Für die 6000 Einwohner steht bald nur noch Dr. Khalid Al-Khalidy (66) zur Verfügung.

Neuenfelde. Michael Hochdahl (54) praktiziert noch bis Jahresende in Neuenfelde als Hausarzt. Anfang kommenden Jahres zieht er nach Oberfranken in Bayern, wo er in der Nähe von Kulmbach zusammen mit seiner Frau eine hausärztliche Gemeinschaftspraxis führen will. Der Abschied von Neuenfelde fällt Hochdahl aus zweierlei Gründen nicht leicht: Erstens, weil er seine Praxis am Arp-Schnitger-Stieg 8 in dem Wissen aufgibt, dass für ihn bislang kein Nachfolger in Sicht ist. Zweitens, weil ihm seine Patienten ans Herz gewachsen sind und Abschiedsworte beiderseits nicht selten mit Tränen enden.

Warum wollen sich Ärzte nur noch selten eine Praxis auf dem Land einrichten? Hochdahl: "Ich verstehe es nicht. Die Arbeitsbedingungen und Verdienstmöglichkeiten sind jedenfalls nicht schlecht." Was einen Hausarzt auf dem Land von einem Hausarzt in der Innenstadt unterscheidet? Hochdahl: "In der Stadt suchen sich Patienten bei Beschwerden zumeist einen Allgemeinmediziner in der Nähe des Arbeitsplatzes. Sie wechseln häufiger, das Verhältnis zwischen Arzt und Patienten ist zumeist anonym und Vorgeschichten von Erkrankungen liegen kaum in Akten vor. Auf dem Land kennt der Arzt seine Patienten und deren Leiden sowie deren Lebens- und Familienverhältnisse. Und natürlich sind auch Hausbesuche gang und gäbe. Aber das macht die Arbeit auch so reizvoll."

Hochdahl ist in Koblenz geboren, studierte in Düsseldorf Medizin, arbeitete bis 1997 in einer unfallchirurgischen Klinik in Oberösterreich und übernahm im selben Jahr die Hausarztpraxis von Dr. Klaus Keller, der nach siebenjähriger Tätigkeit zurück nach Thüringen wollte. Das Wohnhaus und die Praxisräume am Arp-Schnitger-Stieg 8 hatte Dr. Tiencken 1932 bauen lassen.

Er praktizierte bis 1962 und übergab an Dr. Dauck, der bis 1990 die Patienten versorgte. Für einen eventuellen Nachfolger von Hochdahl steht das Haus nicht mehr zur Verfügung, weil Sohn Benjamin, der sich in der Berufsausbildung befindet, dort wohnen wird. Hochdahl selbst wird - auch um seine in Blankenese wohnenden Eltern zu sehen - einmal im Monat von Bayern hierher zurück an die Elbe kommen.

Was wird nun aus der hausärztlichen Patientenversorgung? Die Bürgervertretung Neuenfelde-Francop-Cranz, der Gewerbeverband Neuenfelde und der "Arbeitskreis Dritte Meile Altes Land" haben kürzlich eine Unterschriftensammlung gestartet, um bei der Kassenärztlichen Vereinigung in Hamburg auf die Notwendigkeit hinzuweisen, die Versorgung nicht einbrechen zu lassen. Der zweite Hausarzt vor Ort ist Dr. Khalid Al-Khalidy (66). Er könnte sich bereits zur Ruhe setzen, praktiziert aber noch weiter, um die Patienten der Region Neuenfelde-Francop (rund 6000 Einwohner) nicht unversorgt zu lassen. Zwei weitere Hausärzte haben ihre Praxen im Nachbarort Cranz. In eine der Praxen wechselt Hochdahls bisherige Mitarbeiterin.