An der Straße sichern ein Holzzaun und Stacheldraht das Gelände, am Seiteneingang ist schon seit langem der Schlagbaum geschlossen.

Wintermoor. In einer Baracke stapeln sich die alten Schaumgummimatratzen, vor der Tür steht eine ausgediente HiFi-Anlage, und gleich hinter der Schranke sammeln sich Toilettenstühle, als würden sie auf neue Geschäfte warten. Zum morbiden Bild des Verfalls passt auch der Fahrplan an der Bushaltestelle, vorne an der Straße nach Behringen, der aus dem Jahr 2000 datiert und seitdem nicht mehr erneuert wurde.

Schauplatz des Szenarios ist die frühere Lungen- und Gelenkklinik in Wintermoor, wo zuletzt in einem Pflegezentrum Senioren lebten. Die Entwicklung ist "ein Jammer", sagen viele ältere Wintermoorer. Dabei war das Krankenhaus einst der größte Arbeitgeber am Ort und für viele Kranke die letzte Hoffnung.

Angefangen hatte alles 1943, als in Wintermoor ein "Ausweichkrankenhaus" in Betrieb genommen wurde. Es sollte während des Krieges in sicherer Entfernung von der Stadt Patienten aus Hamburg aufnehmen. Ab 1947 wurden hier vor allem Tuberkulose-Kranke behandelt. Als die Zahl der Neuerkrankungen wegen des medizinischen Fortschritts und der verbesserten Lebensbedingungen deutlich zurückging, wurde aus der Einrichtung eine Fachklinik für Erkrankungen der Atmungsorgane.

Nachdem der Hamburger Senat sein ehemaliges Ausweichkrankenhaus Ende 1975 schloss, übernahm die auf Knochen- und Gelenkchirurgie spezialisierte Endo-Klinik das Gelände. Das Unternehmen nahm am 1. Januar 1976 den Klinikbetrieb mit 305 Krankenhausbetten in Wintermoor auf und erwarb sich in den folgenden Jahren einen hohen Bekanntheitsgrad für diese speziellen Operationen. Die Endo-Klinik schloss Ende 1997 aus wirtschaftlichen Gründen den Standort Wintermoor - eine Unterschriftenaktion, an der sich 5000 Bürger beteiligten, blieb vergeblich. In die Gebäude zog dann noch das Pflegezentrum Wintermoor ein, das 2005 in die Insolvenz ging.

Von Anfang an beobachtet haben viele ältere Wintermoorer den Bau, späteren Betrieb und letztendlichen Verfall. Einer von ihnen ist Egon Manke (77): "Ich war 29 Jahre lang Kantinenpächter im Krankenhaus." 400 Menschen aus Wintermoor, Schneverdingen, Handeloh und Umgebung seien einst dort beschäftigt gewesen, sagt er.

An die sowjetischen Zwangsarbeiter auf der Baustelle erinnert sich Manke und daran, dass bis nach Ehrhorn Feldbahngleise verlegt wurden, um Kies für den Bau heranzuschaffen. Kaum war die Klinik provisorisch fertig, kamen 1943 die schweren britischen Luftangriffe auf Hamburg. "Als Kinder sind wir immer zum Krankenhaus hingegangen und haben zugeguckt." Zugeguckt haben die Kinder aus Wintermoor auch, als die verletzten Opfer der Bombennächte aus Hamburg in die Klinik gebracht wurden. Wegen der schweren Verbrennungen waren ihre Überlebenschancen gering. Die meisten starben qualvoll und "kamen auf den Friedhof - die Toten waren in Wellpappe eingewickelt", sagt Egon Manke.

Später richteten Bauern in Wintermoor auf ihren Höfen Ferienwohnungen für die Angehörigen ein, die ihre kranken Verwandten besuchen wollten. Nach der Schließung tut sich hier nicht viel.

Jens Hamdorf, Steuerberater in Hamburg, wurde 2005 zum Insolvenzverwalter der Betriebsgesellschaft des Pflegezentrums Wintermoor. Er sieht ein allgemeines "Überangebot an Altenpflegeeinrichtungen". Zuletzt sei das Pflegezentrum Wintermoor nur noch zu etwa 30 Prozent belegt gewesen. Dazu trage ein Bewusstseinswandel bei: Die Senioren wollten heute nicht mehr "in der wunderschönen Natur mitten in der Walachei" wohnen, sondern in kleinen Städten, wo sie etwas erleben können.

So sei das weitläufige Areal in Wintermoor mit seinen vielen barackenartigen Gebäuden nicht mehr zeitgemäß gewesen. Es müsste "fast alles neu gemacht werden". Dafür müsste ein Investor "richtig Geld anfassen". Oder um es mit Egon Mankes Worten zu sagen: "Wer soll es denn kaufen? Das ist einfach zu groß - so ist es ein Jammer für Wintermoor".