Zwischen vier und 16 Jahre alt sind die Besucher der Kita Stubbenhof in Neuwiedenthal. Für sie gibt es hier oft die einzige Mahlzeit.

Neuwiedenthal. Ein kalter Wind weht um die Häuserecken der Wohnblöcke am Stubbenhof, als die beiden ehrenamtlichen DRK-Helfer Sandra Noack und Tobias Washausen an der Kita Stubbenhof eintreffen. Drinnen hat ihre Kollegin Gisela Weber (68) schon Kerzen vom großen Adventskranz angezündet. In der Küche erwärmt Kita-Mitarbeiterin Sandra Akgül-Tholl (35) einige Portionen Curry-Huhn mit Reis. "Eigentlich kochen wir jeden Tag frische Gerichte für die Kinder und Jugendlichen", sagt Akgül-Tholl. Doch auch an Wochenenden bietet die Kita Stubbenhof bedürftigen Sprösslingen aus dem Stadtteil ein kostenloses Mittagessen an. Dann soll die Essenszubereitung einfach für die ehrenamtlichen Helfer sein. Deswegen kommen Tiefkühlmenüs auf den Tisch. "Es geht uns an Wochenenden hauptsächlich darum, die Kinder zu versorgen", sagt Weber und schöpft das warme Curry in einen großen Topf. Es muss heute für 30 Besucher im Alter von vier bis 16 Jahren reichen, die nach und nach eintreffen, sich Teller und Besteck von einem Rollwagen holen und dann darauf warten, dass Gisela Weber ihnen auffüllt.

Die ehemalige Grundschullehrerin und ihre ehrenamtlichen Kollegen setzen sich zu ihren kleinen Schützlingen, hören ihnen zu, sprechen mit ihnen über Probleme in der Schule. "Ich freue mich, wenn es den Kindern schmeckt. Am liebsten würde ich ihnen noch Essen für zu Hause einpacken", sagt Tobias Washausen.

Er und Noack engagieren sich seit einigen Wochen beim "Kinderteller". "Es ist wichtig, hier zu helfen. Man muss sich um diese Kinder kümmern", so Sandra Noack, die der kleinen Xenia (4) vorsichtig einen Teller mit Curry reicht. Das Mädchen kommt allerdings noch nicht an den Rollwagen heran. Ihre Schwester Julia (6) nimmt den Teller und bringt ihn an einen Tisch in der Nähe des Adventskranzes, bindet Xenia dann ein Lätzchen über den rosa Pullover. Xenia und Julia freuen sich über die Kerzen und das Tannengrün.

"Spaghetti mit Tomatensauce esse ich am liebsten. Aber Curry ist auch lecker", sagt Julia. "Morgen gibt es die tollen Spaghetti", sagt Melek (6), die den beiden Schwestern gegenüber sitzt und schon fast alles aufgegessen hat. Sie trägt noch ihre blaue Mütze und den Schal. "Ich hatte Hunger. Die Sachen ziehe ich gleich aus, aber erst mal gibt es Nachschlag." Dreimal holen sich die Mädchen nach - nicht nur, weil es ihnen so gut schmeckt. "Manche Kinder essen auf Vorrat, weil es zu Hause nichts weiter gibt. Das Sättigungsgefühl soll länger anhalten", sagt Kita-Leiterin Anke Maack (44). Sie hat den "Kinderteller" am Wochenende mit ihrem Team gegründet, weil ihr und ihren Mitarbeitern aufgefallen war, dass einige Kinder sehr hungrig in die Kita kamen und bei Frühstück und Mittag besonders herzhaft zulangten.

Neuwiedenthal ist geprägt von einem hohen Anteil an sozial benachteiligten Menschen. Fast ein Viertel der Bewohner, also mehr als 5000 Kinder und Jugendliche, sind unter 18 Jahre alt. In der DRK-Kita werden täglich 170 Kinder betreut, mehr als 85 Prozent sprechen Deutsch nicht als ihre Muttersprache.

"In der Kita hatten die Jungen und Mädchen erzählt, dass bei ihnen seit Wochen der Kühlschrank leer ist. Einige hatten dann am Freitag auf Vorrat gegessen", sagt Maack. Die Schicksale lassen sie nicht kalt, traurig erzählt sie von einem Jungen, der sich mit seinen drei Geschwistern die Woche über mit einem Toastbrot behelfen muss, von Vierjährigen, die von Erziehern noch gefüttert werden müssen, weil sich zu Hause niemand für sie Zeit nimmt. "Diese Kinder sitzen am Tisch und wissen nicht, wozu Besteck benutzt wird. Da fangen wir bei Null an."

Woran das liegt, ob die Eltern nicht mit ihrem Geld umgehen können oder "es nicht auf die Reihe kriegen, ihre Kinder angemessen zu ernähren, weiß ich nicht. Was nützt uns alle Sozialschelte, wenn die Kinder trotzdem hungern müssen."

Sie ist froh, dass sich sonnabends und sonntags manchmal bis zu 120 Kinder einfinden, um zu essen. "Dann wissen wir, dass sie zumindest bei uns versorgt werden", sagt sie. Der finanzielle Aufwand für den "Kinderteller" ist hoch. Fast 30 000 Euro jährlich werden benötigt. Geld, das ausschließlich aus Spenden und DRK-Mitgliedsbeiträge aufgebracht wird. Gerade kürzlich hatte Maack von RWE einen 6000-Euro-Scheck erhalten. "Jede Spende verlängert dieses wichtige Projekt", betont die 44-Jährige und schaut nachdenklich aus dem Fenster. Dort schiebt gerade ein Pärchen seinen voll gepackten Einkaufswagen, beladen mit unter anderem Apfelsinen, Schokolade und Kuchen über den Bürgersteig. Klein Xenia sieht den beiden zu, hofft, dass der Nikolaus ihr vielleicht auch einen Schoko-Weihnachtsmann in die Stiefel packt. Maack: "Gerade die Adventszeit birgt für einige Familien unserer Schützlinge erhebliches Konfliktpotenzial. Da wird der Mangel besonders deutlich, wenn einige Familien nicht so üppig einkaufen können."

Bevor die Einrichtung über die Festtage schließt, hält das "Kinderteller"-Team noch eine kleine Überraschung für die Besucher bereit. "Wir wollen Tüten mit Süßigkeiten verschenken, wenigstens eine Kleinigkeit zum Freuen für die Kinder", so Maack.