles hochtrabend 'Neu-Deutsch' an, aber eigentlich ist es ganz einfach."

An diesem Abend ist Liane Simon in ihrem schwarzen Kleinwagen von ihrem Büro in Buchholz nach Handeloh geschlittert, über vereiste Straßen vorbei an verschneiten Feldern. Ihre Aufgabe: Den Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorstehern der evangelisch-lutherischen Nikodemus-Kirchengemeinde zu erklären, was Fundraising bedeutet und wie sie damit viel Geld für ihre Gemeinde sammeln können. Liane Simon ist seit August 2009 Fundraiserin des Kirchenkreises Hittfeld.

Fundraising - was das ist? "Tja, eine eindeutige Übersetzung ins Deutsche gibt es dafür gar nicht", erklärt die Sozialpädagogin mit Zusatzqualifikation. Es geht darum, Spenden zu sammeln, professionell in ausgefeilten Aktionen und Projekten. "Dabei steht nicht das Geld im Mittelpunkt, sondern immer der Mensch", betont Liane Simon, "mit Betteln hat das nichts zu tun." Aber diese Assoziation haben noch immer viele mit dem Thema Spenden sammeln. Liane Simon: "Das ist oft ein Problem."

In vielen Kirchenkreisen des Landes sieht es finanziell nicht gut aus, das ist auch im Kirchenkreis Hittfeld nicht anders. "Obwohl es um unsere 18 Kirchengemeinden nicht allzu schlecht bestellt ist", so Superintendent Dirk Jäger. Sie liegen im Speckgürtel Hamburgs, der Großteil ihrer Gemeindemitglieder gehört zur Mittelschicht.

"Aber wir halten am Solidaritätsprinzip fest", so Jäger. Demnach fließen alle Kirchensteuer-Einnahmen der Kirchenkreise bei der Landeskirche in Hannover zusammen. Diese verteilt das Geld wieder auf die Kirchenkreise, anteilig gemessen an der Zahl ihrer Gemeindemitglieder. Das System, das lange Zeit funktioniert hat, gerät mehr und mehr ins Wanken: Die Zahl der Kirchenaustritte hat die der Eintritte überholt. "Auf 200 Personen, die bei uns in die Kirche eintreten, kommen jährlich 500 bis 700 Menschen, die austreten", so Superintendent Dirk Jäger.

Die evangelisch-lutherische Nikodemus-Kirchengemeinde zählt etwa 2000 Mitglieder. "Auch wenn wir noch ganz gut dastehen, die Austritte spüren wir natürlich finanziell", sagt Pastor Jens Gillner (34). Deshalb habe er dieses Jahr auch zum ersten Mal die "Winterkirche" im Gemeindehaus abgehalten. "Um das Kirchenschiff bei diesen Temperaturen auf 17 Grad heizen zu können, müsste man die Heizung 15 Stunden vorher anstellen. Diese Kosten können wir nicht mehr tragen", sagt der Pastor. Auch die Ganztagsstelle, die er sich mit seiner Frau Jennifer teilt, wird nach Auslaufen der Zuschüsse durch das Landeskirchenamt ab 2012 auf eine Dreiviertel-Stelle gekürzt werden. Dann muss die Gemeinde ihren Pastor zu einem gewissen Teil aus eigener Tasche zahlen. "Das alleine würde schon 18 000 bis 20 000 Euro kosten", so Jens Gillner.

"Deshalb sollten wir neben der Kirchensteuer auch auf andere Finanzierungs-Säulen setzten", so Superintendent Dirk Jäger. Und die gibt es. Während die Einnahmen durch die Kirchensteuer stetig sinken, nimmt die Spendenbereitschaft in den Gemeinden zu. "Die Menschen wollen heute selbst steuern, was mit ihrem Geld passiert", erklärt Superintendent Jäger diesen Trend.

Damit die Spendenakquise in den Gemeinden möglichst effizient abläuft, ist nun Liane Simon im Kirchenkreis unterwegs, hält Vorträge zum Thema Fundraising, hilft Spendenaktionen zu organisieren und Spenderbriefe zu formulieren. Ihr Vertrag läuft über vier Jahre.

Eine Fundraiserin in einer kleinen Dorf-Gemeinde, wie kommt das an? "Eigentlich ganz gut", sagt Liane Simon lachend und klappt ihren Lederkoffer auf. Auf offene Ablehnung sei sie bisher nicht gestoßen. "Viele der Gemeindemitglieder haben sich mit dem Thema vorher auseinandergesetzt, sie wollen etwas für ihre Gemeinde tun." Es gibt sogar Punkte, die ihre Arbeit für Kirchengemeinden leichter machen, als für andere Organisationen. So gebe es hier zum Beispiel einen lückenlosen Adressverteiler, der nicht erst erstellt werden muss.

Allerdings seien die Mitglieder des Kirchenvorstands oft zu bescheiden, meinen, nichts Besonderes anbieten zu können, dass ihre Aktionen nicht erwähnenswert seien. Dabei gehe es auch hier wie in der freien Wirtschaft um die richtige Selbstpräsentation, darum, sich gut zu verkaufen und um Transparenz.

"In Ihrer Gemeinde ist schon ganz viel Know-how vorhanden", so Liane Simon, es müsse nur besser genutzt und ausgebaut werden. Die Mitglieder des Kirchenvorstands der Nikodemus-Kirchengemeinde interessierte sehr, was Liane Simon zu erzählen hatte - dass es ein gut funktionierendes Team braucht, bei dem jeder weiß, was er zu tun hat, dass man Menschen genau sagen muss, wofür sie spenden und was schon eine kleine Spende von fünf Euro bewirken kann. "Das macht Unicef auch so", wirft Ursel Köver (52) in die Runde. Liane Simon: "Außerdem sollten Sie kreative Aktionen durchführen, bei denen man Spenden sammeln kann", so die Fundraiserin. Die Kirchengemeinde Klecken nehme zum Beispiel viel Geld über ihre Stiftung ein.

Etwa eine Stunde dauert Liane Simons Vortrag. Gut gefallen haben ihnen die Ideen und Vorschläge der Fundraiserin, da sind sich Ursel Köver und die anderen einig, aber auch darin, dass sie Hilfe brauchen. "Menschen, die uns ihre Zeit und ihr Können schenken", so Ursel Köver. "Alleine schaffen wir das als Kirchenvorstand nicht." Liane Simon nickt: "Ja, ehrenamtliche Helfer sind ganz wichtig." Aber die zu finden - auch dabei könne sie helfen. "Ich bin ja noch eine Weile hier", sagt sie, lächelt und klappt ihren Laptop zu.